Österreich: Ärztin nimmt sich nach Drohungen von Impfgegnern das Leben

Am Freitagmorgen ist die oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr tot in ihrer Praxis aufgefunden worden. Nach massiven Drohungen von rechtsextremen Impfgegnern beging sie allem Anschein nach Selbstmord.

Bereits Ende Juni hatte die Hausärztin angekündigt, ihre Praxis in Seewalchen zu schließen. Über sage und schreibe sieben Monate hinweg hatte sie Morddrohungen erhalten. Nachdem Polizei und Behörden nichts unternahmen, musste Kellermayr selbst für Sicherheitsmaßnahmen sorgen.

So engagierte sie einen Sicherheitsdienst, der zu den Sprechzeiten einen Mitarbeiter für die Praxis abstellte. In der Praxis wurde ein Panic-Room eingerichtet und mehrere Videokameras installiert. Sie hatte dafür rund 100.000 Euro ausgegeben.

Mitte Juli erklärte sie, die enormen Kosten könne sie sich nicht mehr leisten und auch ihre Mitarbeiter könnten nicht mehr „unter normalen Umständen“ arbeiten. Deshalb schloss sie die Praxis zu dieser Zeit. Noch einen Tag vor ihrem Tod führte sie ein Interview mit dem Spiegel. Dort erklärte sie, wie wichtig die Praxis für sie war und wie sehr sie der Verlust schmerze.

Kellermayr behandelte direkt nach Beginn der Pandemie Patienten, die sich infiziert hatten. Sie stützte sich dabei stets auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, trat für umfangreiche und rasche Impfungen und für notwendige Schutzmaßnahmen wie Masken und Abstand ein. Auf Social Media warnte sie vor den Gefahren einer Infektion.

Gegner der Corona-Maßnahmen protestieren mit Fackeln am 20. November 2021 in Wien (AP Photo/Vadim Ghirda, Datei)

Dies rief Corona-Leugner und Impfgegner aus dem rechtsextremen Milieu auf den Plan. Sie überzogen die Ärztin mit einer Flut von Hass-Nachrichten. Wie das Wochenmagazin Falter berichtete, wurde sie unter anderem als „Systemschaf“ und „blöde Sau“ beleidigt. Doch es ging noch viel weiter. Ein gewisser „Claas, der Killer“ drohte, sie zu schlachten, nachdem er „die Wände der Ordination mit den Gehirnen Deiner Mitarbeiter gestrichen hat“. Andere Drohungen sind sprachlich so abstoßend und gewalttätig, dass wir sie hier nicht wiedergeben.

Die Medizinerin wandte sich an Polizei und Sicherheitsbehörden. Doch erhielt sie keine Hilfe. Im Gegenteil. Die Polizei Oberösterreich spielte eine entscheidende Rolle dabei, die Ärztin zum Ziel der Angriffe zu machen.

Im letzten Jahr twitterte Kellermayr über eine Demonstration von Corona-Leugnern, die unter den Augen der Polizei die geplante Route verließen und den Eingang eines Krankenhauses und die Zufahrt für den Rettungsdienst blockierten.

Die Polizei reagierte darauf, indem sie den Tweet öffentlich als „Falschmeldung“ bezeichnete, sich demonstrativ hinter die rechtsextremen Corona-Leugner stellte und ihnen bescheinigte, es habe weder Behinderungen noch sonstige Straftaten gegeben.

Daraufhin veröffentlichten Corona-Leugner Kellermayrs Adresse im Internet und riefen offen zum Terror gegen die Ärztin auf. Eine Aufforderung an die Polizei, den Kommentar zu entfernen, der die Rechten mobilisiert hatte, wurde ignoriert.

Dass dies kein Versehen war, zeigte sich im weiteren Verlauf. Der oberösterreichische Polizeipressesprecher erklärte im Ö1-Mittagsjournal, Kellermayr wolle mit der Kritik an der Polizei nur „das eigene Fortkommen fördern“ und sich „in die Öffentlichkeit drängen“.

Als die Nachrichten immer brutaler wurden, ermittelte die Polizei für kurze Zeit, nur um dann alle Bemühungen wieder einzustellen. Es seien „keine Gefährdungsmomente oder Verdachtsmomente“ erkennbar, so die Begründung. Auch als Kellermayr politische Vertreter von allen im Nationalrat vertretenen Parteien um Hilfe bat, erhielt sie diese nicht.

