Mitte November beschloss der polnische Sejm die Gründung einer Armee zur Territorialverteidigung (WOT) mit 53.000 Mann. Das Parlament gab damit einem Projekt des ultrarechten Verteidigungsministers Antoni Macierewicz grünes Licht.
Die neue militärische Organisation wird direkt dem Verteidigungsministerium unterstellt. Sie soll im Kriegsfall die polnische Armee gegen Russland unterstützen und gegen soziale und politische Opposition im Inland vorgehen. Anträge der Opposition, dass die WOT apolitisch sein müsse und nicht gegen polnische Bürger eingesetzt werden dürfe, wurden vom Sejm explizit abgelehnt.
Macierewicz hatte sein Projekt einer paramilitärischen Miliz, die sich am Vorbild der amerikanischen Nationalgarde orientiert, bereits im Sommer angekündigt. Nun hat der Sejm mit absoluter Mehrheit dafür gestimmt. Bis 2019 soll die WOT 53.000 Mann umfassen. Erste Einheiten im Osten des Landes sollen noch in diesem Jahr entstehen. Bis 2019 will die Regierung 3,6 Mrd. Zloty (ca. 800 Mio. Euro) für die WOT aufwenden. Die monatliche Entlohnung der Söldner soll rund 500 Zloty (etwa 120 Euro) betragen.
Macierewicz erklärte in einem Fernsehinterview: „Diese Einheiten sind der günstigste Weg, die Stärke unserer Streitkräfte und der Verteidigungskapazitäten zu vergrößern. Es ist auch die beste Antwort auf die Gefahren des hybriden Kriegs wie desjenigen, den wir nach der russischen Aggression in der Ukraine gesehen haben.“
Jede der 16 Provinzen Polens soll eine Verteidigungseinheit von 3000 bis 5000 Mann aufbauen. Die Einheiten rekrutieren sich aus Freiwilligen, die auf Kosten der Regierung militärisch ausgebildet werden. Die meisten Einheiten sollen in den östlichen Regionen Podlachien, Lublin und Podkarpathen aufgebaut werden, die an die Ukraine und Weißrussland grenzen. Der Osten Polens ist die ärmste und wirtschaftlich rückständigste Region des Landes und umfasst weite Waldflächen. Angesichts der sozialen Katastrophe, die die Restauration des Kapitalismus herbeigeführt hat, konnten faschistische Kräfte und die PiS die Region zu ihrer Hochburg aufbauen.
Das vom Sejm beschlossene Mandat der WOT ist außerordentlich weit gefasst und offen rechtsnational orientiert. Es heißt darin, die WOT sei für „Antikrisen-, Antisabotage-, Antiterror- und Antidesinformationseinsätze zur Verteidigung der Sicherheit der Zivilbevölkerung sowie des kulturellen Erbes des polnischen Volkes“ zuständig. Die Definition von Krisen, Terrorakten, Sabotage und Desinformation obliegt allein dem Verteidigungsministerium, dem die WOT unterstehen wird.
Vor einem Komitee des Sejms hatten Politiker der Regierungspartei PiS zuvor erklärt, die WOT habe das Ziel, „die patriotischen und christlichen Grundlagen des polnischen Systems und der Streitkräfte zu stärken“. Der „Patriotismus und Glaube der polnischen Soldaten“ sei „die beste Garantie für unsere Sicherheit“.
Sie appellierten damit an ultra-rechte Kräfte, sich der WOT anzuschließen. Mehrere Führer von rechtsradikalen Parteien und Bürgerwehren haben bereits angekündigt, dass sie ihre Mitglieder ermutigen werden, der WOT beizutreten.
Die PiS hat seit ihrem Regierungsantritt vor etwas mehr als einem Jahr immer wieder rechtsradikale und antisemitische Kräfte in Polen ermutigt. Sie hat dabei eng mit der katholischen Kirche zusammengearbeitet, die historisch eng mit faschistischen Kräften verflochten ist. Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, der selbst eine faschistische und antisemitische Vergangenheit hat, spielte bei der Ermutigung ultrarechter Organisationen und ihrer Integration in den Staatsapparat von Anfang an eine zentrale Rolle.
Der Aufbau einer rechten paramilitärischen Miliz in Polen hat auch internationale Unterstützung. Der amerikanische Thinktank Atlantic Council hatte im Juli in einem Strategiepapier Vorschläge unterbreitet, Polen zu einem Bollwerk gegen Russland aufzubauen. Zu den konkreten Aufrüstungsvorschlägen zählten neben einer Aufstockung der regulären Truppenstärke von 100.000 auf 150.000 Mann auch der Ausbau paramilitärischer Einheiten unter Regierungskontrolle. Laut den Autoren des Papiers umfassen die verschiedenen, auch privaten paramilitärischen Organisationen in Polen schon jetzt rund 400.000 Mann.
