Der britische Konzern Tata Steel steht im Mittelpunkt eines Handelskriegs

Der Stahlkonzern Tata Steel macht in Großbritannien doppelt so hohe Verluste wie bisher gemeldet.

Letzte Woche kündigte das Unternehmen an, es plane die Ausgliederung seiner gesamten Aktivitäten in Großbritannien. Im walisischen Port Talbot und in den englischen Niederlassungen in Scunthorpe und Rotherham sind 15.000 Arbeitsplätze gefährdet, und 25.000 weitere bei Zulieferbetrieben.

In mehreren Medien hatte es geheißen, das Unternehmen verliere etwa eine Million Pfund pro Tag. Doch wie der Observer am Sonntag berichtete, verbrennt Tata Steel in Großbritannien tatsächlich täglich 2,5 Millionen Pfund. Bis Ende April wird es mindestens 100 Millionen Pfund verloren haben.

Ein möglicher Käufer für die britischen Tata-Stahlwerke ist der deutsche Marktführer ThyssenKrupp. Das Unternehmen ist auch daran interessiert, Tata-Werke in anderen europäischen Staaten aufzukaufen, möglicherweise sogar alle. Der Observer schrieb, ThyssenKrupp habe das Geschäft noch nicht abgeschlossen, weil es noch Bedenken wegen der Verluste gibt, die Tata in Großbritannien einfährt.

Dass Tatas Rentenfonds hohe Schulden hat, macht die Sache noch komplizierter. Der Observer schreibt: „Das British Steel Pension Scheme (BSPS), das Tata beim Aufkauf von Corus im Jahr 2007 geerbt hat, ist mit Verbindlichkeiten in Höhe von 14,5 Milliarden Pfund eines der größten Rentensysteme Großbritanniens.

„Unternehmensbilanzen zeigen, dass Tata im letzten Jahr 129 Millionen Pfund in das Rentensystem investieren musste. 2016 wird es noch mehr sein. Das System weist ein Defizit von 485 Millionen Pfund auf. Seinen 130.000 Mitgliedern steht eine unsichere Zukunft bevor, wenn Tata die Werke verkauft.“

Der Guardian und sein Schwesterblatt Observer unterstützen die Kampagne der Labour Party und der Gewerkschaften zu Gunsten von Protektionismus und Handelskrieg. Am Donnerstag schrieb der Guardian in einem Leitartikel, Tatas Entscheidung zum Verkauf seiner Werke sei eine „Aufforderung an die Nation, Ernst zu machen.“ Er klagte: „Nachdem die USA Anti-Dumping-Zölle auf chinesischen Stahl eingeführt haben, hätte die EU das gleiche tun können, doch Großbritannien hat anscheinend dagegen gestimmt.“

Am Samstag erschien ein weiterer Leitartikel mit dem Titel: „Port Talbot ist wichtiger als China.“

Der Observer schrieb, die Stahlproduktion in Großbritannien werde dezimiert, weil China „mit billigem, staatlich subventioniertem Stahl den Weltmarkt überschwemmt und die Regierung nicht genug tut, um den britischen Stahl vor diesem außergewöhnlichen globalen Gegenwind zu schützen.“

Zölle müssten verhängt werden, selbst wenn „eine Eskalation der Strafzölle zwischen China und dem Rest der Welt schlecht für die Weltwirtschaft wäre. Allerdings wären sie ein notwendiges Übel: ein Werkzeug, das … strategisch gegen Länder eingesetzt werden muss, die gegen die Prinzipien des freien Handels verstoßen.“

Angesichts der zunehmenden Krise der Weltwirtschaft und der härteren Konkurrenz wenden sich Teile der herrschenden Elite überall dem Protektionismus zu. Der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn hat sich als Sprecher dieser Strategie hervorgetan und stellt sie als Mittel dar, nationale Interessen und Arbeitsplätze zu sichern.

Bei einem Besuch in Port Talbot am 30. März bekräftigte er seine frühere Forderung nach einer Verstaatlichung, um „unsere Stahlindustrie vor der Zerstörung auf dem Altar globaler Konzerne zu schützen, die praktisch beschlossen haben, dass Port Talbot entbehrlich ist.“

Selbst als er eine Frage von Jon Snow von Channel Four News beantwortete, ob die Stahlindustrie von Umweltauflagen ausgenommen werden sollte, lenkte er das Gespräch in Richtung Protektionismus und klagte: „China hat keine derartigen Auflagen in dieser Frage.“ „Und wenn man Güter aus einem Land importiert, das keine sehr hohen Standards hat, dann sollte man vielleicht etwas dagegen tun und diese Importe nicht ins Land lassen.“

Am Freitag organisierten mehrere Gewerkschaften, u.a. die Rail, Maritime and Transport Union (RMT), eine Protestveranstaltung gegen die Übernahme des Bahnbetreibers Northern Rail durch Arriva, ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. Dabei wurde u.a. am Hauptbahnhof Piccadilly von Manchester eine deutsche Flagge gehisst. Corbyn drückte in einem Brief seine Unterstützung aus und forderte die Rückverstaatlichung des Eisenbahnsystems.

