Griechenland: Keine täglichen Covid-Berichte mehr trotz BA.5-Sommerwelle

In den letzten acht Wochen sind die Corona-Fälle in Griechenland sprunghaft angestiegen. Wie in ganz Europa hat auch hier die hochansteckende Omikron-Subvariante BA.5 eine schwere Sommerwelle ausgelöst.

Die jüngsten Zahlen der Nationalen Organisation für öffentliche Gesundheit (EODY) zeigen, dass in der Vorwoche 125.193 neue Fälle registriert wurden, was einem Durchschnitt von 17.884 neuen Fällen pro Tag entspricht und fast fünfmal so hoch ist wie Anfang Juni.

Der Anstieg der Infektionen ist darauf zurückzuführen, dass die rechte Regierung unter Nea Dimokratia (ND) im Vorfeld der Tourismussaison praktisch alle Corona-Maßnahmen aufgehoben hat. Im Mai wurde die Pflicht eines Impfnachweises für den Zutritt zu Restaurants, Bars und Cafés abgeschafft, die seitdem wieder mit voller Auslastung betrieben werden dürfen. Auch müssen Reisende nach Griechenland keinen Impfnachweis mehr vorlegen.

Im Juni wurden die Maßnahmen weiter gelockert und die Maskenpflicht überall aufgehoben, außer in Gesundheitseinrichtungen und öffentlichen Verkehrsmitteln. Anfang Juli wurden Hotels von der Verpflichtung befreit, positiv getesteten Gästen eine spezielle Quarantäneunterkunft zur Verfügung zu stellen. Touristen müssen damit nicht mehr die ohnehin schon verkürzte fünftägige Isolationszeit einhalten, die für alle infizierten Personen in Griechenland gilt.

Diese Maßnahmen sind Teil der Durchseuchungspolitik, die von Regierungen weltweit auf Geheiß der globalen Finanzelite verfolgt wird. Alle Corona-Maßnahmen, die den Profit schmälern, werden als inakzeptabel angesehen.

Von über 31.000 Todesfällen in Griechenland sind fast 10.000 seit Anfang 2022 zu beklagen (Our World In Data / CC BY 4.0) [Photo by Our World In Data / CC BY 4.0]

Angesichts des drastischen Anstiegs der Fälle fordern mehrere Wissenschaftler und Mediziner die Wiedereinführung von Corona-Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen.

Doch der Epidemiologe Gkikas Magiorkinis vom Expertengremium für öffentliche Gesundheit, das die Regierung berät, wies dies zurück. In einem Facebook-Post vom 5. Juli schrieb er: „Jedes Mal, wenn wir eine Corona-Welle haben, hören wir ‚Stimmen‘, die nach Maßnahmen rufen... Die Umsetzung von NPIs [nicht-pharmazeutische Interventionen] flacht die Kurve hauptsächlich ab, sie reduziert die Zahl der Infektionen langfristig nicht drastisch, da wir mit der Aufhebung der Maßnahmen, die früher oder später geschehen muss, sofort einen Anstieg erleben, bis wir eine vorübergehende Immunitätswand erreichen, die dazu führt, dass der Anstieg zurückgeht.“

Magiorkinis gehört zu jenen Medizinern, die versuchen, die Idee der Herdenimmunität als unvermeidlichen Weg aus der Pandemie wissenschaftlich zu rechtfertigen. In Wirklichkeit wurde die Aufhebung der Corona-Maßnahmen nie an den Bedürfnissen der öffentlichen Gesundheit orientiert, sondern von den Profitinteressen der Finanzaristokratie diktiert. Chinas Zero-Covid-Politik hat gezeigt, dass das Virus eingedämmt werden kann.

Der griechische Neurowissenschaftler und Zero-Covid-Aktivist Spyros Merkouris (auf Twitter unter @covid19gr), erklärte gegenüber der World Socialist Web Site: „Es ist ganz klar, dass die griechische Regierung alle Kernargumente der Corona-Leugner übernimmt. Mit dieser Strategie soll verhindert werden, dass positiv getestete Arbeitnehmer sich von der Arbeit freistellen lassen oder Long-Covid-Erkrankte Unterstützung suchen. Wie alle kapitalistischen Regierungen betrachtet auch die griechische Regierung die Arbeiter als entbehrliche Maschinen, die nur dazu da sind, die Reichen reicher zu machen. Die Zero-Covid-Strategie ist der einzige Weg nach vorne, aber leider gibt es keine einzige politische Kraft in Griechenland, die das unterstützt.“

Nachdem die Regierung neue Maßnahmen ausgeschlossen hat, wird auch die offizielle Corona-Berichterstattung reduziert. Seit Mitte Juli berichtet die Gesundheitsbehörde nur noch wöchentlich statt täglich über Corona-Infektionen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle. Damit folgt sie dem Beispiel von Regierungen in ganz Europa wie Frankreich, Italien, Spanien und dem Vereinigten Königreich.

Mit der Umstellung auf eine wöchentliche Berichterstattung will EODY die ungebremste Corona-Durchseuchung verschleiern. Als die Behörde diesen Schritt am 8. Juli ankündigte, gab sie sogar selbst zu, dass „in fast allen europäischen Ländern“ ein Anstieg zu verzeichnen ist, während „der Verlauf der Pandemie in unserem Land seit etwa vier Wochen eine steigende Tendenz aufweist“. Dies wurde mit der Ausrede abgetan, dass „die Zahl der Fälle direkt von der Teststrategie in jedem Land abhängt“. Griechenland stehe „in der Europäischen Union an dritter Stelle, was die tägliche Zahl der durchgeführten Covid-Tests betrifft“.

