In Syrien wird derzeit ein imperialistisches Verbrechen von historischen Ausmaßen verübt. Seit Monaten heizen die westlichen Mächte und ihre regionalen Verbündeten einen Bürgerkrieg an, indem sie religiöse und ethnische Gegensätze schüren und bewaffnete Söldner ins Land schicken. Auch eine direkte militärische Intervention schließen sie nicht aus.
Während sich die offizielle Propaganda bemüht, den Konflikt als Volksaufstand gegen das Regime von Baschar al-Assad darzustellen, handelt es sich in Wirklichkeit um einen gezielten Versuch, von außen einen Regimewechsel herbeizuführen und gleichzeitig den Iran zu schwächen. Das Vorgehen gegen Syrien reiht sich in dieser Hinsicht nahtlos in die Kriege in Afghanistan, dem Irak und Libyen ein. Auch dort mussten Hunderttausende Menschen sterben, weil die USA und ihre Verbündeten neue Herrscher installierten, die ihnen ergeben und von ihnen abhängig sind.
Die deutsche Regierung ist bis über den Kopf in diese imperialistischen Machenschaften verwickelt, auch wenn sie aus Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu China und Russland zum Teil im Verborgenen agiert. Aber anders als etwa noch beim Irakkrieg gibt es dagegen keine Proteste.
Verantwortlich dafür ist nicht die Bevölkerung, die diversen Umfragen zufolge ein militärisches und politisches Eingreifen in Syrien mit überwältigender Mehrheit ablehnt, sondern die veränderte Haltung der Parteien und Organisationen, die einst die Friedensbewegung ausmachten. Sie stehen heute vollständig im Lager des Imperialismus und beteiligen sich aktiv an den Bemühungen, in Syrien ein prowestliches Regime an die Macht zu bringen.
Im Falle der Grünen überrascht das nicht. Die ehemaligen Pazifisten waren bereits 1998, als sie in die Bundesregierung eintraten und den Krieg gegen Jugoslawien unterstützten, ins Lager des deutschen Imperialismus gewechselt. Seither gehören sie zu den eifrigsten Befürwortern internationaler Kriegseinsätze der Bundeswehr.
Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, hat denn auch mehrfach zu einem schärferen Vorgehen gegen Syrien und zu weiteren Sanktionen aufgerufen. Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer hat eine offene Militärintervention wie in Libyen gefordert und geht damit noch weiter als die Bundesregierung. „Es ist eine große humanitäre Katastrophe, die sich da abzeichnet“, sagte er gegenüber Bild am Sonntag. „Deswegen stehe ich der Einrichtung einer Flugverbotszone grundsätzlich positiv gegenüber.“ Die Einrichtung einer Flugverbotszone hatte in Libyen als Rechtfertigung für das militärische Eingreifen der Nato gedient.
Bemerkenswerter als die Rolle der Grünen ist die Rolle der Linkspartei, der darin aktiven pseudolinken Gruppen wie Marx21 und SAV sowie ehemaliger Bestandteile der Friedensbewegung wie der Friedenskooperative und des Komitees für Grundrechte und Demokratie. Sie alle sind tief in das Geschehen in Syrien verstrickt und arbeiten dabei über zahlreiche Kanäle mit der Bundesregierung zusammen.
Dabei gibt es eine Arbeitsteilung. Die Bundesregierung pflegt enge Kontakte zum Syrischen Nationalrat (SNC) und zur Freien Syrischen Armee (FSA), die von den USA, Frankreich, Großbritannien, der Türkei, Saudi-Arabien und Katar unterstützt und bewaffnet werden. Die Linkspartei hält Verbindung zu anderen politischen Strömungen, die mit dem SNC und der FSA konkurrieren, aber auch durch zahlreiche Fäden mit ihnen verbunden sind. Damit verschafft sie der Bundesregierung zusätzlichen Raum für politische Manöver und stärkt so ihre Stellung gegenüber verbündeten Mächten wie den USA.
Außenminister Guido Westerwelle hat Deutschland zu einem Zentrum der Intrigen gegen die syrische Regierung gemacht. In Berlin haben sich unter dem Dach der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) monatelang führende Vertreter des Syrischen Nationalrats SNC und andere Gegner des Assad-Regimes getroffen, um Pläne für dessen Sturz auszuarbeiten. Das Projekt arbeitete geheim und trat erst im August an die Öffentlichkeit. Finanziert wurde es unter anderem vom deutschen und amerikanischen Außenministerium.
