Scholz besucht Athen und besiegelt Panzerdeal mit Griechenland

Vor einer Woche kam Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Antrittsbesuch nach Athen und traf sich mit dem griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis von der rechtskonservativen Nea Dimokratia (ND). Im Fokus der Gespräche, die vor dem Hintergrund des Stellvertreterkriegs zwischen der Nato und Russland in der Ukraine geführt wurden, stand die engere Zusammenarbeit der Länder in der Verteidigungs- und Energiepolitik. „In beiden Bereichen könnte Griechenland künftig eine tragende Rolle zukommen“, kommentierte die Tagesschau.

In der Vorwoche waren die ersten sechs von insgesamt 40 deutschen Panzern des Typs Marder in Griechenland eingetroffen, die Teil des sogenannten „Ringtauschs“ zur Bewaffnung der Ukraine sind. Dabei liefert Berlin hochmoderne Rüstungsgüter an europäische Staaten, die im Gegenzug Waffen nach sowjetischer Bauart in die Ukraine schicken. Athen hat 40 alte Schützenpanzer des Typs BMP-1 an Kiew abgegeben, die noch aus DDR-Beständen stammen.

Marder-Panzer Typ 1A3 [Photo by Sonaz / CC BY-SA 2.0]

Die Ampel-Regierung nutzt den Ukrainekrieg für eine umfassende Rüstungsoffensive. Unter dem Schlagwort „Zeitenwende“ hat sie die Militärausgaben massiv erhöht und Waffen und andere Güter an die Ukraine geliefert. Seit dem Frühjahr organisiert sie auch sogenannte „Ringtausche“ mit anderen Ländern, die zusätzlich zur Bewaffnung der Ukraine die Möglichkeit bieten, deutsche Rüstungsdeals in ganz Europa voranzutreiben.

Die neuen Marder-Panzer werden ausgerechnet am Fluss Evros an der Grenze zum Nachbarland Türkei stationiert, wie Mitsotakis bekanntgab. „Unsere Streitkräfte gehen davon aus, dass sie dort am nützlichsten sind“, begründete er diese provokative Entscheidung. Die geopolitischen Spannungen zwischen den Nato-Verbündeten Türkei und Griechenland haben sich mit dem Ukrainekrieg weiter verschärft. Gegenseitige Drohgebärden und nationalistische Kriegsrhetorik dienen beiden Seiten dazu, von der schweren sozialen Krise im eigenen Land abzulenken.

Scholz machte der griechischen Regierung keine Vorgaben, wo die Panzer stationiert werden. Schon im Vorfeld seines Besuchs hatte er sich in einem Interview mit der griechischen Tageszeitung Ta Nea hinter Griechenland gestellt und die „militärischen Drohungen“ der Türkei kritisiert. Auf der Pressekonferenz in Athen hielt er sich bedeckter und rief zum „Dialog auf der Grundlage des Völkerrechts“ auf. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seinerseits sieht die Interessen seines Regimes durch die Aufrüstung in Griechenland gefährdet und fordert eine Entmilitarisierung der ägäischen Inseln.

Am 28. Oktober wurden die neuen deutschen Marder auf der alljährlichen Militärparade zum sogenannten „Ochi-Tag“ präsentiert. Der Nationalfeiertag erinnert an den 28. Oktober 1940, als die hitlerfreundliche Metaxas-Diktatur ein Ultimatum des faschistischen Italiens unter Mussolini abwehrte und zum nationalen Widerstand aufrief.

Die griechische herrschende Klasse nimmt diesen Feiertag häufig zum Anlass für nationalistische Propaganda. Generalstabschef Konstantinos Floros richtete in seiner Rede im Vorfeld der Parade eine offene Drohung an die Türkei. Wie 1940 stünden die „mächtigen“ Streitkräfte einsatzbereit, um jeden zum Schweigen zu bringen, der Griechenland „bedroht, beleidigt, beschimpft oder herabsetzt“.

Diese Formulierung vom hochrangigsten Militär muss auch als Warnung an die Kriegsgegner im Innern verstanden werden, die den chauvinistischen Patriotismus und die gigantischen Militärausgaben auf Kosten des Bildungs- und Gesundheitssystems anprangern. Es ist noch nicht lange her, dass unter dem Joch der griechischen Militärdiktatur (1967–1974) die Arbeiterklasse niedergeschlagen wurde.

