Rechte Parteien dominieren polnische Parlamentswahl

Knapp eine Woche vor der polnischen Parlamentswahl am 25. Oktober liegt die amtierende neoliberale Bürgerplattform (PO) in Meinungsumfragen um mehr als zehn Punkte hinter der konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Im Mai hatte der Präsidentschaftskandidat der PO, Bronislaw Komorowski, bei der Präsidentschaftswahl gegen Andrzej Duda von der PiS verloren. Damit hat die amtierende Partei bei der kommenden Wahl einen starken Herausforderer, der noch weiter rechts steht.

Die pro-europäische PO war, die in einer Koalition mit der Polnischen Bauernpartei (PSL) regierte, war die einzige Partei, die seit der Wiedereinführung des Kapitalismus in Polen 1989 wiedergewählt werden konnte. Jetzt kommt sie in Umfragen nur noch auf vierundzwanzig Prozent, während die PiS auf etwa 37 Prozent der Stimmen kommt und vermutlich die Wahl im Oktober gewinnen wird.

Ein Großteil der Bevölkerung steht der herrschenden Elite unter Führung der PO feindselig gegenüber, da die brutalen Sparmaßnahmen der Regierung zu stagnierenden Löhnen, chronischer Arbeitslosigkeit und wachsender sozialer Ungleichheit geführt haben. Im Juni sah sich die PO-Regierung aufgrund von politischen Skandalen zu einer panischen Kabinettsumbildung gezwungen. Unter der Führung von Premierminister Donald Tusk und, seit September 2014, Ewa Kopacz (ebenfalls PO) beharrte die Regierung auf einer Politik von Sozialabbau und Deregulierung, wie sie die EU, die internationalen Investoren und die Banken in ihrem Programmen forderten.

Die PO-Regierung ist für einige der unsozialsten Gesetze in der Geschichte des modernen Polen verantwortlich. 2012 erhöhte sie das Rentenalter per Gesetz auf 67 Jahre. Zuvor lag es bei 60 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer. Sie führte außerdem in Form einer „Gesundheitsreform“ einen brutalen Angriff auf das staatliche Gesundheitssystem durch. „Unrentable“ Krankenhäuser und Kliniken wurden privatisiert, die Kosten für medizinische Behandlung und Medikamente erhöht. Um die Wirtschaft in eine freie Marktwirtschaft umzuwandeln, setzte die Regierung die Zwangsprivatisierung und die Auflösung von volkseigenen Industrien wie der Stahlindustrie, des Kohlebergbaus und der Reedereien fort und verstärkte sie.

Durch weitere Kürzungen bei den bereits zerschlagenen polnischen Staatsbahnen (PKP) leistete die PO/PSL-Regierung auch ihren Beitrag zur weiteren Verschlechterung des öffentlichen Verkehrssystems. Auch Bildungs- und Kultureinrichtungen wurden Opfer ihrer Angriffe. Öffentliche Schulen wurden liquidiert, Fach- und Berufsschulen wurden zerstört, der Bildungsetat wurde gekürzt und Privatschulen für eine begüterte Minderheit subventioniert.

2011 erhöhte die Regierung Tusk die Mehrwertsteuer für Waren und Dienstleistungen von zweiundzwanzig auf dreiundzwanzig Prozent, bzw. von sieben auf acht Prozent für Lebensmittel, Bücher und Zeitungen. 2009 verabschiedete sie ein „Anti-Krisen-Paket“, das weitere Deregulierungen des Arbeitsrechtes und die Einführung von befristeten Arbeitsverträgen erlaubte, die als „Schrottabkommen“ bezeichnet werden. Derzeit arbeiten etwa drei Millionen Menschen in solchen befristeten Arbeitsverhältnissen oder ohne Arbeitsvertrag. Sie haben weder Krankenversicherung noch Kündigungsschutz, Urlaub oder das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten. Die PO-PSL-Koalitionsregierung ist außerdem für Entlassungen im öffentlichen Dienst und Nullrunden bei Löhnen und Renten verantwortlich.