Der Name des Projekts, „The Day After“, zeigt, worauf es der deutschen Regierung in erster Linie ankommt. Sie will dabei sein, wenn nach einem gewaltsamen Regimewechsel die Beute aufgeteilt wird. Ein Post-Assad-Regime soll, wie es im offiziellen Bericht des Projekts neben zahlreichen wertlosen Lippenbekenntnissen zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie heißt, „das Unternehmertum fördern“ und „die Entwicklung des Privatsektors unterstützen“. Mit anderen Worten, es soll sicher stellen, dass die staatlichen Bereiche der syrischen Wirtschaft privatisiert und für internationale Investoren geöffnet werden.
Die politischen Aktivitäten der Linkspartei ergänzen diese Pläne. Die parteieigene Rosa Luxemburg Stiftung (RLS), die weitgehend mit öffentlichen Geldern finanziert wird, ist so gut wie kaum eine andere politische Organisation in Deutschland mit den verschiedenen Flügeln der syrischen Opposition vernetzt. In den letzten Monaten organisierte oder unterstützte sie mehrere Podien, auf denen auch Elias Perabo, der Mitgründer und Sprecher der Initiative „Adopt a Revolution“, auftrat.
Hinter „Adopt a Revolution“ verbirgt sich ein Zusammenschluss mehrerer Organisationen der ehemaligen Friedensbewegung, wie der Friedenskooperative und des Komitees für Grundrechte und Demokratie, die Geld für die syrische Opposition sammeln. Nach außen betont das Bündnis (wie auch die Linkspartei), sie beschränke sich auf die Unterstützung der friedlichen Opposition. In ihren Leitideen erklärt sie sogar, dass die „Stärkung friedlicher politischer AktivistInnen eine militärische Eskalation unwahrscheinlicher“ mache.
Doch in der Praxis erweist sich diese Trennung zwischen friedlicher und bewaffneter Opposition als Fiktion, mit der lediglich die proimperialistische Ausrichtung der Kampagne verschleiert wird. Tatsächlich arbeiten die Oppositionsgruppen, die durch „Adopt a Revolution“ gefördert werden, mit den bewaffneten Söldnern der Freien Syrischen Armee zusammen. AaR-Sprecherin Christine Schweitzer gibt selbst zu, dass „die überwiegende Mehrheit der Opposition das Vorhandensein der Freien Syrischen Armee (FSA) unterstützt“.
Auch zum Syrischen Nationalrat, der eng mit der Freien Syrischen Armee verbunden ist und fortwährend ein militärisches Eingreifen der NATO fordert, unterhält „Adopt a Revolution“ enge Beziehungen. Von den vier Teilnehmern ihrer ersten Pressekonferenz am 4. Januar haben sich mittlerweile drei für eine westliche Intervention ausgesprochen. Zwei davon sind Mitglieder des Syrischen Nationalrats.
Neben den Kontakten zum Syrischen Nationalrat pflegen die Linkspartei und ihre Rosa Luxemburg Stiftung vor allem Verbindungen zum Nationalen Koordinierungskomitee für Demokratischen Wandel (NCC). Kaum eine Veranstaltung der Stiftung zum Thema Syrien findet ohne die NCC-Vertreterin Mais Elkrydee statt.
Das vor einem Jahr gegründete NCC ist ein Zusammenschluss bürgerlicher Parteien, die im Lande selbst verankert sind. Der Syrische Nationalrat SNC wird dagegen hauptsächlich von Exilpolitikern dominiert. An der Spitze des NCC steht der 80-jährige Hassan Abdel Asim. Ursprünglich Nasserist, hatte er 1979 gemeinsam mit einer Abspaltung der Kommunistischen Partei und vier nationalistischen Parteien die National Democratic Rally gegründet, die heute das Rückgrat des NCC bildet.
Im Gegensatz zum Syrischen Nationalrat trat das NCC lange Zeit für eine Verhandlungslösung mit dem Assad-Regime und gegen eine militärische Intervention ausländischer Mächte ein. Es unterhält außerdem gute Verbindungen zu Russland. Noch im April hatte eine NCC-Delegation unter Führung Abdel Asims Moskau besucht und die russische Regierung gebeten, Assad zu Zugeständnissen zu bewegen.
Das NCC bemüht sich aber auch um eine Vereinigung mit dem Syrischen Nationalrat. Im vergangenen Dezember hatten die beiden Organisationen in Kairo ein entsprechendes Abkommen unterschrieben, das aber nie verwirklicht wurde. Das NCC gibt für das Scheitern des Zusammenschlusses dem Syrischen Nationalrat und den dahinter stehenden ausländischen Mächten die Schuld.
Mit der Verschärfung des Bürgerkriegs ist das NCC zunehmend von seiner Forderung nach einer Verhandlungslösung abgerückt. Am 2. und 3. Juli nahm es gemeinsam mit dem Syrischen Nationalrat und anderen Oppositionsgruppen an einer Konferenz in Kairo teil, die unter der Schirmherrschaft der Arabischen Liga stand. Das Abschlussdokument sprach sich für die Unterstützung der Freien Syrischen Armee, die Auflösung der herrschenden Baath-Partei und den Ausschluss von Präsident Baschar al-Assad und anderen führenden Persönlichkeiten des Regimes aus dem Übergangsprozess aus.