Energiepolitisch könnte Griechenland nach dem Stopp der russischen Gaslieferungen zu einem „wichtigeren Knotenpunkt für Europa“ werden, erklärte Professor Kostas Lavdas, Politikwissenschaftler an der Panteion-Universität in Athen, gegenüber der Tagesschau. Er verweist auch auf die geplante Eastmed-Pipeline, die eigentlich schon vom Tisch war, aber „aufgrund des Krieges in der Ukraine wieder in greifbare Nähe gerückt“ sei. Die bislang nicht realisierte Pipeline soll Erdgas und Wasserstoff aus dem Nahen Osten nach Griechenland und von dort weiter nach Italien liefern.

Der nordgriechische Hafen von Alexandroupoli, der jüngst ausgebaut wurde und als Umschlagplatz für die Waffenlieferungen der Nato an die Ukraine dient, wird auch im Energiebereich bedeutender, so die Tagesschau: „Über den südlichen Gaskorridor – ein Verbund mehrerer Pipelines – gelangt Gas von Aserbaidschan über Georgien und die Türkei nach Griechenland. Von Alexandroupoli wiederum führt die Transadriatische Pipeline über Albanien nach Italien.“

Zudem entsteht ein Terminal für Flüssiggas (LNG) in dem Hafen, das die Balkanländer versorgen könnte. Auch in Sachen Wind- und Sonnenenergie investieren deutsche und andere europäische Unternehmen.

Griechenland ist einer der engsten Verbündeten der USA und Deutschlands im Krieg gegen Russland und gab laut Nato-Angaben 2021 schon vor dem Kriegsausbruch 3,59 Prozent des BIP für seinen Militärapparat aus – mehr als alle anderen Nato-Länder. Die Militärausgaben sind den Zahlen des Friedensforschungsinstituts Sipri zufolge im Jahr 2021 auf rund 8 Milliarden US-Dollar gestiegen, von 5,3 Milliarden im Vorjahr.

Die Aufrüstung findet die volle Unterstützung der pseudolinken Oppositionspartei Syriza, die sich als besserer Rüstungspartner profilieren will. Vor wenigen Tagen traf sich Parteichef Alexis Tsipras mit Managern der griechischen Luftfahrtindustrie und freute sich über den Erfolg „der beiden Rüstungsprogramme, die wir als Regierung unter sehr schwierigen Umständen abgeschlossen hatten: die Aufrüstung von 84 F-16 Viper-Kampfflugzeugen und vier P-3-Seeaufklärungsflugzeugen“.

Er beklagte sich dann, dass von den letzten Rüstungsprogrammen unter der ND-Regierung „kein einziger Euro an die nationale Kriegsindustrie geflossen ist. Das ist ein nationales Verbrechen.“ Griechenland müsse „seine Streitkräfte immer zur Abschreckung und in ständiger Bereitschaft halten“. Wenn Syriza an die Regierung komme, werde sie die Verträge neu verhandeln und die griechische Rüstungsindustrie stärken, so Tsipras.

Insbesondere in den letzten Monaten hat Washington den Ausbau der Militärstützpunkte sowie die Modernisierung der griechischen Armee beschleunigt. Im September wurden Pläne der US-Regierung bekannt, Streitkräfte im Hafen von Alexandroupoli zu stationieren.

Am 11. Oktober sprachen Stellvertreter beider Verteidigungsministerien bei einem Treffen „über den Ausbau der militärischen Präsenz der USA in der Souda-Bucht und anderswo in Griechenland“ und über „die wichtige Rolle des Hafens von Alexandroupoli bei der Gewährleistung eines stabilen Zugangs zur Ostflanke der Nato, insbesondere zur Unterstützung der Ukraine“, wie es in einer Pressemitteilung des US-Verteidigungsministeriums heißt.

Die deutsche Rüstungsindustrie will bei dieser Entwicklung nicht leer ausgehen. Laut Daten von Sipri belegte das kleine Griechenland zwischen 2011 und März 2022 bereits Platz 5 der größten Abnehmer deutscher Rüstungsexporte (nach Südkorea, USA, Ägypten und Israel). Die Bundesregierung versucht im Eiltempo die Machtstellung des deutschen Imperialismus auszubauen – auch in Konkurrenz zu den USA und Frankreich.

Die größten Abnehmer deutscher Waffenexporte, 14. März 2022 [Photo by Statista, Bocksch, R. / CC BY-ND 3.0]
Rheinmetall und Griechenland

Die jetzige verstärkte Rüstungskooperation mit Griechenland zeigt abermals, in welcher verbrecherischen Tradition die neue deutsche Großmachtpolitik steht. Der Ringtausch wird von denselben Unternehmen durchgeführt, die zu NS-Zeiten führend waren.