Die Löhne in Polen gehören zu den niedrigsten in der ganzen Europäischen Union. Das Medianeinkommen wird auf 3942 Zloty (939 Euro) brutto pro Monat geschätzt, aber nur wenige Arbeiter verdienen so viel. Laut der zentralen Statistikbehörde (GUS) verdient die große Mehrheit, etwa 80,5 Prozent der Bevölkerung, weniger als 3549 Zloty (d.h. 845 Euro) pro Monat. Mehr als 800.000 Arbeiter verdienen sogar weniger als 1181 Zloty (281 Euro) pro Monat und liegen damit unter der Armutsgrenze. Die Durchschnittsrente liegt bei etwa 1921 Zloty (457 Euro) pro Monat. Zwanzig Prozent der Rentner erhalten weniger als 1000 Zloty (238 Euro) pro Monat und leben damit in extremer Armut. Die monatliche Mindestrente und die Invalidenrente liegen bei 880,45 Zloty (210 Euro).

Die PO versprach in ihrem Wahlkampf eine Erhöhung des Mindestlohns und niedrigere Steuern. Ewa Kopacz schlug auf dem Parteitag Anfang des Monats vor, den Einkommenssteuersatz (PIT) für die „ärmsten“ Familien mit Kindern von derzeit achtzehn auf zehn Prozent zu senken, und für Spitzenverdiener auf 39,5 Prozent. Solche Versprechen sind jedoch unglaubwürdig, wenn sie von einer Partei kommen, die in der Vergangenheit versucht hat, eine Einheitssteuer von fünfzehn Prozent auf persönliches und geschäftliches Einkommen, sowie eine einheitliche Mehrwertsteuer in gleicher Höhe einzuführen. Von diesem Steuersystem hätten vor allem die reichsten Teile der Gesellschaft profitiert.

Laut Experten der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna würden von den Änderungen, die die Partei vorschlägt, am ehesten besser gestellte Personen und Familien mit Kindern profitieren, in denen beide Eltern Spitzenverdiener sind.

Außenpolitisch hat die PO-Regierung stets alle imperialistischen Kriege der Nato unterstützt und zugesagt, zwei Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes (etwa 130 Milliarden Zloty, bzw. 31 Milliarden Euro bis 2022) in den Verteidigungshaushalt zu investieren. Sie hat die polnischen Streitkräfte deutlich verstärkt und den USA erlaubt, als Vorbereitung auf einen Krieg gegen Russland ein Raketenabwehrsystem in Polen zu stationieren.

Sie hat sich an der Vorbereitung und Unterstützung des faschistischen Putsches in der Ukraine beteiligt, hat Teile der rechten Kräfte ausgebildet, die in dem blutigen Bürgerkrieg kämpfen, und hat neofaschistische paramilitärische Gruppen in ihre Armee integriert. Trotz des prognostizierten Haushaltsdefizits von 54,6 Milliarden Zloty (dreizehn Milliarden Euro) für 2016, das angeblich weitere Sozialkürzungen notwendig macht, hat die Regierung vor kurzem einen Kredit in Höhe von 100 Millionen Euro an die Ukraine genehmigt. Er soll für die Modernisierung der Infrastruktur des Landes eingesetzt werden.

Kopaczs Regierung lehnte auch die verbindlichen Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen ab und erklärte sich nur zur Aufnahme von 4.500 bis 5.000 Flüchtlingen bereit. Die derzeitige Regierung ist durch ihre diskriminierende Bevorzugung von Flüchtlingen „ethnisch ähnlicher“ Herkunft (Weißrussen und Ukrainer) zudem direkt für die rassistische, immigranten- und islamfeindliche Medienhetze verantwortlich.

Der Hauptkonkurrent der PO bei der Wahl ist die die extrem nationalistische PiS der Zwillingsbrüder Jarosław Kaczyński(Ministerpräsident von 2006-2007) und seines Zwillingsbruders und inzwischen verstorbenen ehemaligen Präsidenten Lech (2005-2010). Sie nahm eine noch aggressivere Haltung gegen Flüchtlinge ein als die PO.