Es ist bezeichnend, dass laut Angaben der Zeitschrift Polityka bereits in diesem Sommer Einheiten der Krakauer paramilitärischen Organisation Stowarzyszenie Jednostka Strzelecka 2039 an der Nato-Übung Anakonda teilnahmen. Nun wollen sich mehrere dieser Einheiten der WOT anschließen. Auch andere rechte und faschistische Organisationen wie Falanga und Zmiana wollen sich an der WOT beteiligen.
Die WOT hat viele Ähnlichkeiten mit den paramilitärischen Kräften in der Ukraine, die nicht nur im Osten des Landes gegen prorussische Separatisten, sondern auch gegen Oppositionelle in der eigenen Bevölkerung vorgehen. Die rechten paramilitärischen Milizen, die im Februar 2014 den gewählten Präsidenten Janukowitsch stürzten, waren teilweise in Polen ausgebildet worden. Nun werden ähnliche rechte Milizen auch in Polen selbst trainiert und aufgebaut.
Die liberale Opposition hat den Aufbau der WOT von einem rechten, bürgerlichen Standpunkt kritisiert. Besonders der Umstand, dass die WOT nicht dem Generalstab der Armee, sondern direkt dem Verteidigungsministerium unterstellt werden soll, sorgt für große Beunruhigung. So bezeichnete die Vize-Vorsitzende der Oppositionspartei .Nowoczesna, Katarzyna Lubnauer, die WOT als „Privatarmee“ von Macierewicz.
In der polnischen Armee gibt es seit dem Amtsantritt der rechtsnationalen PiS-Regierung Opposition gegen den Kurs von Verteidigungsminister Antoni Macierewicz. Anfang des Jahres traten mehrere hochrangige Generäle aus Protest gegen Macierewiczs Militärreform zurück und wetterten in den Medien gegen die Regierung.
General a.D. Janusz Boronowicz griff den Minister und seine Militärreform öffentlich scharf an. In einem Interview mit der Zeitschrift Polityka warnte er, die Politik der PiS könnte Polen in eine Katastrophe wie 1939 führen. Boronowicz war im Frühjahr aus Protest gegen Macierewiczs Politik zurückgetreten.
Die liberale Zeitschrift Newsweek Polska gab in einer Kolumne der Befürchtung Ausdruck, die WOT könnte vom Verteidigungsministerium auch gegen die liberale Opposition eingesetzt werden. Unbegründet ist diese Sorge nicht. Im Sommer war es bereits zu gewaltsamen Übergriffen auf Mitglieder des Komitees zur Verteidigung der Demokratie (KOD) durch Rechtsradikale gekommen, die dabei recht offen von PiS ermutig und unterstützt wurden.
Zudem will die Opposition ihren Einfluss auf die Ausrichtung des Militärs nicht verlieren. In der Armeeführung finden sich immer noch zahlreiche Generäle und Offiziere, die den außen- und innenpolitischen Kurses der liberalen Opposition unterstützen.
Gegen den Aufbau zusätzlicher Streitkräfte gegen Russland und deren Einsatz gegen die Arbeiterklasse im Inland hat die bürgerliche Opposition aber nichts einzuwenden. Manche liberalen Kommentatoren griffen den Parlamentsbeschluss sogar von rechts an. Einige äußerten ihre Sorge, dass eine der faschistischen Organisationen, die sich der WOT anschließen will, für eine anti-amerikanische Orientierung und eine Annäherung an den Kreml eintritt.
Andere argumentierten, die geplanten Gelder reichten nicht aus, um bis 2019 gut ausgerüstete Einheiten aufzubauen. Die Regierung solle daher wie andere NATO-Staaten ihre Mittel darauf konzentrieren, die regulären Streitkräfte mit modernen Waffen und Technologien auszustatten.
So kritisierte Bogdan Klich, der unter der PO-Regierung von Donald Tusk als Verteidigungsminister tätig war: „Die Mehrheit der NATO-Länder investiert in einen Ausbau des Potenzials der bereits aktiven Kräften, nicht in die Entwicklung einer territorialen Verteidigung. Die Priorität bei den Investitionen sollte bei der Erwerbung neuer Technologien für moderne Kriegsführung liegen.“