Bei deutschen Behörden erfuhr sie Ähnliches. Ein Mann aus Bayern, dessen Identität bekannt ist, twitterte, man werde die Ärztin vor ein „Volkstribunal“ stellen – eine kaum verhüllte Morddrohung. Kellermayr ging juristisch gegen ihn vor. Deutsche Behörden sahen die Aussage allerdings als von der Meinungsfreiheit gedeckt und unternahmen nichts.

Tatsächlich wurde sehr schnell deutlich, dass hinter dem Terror die rechtsextreme Szene in Deutschland und Österreich steckte. Nella Al-Lami, eine IT-Expertin und Hackerin aus Deutschland, stieß auf den Fall und konnte innerhalb weniger Stunden die Identität von „Claas, dem Killer“ herausfinden. Es handelt sich dabei um einen in Deutschland polizeibekannten Neonazi.

Die Reaktion der österreichischen Behörden auf den Erfolg von Al-Lami war bezeichnend. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wels, Christoph Weber, kritisierte die Hackerin. Ihre Recherchen seien „technisch und inhaltlich nicht nachvollziehbar“. Man wisse nicht, ob sie für ihre Rückschlüsse nicht vielleicht doch im Darknet recherchiert habe.

Das skandalöse Verhalten der Sicherheitsbehörden, die in Deutschland und Österreich bekanntermaßen selbst mit rechtsextremen Kräften durchsetzt sind, hat bei dem tragischen Tod der aufopferungsvollen, 36-jährigen Ärztin eine zentrale Rolle gespielt.

Aber die politische Verantwortung trägt die schwarz-grüne Regierung. Darüber können einige Krokodilstränen der Wiener Regierungsverantwortlichen nach Kellermayrs Tod nicht hinwegtäuschen. Sie hat in der Pandemie de facto das Programm der extremen Rechten übernommen und alle Schutzmaßnahmen aufgehoben. Damit hat sie die Kräfte gestärkt und ermutigt, die Dr. Kellermayr regelrecht in den Tod gehetzt haben.

Wie alle anderen Regierungen weltweit setzen Volkspartei (ÖVP) und Grüne auf die brutale Durchseuchung der Bevölkerung. Österreich spielt dabei seit Beginn der Pandemie eine Vorreiterrolle. Schon früh wurden Lockdown-Maßnahmen aufgehoben. In der Folge erreichten die Infektions- und Todeszahlen immer neue Rekorde.

Zuletzt wurde auch die zuvor beschlossene Impfpflicht wieder abgeschafft. Sie hätte als alleinige Maßnahme die Ausbreitung von Corona zwar nicht verhindert, aber zu einem deutlich besseren Schutz bei großen Teilen der Bevölkerung gegen einen schweren Verlauf der Infektion beigetragen.

Die österreichische Regierung trägt die Verantwortung für tausende Erkrankungen und Todesfälle, die seit Beginn der Pandemie für die Profitinteressen einer schmalen Elite in Kauf genommen wurden. Bislang haben sich fast 4,8 Millionen Menschen in Österreich infiziert, über 20.000 sind an Covid-19 verstorben.

Aktuell steigen die Zahlen erneut. 1600 Menschen befinden sich gegenwärtig in Behandlung in einer Klinik, 88 davon werden intensivmedizinisch betreut. Am Sonntag wurden 5714 Neuinfektionen gemeldet. Doch die Infektionszahlen geben die tatsächliche Situation längst nicht wieder. Da Testmöglichkeiten kaum mehr vorhanden sind, gehen Experten davon aus, dass die Infektionszahlen um ein Vielfaches höher liegen.

Mit der seit gestern in Kraft getretenen Aufhebung aller Quarantäneregelungen haben Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) nun vollständig die Forderungen der rechtsextremen FPÖ übernommen. Erst vor wenigen Tagen hatte der Gesundheitssprecher der FPÖ, Gerhard Kaniak, „eine Fortführung der Quarantänemaßnahmen“ als „obsolet“ bezeichnet.

Es ist diese menschenverachtende Politik, die rechtsextreme Kräfte stärkt und sie ermutigt, gegen alle vorzugehen, die auf einer rationalen, wissenschaftlichen Grundlage Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie fordern. Bei der Durchsetzung der brutalen Profite-vor-Leben-Politik stützen sich alle Parteien auf den braunen Bodensatz der Gesellschaft.

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