Vor kurzem hatte Kaczyński in einer Parlamentssitzung die Vorschläge der EU kritisiert, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufzunehmen, die „einen negativen Einfluss auf Leben und Sicherheit unserer Bürger haben könnten“ und warf Deutschland vor, es locke durch sein attraktives Sozialsystem Immigranten an. Er erklärte: „Das ist Deutschlands Problem, nicht unseres.“ Anstatt Asylbewerber innerhalb der polnischen Grenzen zu akzeptieren, bot er an, sich an der Finanzierung von Flüchtlingslagern außerhalb Europas zu beteiligen.

Die PiS nutzt die immense Wut, Verzweiflung und Frustration, welche die PO-Regierung in der Gesellschaft geschürt hat, für rechtsextreme Ziele aus. Sie verbindet Versprechen wie höhere Sozialleistungen für Kinder, kostenlose Medikamente für Rentner und niedrigere Körperschaftssteuern für Kleinunternehmer mit Nationalismus und Rückständigkeit. Ihr Ziel ist es, die rückständigsten Schichten der Gesellschaft zu mobilisieren, um den Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

Wenn sie erst einmal an der Macht ist, wird sie ihre sozialen Versprechen schnell aufgeben und ein autoritäres Regime errichten. Kaczyńskis Regierung hatte während ihrer Amtszeit von 2005 bis 2007 die Steuern für die Reichsten gesenkt, was stark zum Haushaltsdefizit beitrug, die Sparmaßnahmen der Vorgängerregierung fortgesetzt, den Streik der Pflegekräfte durch die Polizei niedergeschlagen, die Einführung der Todesstrafe gefordert und die bereits davor strengen Abtreibungsgesetze noch weiter verschärft. Sie kriminalisierte außerdem die Armen durch Zwangsräumungen und durch Haftstrafen für triviale Vergehen.

Justizminister Zbigniew Ziobro gründete im Jahre 2006 im Rahmen einer Kampagne zur Einführung von Zensur und eines angeblichen Kampfes gegen „Verbrechen gegen Polens wirtschaftliche Interessen“ die Zentrale Antikorruptionsbehörde, die wirtschaftliche und private Institutionen und Personen mit Geheimdienstmethoden überwacht. Die ZAB ist für eine Vielzahl ungerechtfertigter Anklagen und den Selbstmord eines ehemaligen Ministers verantwortlich, der angeblich Bestechungsgelder angenommen hat. Der Versuch der PO, Ziobro für seine Verbrechen vor dem Staatstribunal anzuklagen, wurde letzte Woche vom Parlament abgelehnt.

Ein erneuter Wahlsieg von Kaczyńskis Partei würde der EU eine weitere feindlich gesonnene Kraft bescheren. Die extrem nationalistische und anti-europäische PiS würde die Bündnisse mit Europa zwar nicht völlig auflösen, da sie dabei helfen, die Entwicklung des Landes zu finanzieren, allerdings würde sie zweifellos engere Beziehungen zu den USA anstreben und den Block osteuropäischer Staaten stärken, der sich gegen Deutschland und Russland richtet.

Die jüngsten Entwicklungen in Polen deuten darauf hin, dass die herrschende Elite des Landes noch weiter nach rechts rückt und verstärkt auf eine aggressivere Militärpolitik gegen Russland und Angriffe auf die Rechte der Arbeiter im Inland setzt. Alle Parteien, die bei der Parlamentswahl antreten, verteidigen von einem pro-kapitalistischen Standpunkt das Niedriglohn-Sozialsystem und die extreme Ausbeutung und Unterwerfung der polnischen Arbeiter unter die wohlhabende Minderheit. Alle Parteien sprechen sich für eine schnelle Militarisierung aus und unterstützen die imperialistischen Interventionen im Namen des „Krieges gegen den Terror“ und der Menschenrechte.

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