Die Marder-Panzer werden vom Düsseldorfer Rüstungsriesen Rheinmetall produziert, der im ersten Halbjahr 2022 Rekordumsätze erzielt hat. Schon seit Mitte der 1930er Jahre war Rheinmetall-Borsig maßgeblich an geheimen Rüstungsgeschäften zwischen Griechenland und Nazi-Deutschland beteiligt.

Der damalige griechische Kriegsminister, General Kondylis, nahm 1934 Kontakt zu Rheinmetall-Borsig auf und „überreichte dem Unternehmen eine lange Einkaufsliste“, so der Historiker Morgens Pelt in einem online verfügbaren Aufsatz. Die Verhandlungen fanden geheim statt, weil Griechenland die Entente-Bündnispartner Frankreich und Großbritannien nicht verprellen wollte und Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund des Versailler Vertrags keine Kriegsgüter exportieren durfte.

Aufgrund dieser Beschränkungen schuf Rheinmetall-Borsig eine Schattenfirma, die Waffenfabrik Solothurn in der Schweiz, die Rüstungsdeals mit mehreren Ländern unternahm, darunter Griechenland, Italien und Bulgarien. Rheinmetall-Borsig war eng mit der NS-Regierung verbunden. Der Präsident seiner Waffen- und Verkaufszentrale, Major Waldemar Pabst, hatte 1919 die Ermordung der Revolutionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht angeordnet und genoss das Vertrauen der Nazi-Führer. Laut Pelt sah Deutschland in den Waffenlieferungen an Griechenland auch eine willkommene Möglichkeit, „das französische Sicherheitssystem in Mittel- und Südosteuropa zu untergraben“.

Am 4. August 1936, nach der Niederschlagung eines großen Tabakarbeiterstreiks in Nordgriechenland, errichtete der faschistische General und Monarchist Ioannis Metaxas eine Diktatur. In der Folge intensivierte er die Rüstungsvereinbarungen mit Rheinmetall-Borsig und erhöhte die Abhängigkeit von deutschem Kriegsgerät und Rüstungstechnologien. Waffenlieferungen waren aus Sicht des Auswärtigen Amts „ein wesentliches Element für die Wahrung der deutschen Interessen in Griechenland“, so Pelt.

Nach dem italienischen Angriff auf Griechenland, der zunächst abgewehrt wurde, besetzten die Nazis im Frühjahr 1941 das Land und führten einen Vernichtungsfeldzug gegen die Zivilbevölkerung, die jüdische Gemeinde und die Partisanenbewegung. Die Plünderung der Wirtschaftsressourcen (u.a. Chrom und Nickel) kam der deutschen Industriemaschinerie zugute.

Deutscher Panzer IV in Athen, 1941/1942, im Hintergrund der Hephaistos-Tempel [Photo by German Federal Archive/Teschendorf/bild 101I-175-1270-36 / CC BY-SA 2.0]

Auch Rheinmetall profitierte von der Raubpolitik. Griechische Zwangsarbeiter mussten in deutschen Rüstungsbetrieben schuften. Der vormalige Direktor der Rheinmetall-Borsig in Athen, Walter Deter, gehörte nun zum Wirtschaftsstab der Wehrmacht in Griechenland.

In der jüngeren Zeit strich Rheinmetall in Griechenland über zwielichtige Korruptionsmethoden hohe Gewinne ein. Zwischen 2001 und 2011 hatte der Konzern mindestens 42 Millionen Euro Schmiergelder an griechische Mittelsmänner gezahlt, um Rüstungsaufträge einzufädeln (vor allem Flugabwehrsysteme und Leopard-Panzer). Als der Skandal 2014 aufflog, musste das Unternehmen etwa 37 Millionen Euro Bußgelder zahlen.

Jetzt machen die deutschen Rüstungskonzerne unter Führung der Scholz-Regierung ganz offiziell riesige Deals mit Griechenland und anderen Ländern und sind fest eingebunden in die deutsche Interessenspolitik in Südosteuropa.

Der jüngste „Ringtausch“ mit Athen verschärft dabei nicht nur den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine, sondern auch die Gefahr eines weiteren verheerenden Kriegs zwischen Griechenland und der Türkei. Diese Kriegseskalation kann nur gestoppt werden, wenn sich Arbeiter in der Türkei, Griechenland und weltweit in einer internationalen und sozialistischen Antikriegsbewegung zusammenschließen.

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