Der Generalsektretär der Gewerkschaft GMB Tim Roache formulierte diese Forderungen am Freitag in ausdrücklich antikommunistischer Terminologie: „Wir hätten nie gedacht, dass die Tories erlauben würden, dass die Kommunistische Partei Chinas das Schicksal wichtiger britischer Industrien wie der Stahlbranche diktiert.“ Es gab mal eine Zeit, da wollten die Tories die Roten unterm Bett vertreiben. Jetzt wollen sie sich mit ihnen ins Bett legen.“

Labour fordert nicht nur eine kurzfristige Verstaatlichung der Tata-Stahlwerke, bis sich ein neuer Käufer findet, sondern auch Subventionen für die „Stahlindustrie“ in Milliardenhöhe aus Steuergeldern. Mit der Stahlindustrie ist hier hauptsächlich Tata gemeint, ein riesiger transnationaler Konzern mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt etwa 134 Milliarden Dollar, bzw. der Konkurrent, der einige oder alle Tata-Werke letzten Endes aufkaufen wird.

Solche Maßnahmen heizen den zunehmenden Handelskrieg zwischen den großen Stahl produzierenden Mächten angesichts weltweiter gesättigter Märkte nur noch weiter an und werden zur Vernichtung weiterer Arbeitsplätze in Großbritannien und weltweit führen.

Am Samstag kündigte China an, es werde Zölle von 14,5 Prozent bis 46,3 Prozent auf bestimmte spezialisierte Hightech-Stahlsorten aus der Europäischen Union, Südkorea und Japan einführen. Davon betroffen ist auch Flachbandelektrostahl, ein Hightech-Stahl, wie er von Tatas Tochtergesellschaft Cogent in Newport, Wales, hergestellt wird. Die USA haben bereits Zölle von 266 Prozent auf chinesischen Stahl verhängt. Die EU hat in 36 Fällen Sanktionen verhängt, in denen Stahl zu Dumpingpreisen nach Europa exportiert wurde, sechzehn davon auf Produkte aus China. Die EU wollte höhere Zölle gegen chinesischen Stahl verhängen, wurde daran aber von der britischen Regierung gehindert.

Die Position der regierenden Tories beruht auf den Interessen der wichtigsten Wirtschaftszweige. Großbritannien hat enge wirtschaftliche Beziehungen zu China aufgebaut. Der Höhepunkt dieses Prozesses war der Staatsbesuch des chinesischen Präsident Xi Jinping im letzten Oktober. Während der Reise wurde bekannt gegeben, dass China in den nächsten zehn Jahren am Bau und der Finanzierung von neuen Atomreaktoren in Großbritannien im Wert von bis zu 100 Milliarden Pfund beteiligt sein wird. Zudem wurden bilaterale Investitionsabkommen in Höhe von 30 Milliarden Pfund ausgehandelt. Anfang des Jahres kündigte Premierminister David Cameron an, dass sich Großbritannien mit einem Kapital von 50 Milliarden Dollar an der Gründung der Asiatischen Entwicklungsbank für Infrastruktur (AIIB) beteiligt, die von China vorangetrieben wird.

Protektionismus ist jedoch keine Alternative zur Herrschaft der globalen Konzerne. Vielmehr bindet er die Arbeiterklasse in den Kampf zwischen diesen Konzernen ein und läutet eine Verschärfung des Kampfes aller gegen alle ein, der hunderttausenden Arbeitern schaden wird.

Weltweit gibt eine massive Überproduktion von Stahl. Die Kampagne richtet sich gegen China, weil dort mehr als die Hälfte des weltweiten Stahls hergestellt wird und seine Stahlindustrie eine Überkapazität von 400 Millionen Tonnen aufweist. Das ist mehr als doppelt so viel wie die jährliche Gesamtproduktion der EU in Höhe von 170 Millionen Tonnen. Aber jedes Land hat vergleichbar hohe Überkapazitäten.

Laut der OECD hat sich die Kapazität der weltweiten Stahlindustrie seit Anfang der 2000er Jahre mehr als verdoppelt. Dies hat zu einer „Überversorgung, niedrigen Preisen, geringen Profitspannen, Insolvenzen und lokalen Arbeitsplatzverlusten geführt.“ 2013 lag die Nachfrage nach Rohstahl bei „1.648 Millionen Tonnen, etwa 516 Millionen Tonnen unter der nominellen Kapazität. Dies war eine der größten Diskrepanzen in der Geschichte der weltweiten Stahlindustrie.“

In der EU sind mehr als 328.000 Arbeiter in der Stahlindustrie beschäftigt, weltweit sind es acht Millionen. Diesen Arbeitern und denjenigen in verwandten Industriezweigen drohen jetzt Arbeitsplatzabbau und Angriffe auf Löhne und Rentenansprüche. China selbst baut 500.000 Arbeitsplätze in der Stahlindustrie ab, fast elf Prozent. In der Kohleindustrie sollen 1,3 Millionen, bzw. zwanzig Prozent aller Arbeitsplätze wegfallen.

Die einzige Alternative zum internationalen Unterbietungswettkampf ist ein sozialistischer Kampf der Arbeiterklasse gegen die Stahlkonzerne und die Regierungen und Parteien, die das Profitsystem verteidigen; dieser Kampf muss vor allem Nationalismus und Klassenkollaboration zurückweisen.

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