Mit anderen Worten: Es gibt zu viele Fälle, weil es zu viele Tests gibt! Dieses Argument, das erstmals Donald Trump vorgebracht hatte, beruht auf einer Lüge. Am Tag, als diese Ankündigung veröffentlicht wurde, lag die Rate der positiven Corona-Tests in Griechenland bei 16,88 Prozent, fast doppelt so hoch wie Anfang Juni. Dieser Wert wurde längst übertroffen.

Die Positivrate, die weiterhin täglich veröffentlicht wird, lag am 1. August bei 19,42 Prozent, ähnlich wie in der vergangenen Woche, als sie zwischen 19 Prozent und 24 Prozent lag. Diese Positivrate der Tests, die auf eine hohe Dunkelziffer an Fällen hinweist, widerspricht den Behauptungen von Gesundheitsminister Thanos Plevris, der in einem Interview mit dem Radiosender Parapolitika 90.1 am Dienstag sagte, dass „wir in den letzten zwei Wochen einen kontinuierlichen Rückgang der Fälle hatten“.

Gleichzeitig ist die Zahl der durchgeführten Tests in den letzten zwei Wochen stetig zurückgegangen. Merkouris kommentierte am 26. Juli auf Twitter: „Bevor sie damit hausieren gehen, dass die Fälle um 9,4 Prozent zurückgegangen sind, sollten wir beachten, dass die Zahl der durchgeführten Tests um 8,5 Prozent gesunken ist.“

Zum jüngsten Bericht schrieb Merkouris: „85.523 PCR-Tests von 93.170 (8,9 Prozent Rückgang) und 717.476 Schnelltests (9,4 Prozent Rückgang). Das Verbrechen der Regierung und der Bourgeoisie geht weiter, ohne dass jemandem der Schweiß auf die Stirn tritt!“

Die zweite Unwahrheit in der Erklärung von EODY ist die Behauptung, dass die Zahl der Krankenhauseinweisungen trotz des Aufwärtstrends der Fälle in den vorangegangenen vier Wochen nur „sehr gering“ gestiegen sei. Am Tag der EODY-Erklärung lag die durchschnittliche Zahl der Covid-Krankenhauseinweisungen in den vorangegangenen sieben Tagen bei 310. Im Gegensatz dazu lag die entsprechende Zahl am 1. Juni bei 83. Der aktuelle Sieben-Tage-Durchschnitt liegt bei 365 Einweisungen.

Die Zahl der Todesfälle hat stetig zugenommen: In der vergangenen Woche starben 378 Menschen, das sind 30 Prozent mehr als in der Vorwoche und das Vierfache der im Juni verzeichneten durchschnittlichen wöchentlichen Todesfälle. Die kriminelle Politik der griechischen Regierungselite hat zum Tod von insgesamt mehr als 31.000 Menschen und zur Ansteckung von mehr als 4,47 Millionen geführt. Das sind über 43 Prozent der 10,3 Millionen Einwohner.

Der erste Wochenbericht von EODY stieß auf einen großen Aufschrei in den sozialen Medien. Laut Merkouris wurde die Zahl der Infektionen und Todesfälle „nicht in absoluten Zahlen, sondern pro eine Million Einwohner angegeben, in einem verzweifelten Versuch, die Wahrheit zu verbergen“. EODY sah sich gezwungen, wieder zu absoluten Zahlen zurückzukehren.

Die Umstellung auf eine wöchentliche Berichterstattung hat auch zu massiven Ungenauigkeiten in globalen Covid-Dashboards wie der Website Our World In Data geführt. Die Administratoren wurden nicht rechtzeitig über die Umstellung informiert und wussten nicht, dass die Gesamtzahl der Fälle nun auch Reinfektionen umfasst und nicht mehr die Gesamtzahl der seit Beginn der Pandemie infizierten Personen. Der Regierungsberater Magiorkinis kommentierte: „Es erstaunt mich, wie diese offensichtlichen Programmierfehler immer wieder reproduziert wurden.“

Aber die Verantwortung liegt bei der Entscheidung der griechischen Regierung, da die Indikatoren auf der Annahme beruhen, dass die Zahlen einheitlich und korrekt übermittelt werden. Die Tatsache, dass Reinfektionen erst jetzt gemeldet werden, bedeutet, dass die Gesamtzahl der gemeldeten Infektionen monatelang zu niedrig war. Über 200.000 Reinfektionen seit Beginn der Pandemie wurden bisher nicht berücksichtigt.

Die Behörden versuchen ständig, die Gefahr herunterzuspielen. Im jüngsten EODY-Bericht wird die Zahl der Todesfälle in der Vorwoche mit 355 angegeben, was 23 Todesfälle weniger sind, wenn man die Entwicklung der Gesamtzahl der Todesfälle zwischen den letzten beiden Berichten betrachtet. Das Ziel der Regierung besteht nicht darin, zu informieren, sondern die Bevölkerung über den Verlauf der Pandemie im Unklaren zu lassen. Ein Fortschritt im Kampf gegen die Pandemie ist nur möglich, wenn die griechischen Arbeiter sich daran beteiligen, eine Massenbewegung aufzubauen, die sich für eine globale Covid-Eliminierungsstrategie einsetzt.

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