Dritte Wahlveranstaltung der IYSSE an der Humboldt-Universität

Baberowskis „Räume der Gewalt“: Ein Plädoyer für Polizeistaat und Krieg

Am 6. Januar fand an der Humboldt-Universität die dritte Veranstaltung der IYSSE-Hochschulgruppe im Rahmen ihres Wahlkampfs für die Wahlen zum Studierendenparlament am 19. und 20. Januar statt. Neben knapp einhundert Studierenden kamen auch zwei Professoren des Geschichtsinstituts der HU, um mit den IYSSE über Baberowskis neues Buch „Räume der Gewalt“ zu diskutieren.

Die Kandidatin der IYSSE zu den StuPa-Wahlen an der HU, Katja, leitete die Veranstaltung ein, indem sie auf die extrem rechten, flüchtlingsfeindlichen Positionen einging, die Baberowski in den letzten Wochen in zahlreichen Interviews und Talkshows offensiv vertreten hat. Anschließend gab sie das Wort an Christoph Vandreier, den Sprecher der IYSSE Deutschland.

Vandreier ist mit Baberowskis Schriften gut vertraut. Er ist Autor des Artikels „Jörg Baberowskis Geschichtsfälschung“, der sich mit den theoretischen und historischen Konzeptionen Jörg Baberowskis auseinandersetzt. Der Artikel ist vor einigen Wochen im viel beachteten Buch „Wissenschaft oder Kriegspropaganda?“ im Mehring-Verlag erschienen.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung betonte er, dass es der IYSSE nicht um eine „persönliche Vendetta“ gegen Baberowski gehe, sondern dass sie sich vielmehr gegen beunruhigende Tendenzen an der Universität richte. Anschaulich machte er deutlich, dass die IYSSE sachliche Kritik an der Verfälschung der Oktoberrevolution, der Entkontextualisierung des Stalinismus und der Verharmlosung des Nationalsozialismus durch Baberowski geübt hat. Baberowski habe hingegen jede Diskussion unterdrückt.

„Schaut man sich das neue Buch an, das wir heute diskutieren wollen, kann man sehen, wie korrekt unsere Einschätzung war“, resümierte Vandreier. „Es ist ein unverhohlenes Plädoyer für Diktatur und Krieg.“

Das Buch stehe in der Tradition der reaktionärsten Denker der deutschen Geschichte. Wie die Werke der national-konservativen Kreise in der Zwischenkriegszeit sei auch Baberowskis Arbeit von einem starken erkenntnistheoretischen Irrationalismus, einer individualisierenden Sicht auf den Menschen sowie von einer antidemokratischen Auffassung geprägt.

Das Buch entbehre dabei jeder wissenschaftlichen Methodik. Gleich zu Beginn betone Baberowski, dass sich das Leben aus Augenblicken zusammensetze, die nicht kausal miteinander verknüpft seien. „Das ist eine Absage an jede Form der Wissenschaft“, kommentierte Vandreier. Er brachte dann viele weitere Zitate, die den reaktionären Charakter der Gewalttheorie Baberowskis belegen.

So verstehe Baberowski den Menschen als unveränderbar und gewalttätig. Er lasse als Beschreibungsebene von Gewalt nur die unmittelbare Situation gelten und argumentiere explizit dagegen, dass Überzeugungen, Gründe oder Lebensbedingungen irgendeine Rolle bei der Entstehung von Gewalt spielten.

Folge man Baberowskis Logik der unbedingten Gewalt, könne man auch einen Sklavenaufstand oder den Widerstand gegen die Nazis nur als Ausdruck der gewalttätigen Natur des Menschen und nicht als Überzeugungstat oder Ausdruck der sozialen Lage der Betroffenen verstehen. Umgekehrt wäre auch der industriell organisierte Massenmord der Nazis bloß der Ausdruck der ewigen Gewaltbereitschaft des Menschen.

„Es ist offensichtlich, dass es Baberowski nicht um ein Verständnis von Gewalt geht, sondern darum, sie zu rechtfertigen“, sagte Vandreier. Baberowski sei da sehr explizit. Er erkläre, dass keine Ordnung vorstellbar sei, die nicht auf sozialer Ungleichheit beruhe, und dass Gehorsam notwendig sei. Dieser sei nur mit Gewalt oder der Androhung von Gewalt durchsetzbar. „Das ist eine antidemokratische Argumentation par excellence“, erklärte der IYSSE-Sprecher.

Auf der Grundlage dieser Theorie rechtfertige Baberowski die Gewalt der Unterdrücker gegen die Unterdrückten. Auch mache er sich zum Fürsprecher neuer Kriege. So habe er in der Eßlinger Zeitung erklärt, dass man gegenüber Terroristen das Prinzip „Auge um Auge und Zahn um Zahn“ umsetzen müsse.

Baberowski bringe seine Gewalttheorie selbst in Zusammenhang mit seinen Angriffen auf die Oktoberrevolution und seiner Verharmlosung der Nazi-Verbrechen. So werde der Vernichtungskrieg der Nazis in dem Buch als etwas dargestellt, in das die deutsche Wehrmacht „verwickelt“ worden sei und das außer Kontrolle geraten sei. Der geplante Massenmord der Nazis werde auf diese Weise verharmlost und enteigentlicht, so Vandreier. Auch für seine fremdenfeindliche Hetze lege Baberowski das Fundament in seinem Buch, indem er das nebeneinander verschiedener Kulturen ausschließe.

Dass solche rechten Positionen wieder aufkämen und auch noch verteidigt würden, führte Vandreier auf die zugespitze politische Situation zurück. „In dem Maße, wie Diktatur und Militarismus wieder kommen, kommen auch die ganzen reaktionären Ideologien der Vergangenheit wieder hoch.“ Die deutschen Eliten hätten den Krieg gegen Syrien zum Anlass genommen, eine massive Aufrüstung der Bundeswehr voranzutreiben. Diese Politik sei mit fundamentalen Angriffen auf demokratische Rechte verbunden.

Die IYSSE treten dieser Entwicklung mit einer sozialistische Perspektive entgegen. „Eine Perspektive, die versteht, dass Gewalt aus der Klassengesellschaft resultiert, aus sozialer Ungleichheit und Ausbeutung, dass es die Krise des Kapitalismus ist, die Kriege und Unterdrückung hervorbringt, und dass der Kapitalismus nicht alternativlos ist, sondern dass er selbst die Widersprüche produziert, die seine Überwindung möglich machen.“

Im Anschluss an die Veranstaltung gab es eine intensive Diskussion über Vandreiers Beitrag an der sich auch die beiden Professoren beteiligten. Die meisten Zuhörer waren über die Positionen Baberowskis schockiert. Kristin, die Geschichte an der HU studiert und zum ersten Mal zu einer Veranstaltung der IYSSE gekommen war, meldete sich schon früh in der Diskussion.

„Ich bin erschüttert, dass so ein Menschen hier an der Uni lehren darf“, sagte sie und erhielt spontanen Applaus von vielen Studierenden. „Teilweise hätte das Buch auch von einem Anhänger Hitlers geschrieben worden sein können. Die Zitate, die er da bringt, gerade auch mit dem Einmarsch in den Osten: das kann man einfach nicht als einen Akt der Gewalt abtun, der aus dem Ruder gelaufen ist, was mit dem Russischen Bürgerkrieg vergleichbar wäre. Die sind da einmarschiert, die haben Juden abgeschlachtet, Russen abgeschlachtet.“

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