Am 26. August veröffentlichte das NCC eine Erklärung, die den UN-Sicherheitsrat zum Eingreifen auffordert und die Überweisung des „mörderischen syrischen Regimes“ an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) verlangt. Verabschiedet der Sicherheitsrat einen solchen Beschluss, wären dadurch alle Wege zu einer Verständigungslösung versperrt.
Die im NCC versammelten bürgerlichen Kräfte könnten bei der Bildung eines Nach-Assad-Regimes eine wichtige Rolle spielen. Die gesamte Geschichte des Nahen Ostens beweist, dass bürgerlich-nationalistische und ex-stalinistische Parteien, aus denen sich das NCC zusammensetzt, den Interessen der unterdrückten Massen organisch feindlich gesonnen und zu einem Deal mit dem Imperialismus bereit sind.
Nach der Ermordung des amerikanischen Botschafters in Libyen durch Elemente, die vermutlich Al Kaida nahestehen, wachsen auch in Washington und anderen westlichen Hauptstädten die Zweifel, ob es ratsam sei, sich zu sehr auf islamistische Kreise zu stützen, wie sie auch in der Freien Syrischen Armee stark vertreten sind.
Da die USA und ihre Verbündeten in der Region aber derzeit eine Zusammenarbeit mit dem NCC noch ablehnen (zur Oppositionskonferenz, die im März in Istanbul stattfand, war das NCC nicht eingeladen worden), arbeitet auch die deutsche Regierung nicht offen mit ihm zusammen. Sie überlässt diese Aufgabe der Linkspartei und ihrer Rosa Luxemburg Stiftung. Von dort führen dann zahlreiche Kommunikationswege ins Auswärtige Amt.
Eine besonders aktive Rolle bei der Unterstützung der imperialistischen Verschwörung gegen Syrien spielen Gruppierungen, die sich einst fälschlicherweise als marxistisch bezeichneten.
So ruft Christine Buchholz, Mitglied von Marx21 und Vertreterin der Linkspartei im Verteidigungsausschuss des Bundestags, zur „Solidarität mit der Revolution“ in Syrien auf. Zu den „revolutionären“ Kräften zählt sie nicht nur das NCC, sondern auch die von der deutschen und US-Regierung unterstützte Freie Syrische Armee. Sie behauptet, diese Söldnertruppe, die ebenso brutal gegen die Zivilbevölkerung vorgeht wie das Assad-Regime, leiste „bewaffneten Widerstand“ und sei „im revolutionären Prozess verwurzelt“.
Marx21 ist Bestandteil der International Socialist Tendency (IST), die auch in ihren internationalen Publikationen die Freie Syrische Armee unterstützt.
Ähnliches gilt für das Committee for a Workers International (CWI) und dessen deutsche, ebenfalls in der Linkspartei aktive Sektion, die Sozialistische Alternative Voran (SAV). Noch im April hatte sich die SAV für die Bewaffnung der syrischen Opposition stark gemacht. Sie schrieb: „SozialistInnen unterstützen das Recht auf Bewaffnung für die Rebellen und revolutionären Gruppen, angesichts der kaltblütigen Morde, Folterungen, und Verhaftungen von AktivistInnen durch das brutale Assad-Regime.“
Seither hüllt sich die SAV weitgehend in Schweigen, obwohl die syrischen Ereignisse täglich die Schlagzeilen dominieren. Ihr letzter Artikel zu den Ereignissen in Syrien stammt vom 19. Juni.
Auch der pablistische Revolutionär Sozialistische Bund (RSB) steht voll hinter der imperialistischen Intervention in Syrien. Am 1. April dieses Jahres rief er zur „Solidarität mit der syrischen Revolution“ auf, stellte die Gegner Assads pauschal als im Volk verwurzelte Revolutionäre dar und rief „die Völker auf der ganzen Welt“ auf, „ihre Solidarität mit seinem Kampf für die definitive Beseitigung dieses blutigen Regimes“ zu erklären. Während er über die westliche Intervention kein Wort verlor, bezeichnete der RSB die russische Unterstützung für das Assad-Regime als „skandalös“.
Diese pseudolinken Gruppierungen sprechen nicht für die Arbeiterklasse, sondern für eine wohlhabende Schicht der Mittelklasse, die angesichts sich verschärfender internationaler Klassenkämpfe den Imperialismus und den bürgerlichen Staat gegen die Arbeiter verteidigen.