Königliche Niederkunft in Großbritannien: Medienrummel inmitten öffentlicher Teilnahmslosigkeit

Eine Geburt in der vergangenen Woche, die Niederkunft des Sohnes von Kate Middleton, Herzogin von Cambridge und Ehegattin des britischen Prinzen William, löste ein Medienspektakel aus.

Vor dem St.-Marien-Krankenhaus in Westlondon versammelten sich hunderte Reporter und Fotographen der Weltpresse. Die britischen Medien berichteten flächendeckend und umfassend in allen Zeitungen sowie Radio- und Fernsehkanälen. Premierminister David Cameron sagte, die Geburt sei „ein wichtiger Moment im Leben unserer Nation.“ Das Königshaus „weiß, dass eine stolze Nation diese Nacht gemeinsam mit einem sehr stolzen und glücklichen Paar feiern wird“, fügte er hinzu.

Wenn man bedenkt, wie angestrengt das politische und mediale Establishment daran gearbeitet haben, diesem Ereignis monumentalen Stellenwert beizumessen, dann ist es bemerkenswert, dass die Niederkunft nur relativ geringes Interesse bei den arbeitenden Menschen fand.

Eine verständliche Neugierde war da, doch ungeachtet dessen, was Medien und politisches Establishment mit Nachdruck der Öffentlichkeit weismachen wollten, hatte dieses Geschehnis geringen bis gar keinen Einfluss auf das Leben der Menschen.

Zusätzlich zeigten sich viele Menschen entschieden abweisend und der allseitigen Kriecherei anlässlich der Entbindung feindlich gesinnt. Die BBC teilte mit, sie habe hunderte Beschwerden ihrer Zuschauer erhalten, „die meinten, es hätte zu viel Berichterstattung über das königliche Baby gegeben, ebenso von Leuten, die fanden, dass die Berichterstattung einseitig für die Monarchie gewesen sei.“

Die BBC sah sich genötigt, ihren Standpunkt zu verteidigen und kommentierte: „Es war ein großes historisches Ereignis – die Geburt eines neuen Thronfolgers.“

Den Grund für den Lärm, mit dem die Entbindung gefeiert wurde, fasste der Guardian zusammen, der die Gelegenheit nutzte, um zu verkünden, dass die Monarchie für eine absehbare Zukunft sicher im Sattel sitze. In seinem Leitartikel „Königliche Niederkunft: Sei willkommen, Baby Cambridge“ schreibt das Blatt: „Die Monarchie als Institution ist so beliebt, wie sie es seit dem Krieg nicht mehr war. Das ist eine fast unglaubliche Erholung von ihren düsteren Jahrzehnten am Ende des vergangenen Jahrhunderts, als dieser Pegel an Unterstützung undenkbar war.“

“Das Königshaus scheint selten gefestigter gewesen zu sein“, urteilt der Artikel.

Nach der Feststellung, dass “Baby Cambridge den Thron wohl kaum in den nächsten fünfzig Jahren beerben wird,“ legt der Guardian sich die Frage vor, ob „Großbritannien im Jahr 2065 noch ein Staat sein werde, an dessen Spitze sich eine Person befindet, deren Platz durch Geburt bestimmt ist?“ Und beantwortet sie folgendermaßen: „Da wir in den vergangenen fünfzig Jahren gelernt haben, dass die Monarchie einen der Logik trotzenden Widerstand zu leisten vermag, sieht es aus, als sei die Antwort ja.“

Ist dem so? In Wahrheit würde jeder (außer den glühendsten Königstreuen) in Anbetracht solch einer selbstzufriedenen und blasierten Voraussage über die zukünftige Thronbesteigung von König Georg VII. eine Augenbraue hochziehen – namentlich in einer Epoche, in welcher der Graben, der die superreiche Finanzaristokratie vom Rest der Gesellschaft trennt, wie dies die britische Monarchie veranschaulicht, wachsende Missstimmung und Erbitterung unter den breiten Massen weltweit hervorruft.

Dass dieses Ereignis Zeitungsseiten und Rundfunkmedien tagelang in einem fort ausfüllen kann, entlarvt die vollständige Verwesung, in der sich der offizielle politische Meinungsstreit befindet. Der nominell republikanische Guardian dient sich diesem als führender Lieferant von Hohlheiten an. Auf seiner Webseite verfällt das Blatt auf die ausgefallene Idee, in der oberen rechten Ecke eine Schaltfläche mit dem Wort „Republikaner?“ anzubringen.

Betätigt man diesen Link, werden alle Berichte über das königliche Baby entfernt. Es bleibt einem angesichts solcher Berichterstattung in der Tat als Abwehrmaßnahme nichts anderes übrig – geht man wieder zurück auf die Standardeinstellung des Guardian, bombardiert einen die „Königstreuen“-Seite mit einem albernen Journalistengeschwätz nach dem anderen.

Die wenigen kritischen Kommentare, die es gab, wurden generell auf unterstem Niveau dargeboten. Die Ansicht, die im Jubiläumsjahr 1977 von den Sex Pistols satirisch überspitzt vertreten wurde (“God save the Queen, ‘Cos tourists are money!” [Gott schütze die Königin, denn Touristen sind Geld!]), wagen wir kühn in Frage zu stellen: tatsächlich trägt die Monarchie nicht sehr viel zur Wirtschaft bei, und darüber hinaus auch nichts.

Seamus Milne vom Guardian machte ganze 364 Jahre nachdem der Kopf von Charles I. nach dem Ende des englischen Bürgerkriegs gewaltsam von seinem Körper getrennt und damit erstmals die Monarchie aufgelöst wurde, den, wie er selbst zugab, „nicht sehr radikalen“ Vorschlag, ein „gewähltes Staatsoberhaupt“ zu fordern. Er umschrieb dies als „einen notwendigen Schritt zur Demokratisierung Großbritanniens und zur Schwächung des Übergewichts des ehrwürdigen Konservatismus und des Antipolitischen,“ was auch immer dies bedeuten mag.

“Das Volk könnte Prinz William oder Kate Middleton wählen, wenn ihm danach ist, und die Königsfamilie könnte mit ihren Gartenlustbarkeiten und kronengeschmückten Ausflügen in Goldkutschen fortfahren“, regte er an.

Ein höflicher Vorschlag zu einem gewählten Staatsoberhaupt fasst die Ansichten eines liberalen Establishments zusammen, das mit einigen wenigen kosmetischen Veränderungen zufrieden wäre – aber zu radikal darf es natürlich nicht sein.

Weshalb ist die Monarchie über alle ernsthaftere Kritik erhaben? Die Antwort ist, dass der Erhalt dieser grotesken und antiquierten Institution mit all ihrer Üppigkeit und Verschwendung aus sehr zeitgemäßen Gründen betrieben wird.

Wie die diesjährigen Jubiläumsfeierlichkeiten veranschaulichten, ist da das “Brot-und-Spiele”-Element. Niemand prunkt und feiert den Briten gleich, wird in Anschlag gebracht, und dies wirft einen Farbtupfer in das ansonsten schattengraue Leben der einfachen Menschen. Für eine bestimmte Schicht stellt dieser zeremonielle, traditionelle Aspekt eine Attraktion dar, doch in Besonderheit für die Touristen, die sich vor dem Buckingham-Palast versammelten, um Neuigkeiten über die Geburt zu erfahren.

Der Hauptzweck indessen, weshalb Millionen in den Haushalt der Königsfamilie gepulvert werden, ist ihre nach wie vor doppelte politische Funktion.

Als Repräsentantin der Nation wird die Monarchie dazu gebraucht, an eine gemeinsame “nationale Identität“ zu appellieren. In dieser Rolle erhält sie die Funktion eines sozialen Kitts, der unvereinbare Klassen aneinander bindet, wie dies jeder Nationalismus gleichfalls tut.

Zusätzlich agiert die Monarchie als menschliche Verkörperung einer Klassengesellschaft, die auf (überwiegend vererbtem) Reichtum, Privilegien und Klassenunterdrückung beruht. Für die herrschende Elite verkörpern der regierende König oder die Königin das „Recht“ hunderter anderer Könige und Königinnen des Big Business, sich in noch größerem Maßstabe Luxus und Überfluss hinzugeben.

Diese beiden im Wesentlichen einander widersprechenden Funktionen – des Ausdrucks von nationaler Einheit und der Verkörperung sozialer Differenzierung – werden jetzt durch die beispiellose Steigerung sozialer Ungleichheit zwischen einer unsagbar reichen Elite und einer in Armut getriebenen Bevölkerung bis zur Grenze der Belastbarkeit ausgereizt.

Als die jetzige Königin im Jahr 1953 den Thron bestieg, waren die Strukturen des britischen Nachkriegssozialstaates gerade gelegt worden. Die herrschende Klasse, die in Furcht vor einer politisch radikalisierten und militanten Arbeiterklasse geraten war, die entschieden nicht zu den Bedingungen der Massenarmut der 1930er Jahre zurückkehren wollte, führte bedeutende und umfassende soziale Reformen durch, darunter den weltweit ersten kostenlosen und universalen Nationalen Gesundheitsdienst (NHS), ein umfassendes Bildungssystem und sozialen Wohnungsbau.

Heute wird dieser viel wichtigere soziale Kitt (weit fundamentaler als die Monarchie), der die gesamte Nachkriegsperiode geformt hat, systematisch in Trümmer gelegt. Neben der Privatisierung des NHS und der öffentlichen Bildung sowie dem Ende der sozialen Absicherung erleiden Millionen Menschen tiefe Einschnitte bei Löhnen, eine Steigerung der Arbeitshetze und Arbeitslosigkeit.

Wenn das von den Medien erzeugte Tohuwabohu abgeklungen sein wird, werden die Gedanken und Handlungen der Gesamtbevölkerung wieder von diesen grundlegenderen Sorgen eingenommen werden.

Für die Familie der Windsors und ihre zahllosen Parasiten verheißt das nichts Erfreuliches. Nicholas Witchell, der für das Königshaus zuständige Klatschkolumnist der BBC erwähnte in einer typischen Katzbuckelei über den königlichen Nachwuchs, dass „dessen „Lebensweise und Lebensweg–unausweichlich vorgezeichnet ist – außer in Großbritannien bricht eine Revolution aus“.

Ja, in der Tat. Die soziale Revolution ist in tatsächlich eine weit größere Bedrohung für die Karrierepläne von Williams und Kates Sohn, als Witchell und seine Journalistenkollegen jemals eingestehen könnten.

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