Die Parti de l'égalité socialiste, die französische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), ruft alle Arbeiter und Jugendlichen auf, die zweite Runde der französischen Präsidentenwahl zu boykottieren. Die PES lehnt es ab, den ehemaligen Rothschild-Banker und Wirtschaftsminister der Sozialistischen Partei (PS), Emmanuel Macron, gegen die neo-faschistische Kandidatin Marine Le Pen zu unterstützen.
Die französische Bevölkerung wird mit einer Mischung aus Spitzfindigkeiten und Lügen unter Druck gesetzt, Macron zu wählen. Erst wird behauptet, eine Stimme für Macron sei eine Stimme für die Demokratie und gegen die Gefahr einer Diktatur. Aber die PS-Regierung, der Macron angehörte, hat den Ausnahmezustand über Frankreich verhängt. Sie hat demokratische Rechte außer Kraft gesetzt, und Präsident François Hollande hat hinter dem Rücken der Bevölkerung aus eigener Machtvollkommenheit außergerichtliche Tötungen eingeführt.
Dann wird gesagt, nur Macrons Ablehnung von Le Pens Nationalismus könne die Europäische Union zusammenhalten und verhindern, dass Frankreich und Europa in Nationalismus und Krieg zurückfallen. Aber der EU-Anhänger Macron setzt sich für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ein und unterstützt das imperialistische Kriegstreiben Washingtons und Berlins gegen Syrien, Russland und Nordkorea.
Schließlich werden wir darin erinnert, dass die Neofaschisten erbitterte Feinde der Arbeiterklasse sind. Das stimmt. Aber Macron gehörte einer PS-Regierung an, die den Entzug der Staatsbürgerschaft wieder in die Verfassung aufnehmen wollte. Eine solche Regelung hatte unter der deutschen Besatzung als Rechtsgrundlage für die Deportation der Juden in die Todeslager gedient. Macron hat sich darauf festgelegt, Dutzende Milliarden Euro bei den Sozialausgaben zu kürzen und mithilfe der reaktionären Arbeitsgesetze der PS soziale Rechte zu zerschlagen, die sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts Generationen von Arbeitern erkämpft haben.
Marine Le Pen ist furchtbar reaktionär und schürt ausländerfeindliche und rassistische Stimmungen. Der Front National (FN) geht auf das Vichy-Regime zurück, das im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis kollaborierte. Es kommt aber darauf an, in der Arbeiterklasse eine oppositionelle Bewegung aufzubauen, die sowohl Macron wie Le Pen von links angreift. Ansonsten wird sich Le Pen mit ihrer populistischen und protektionistischen Demagogie weiterhin als Jeanne d’Arc der Werktätigen Frankreichs aufführen können.
Ziel und Zweck eines aktiven Boykotts der Wahl ist es, die Arbeiterklasse auf Kämpfe vorzubereiten, gleichgültig welcher reaktionäre Kandidat die Stichwahl gewinnt. Wir rufen nicht aufgrund parlamentarischer Zahlenspiele zum aktiven Boykott auf, sondern vom Standpunkt der Dynamik des Klassenkampfs.
Das Ausscheiden der Kandidaten der Sozialistischen Partei und der Republikaner (LR) in der ersten Runde bedeutet den Zusammenbruch des Zweiparteiensystems, das das Land fünfzig Jahre lang beherrscht hat. Der Einzug von Macron und Le Pen in die Stichwahl kündigt erbitterte Auseinandersetzungen zwischen der Arbeiterklasse und dem neuen Präsidenten an, wenn sich die explosive Unzufriedenheit über die Arbeitslosigkeit, die Sparpolitik und die wachsende soziale Ungleichheit Luft machen.
Der Aufruf der PES für einen aktiven Boykott hat nichts mit politischer Passivität oder Gleichgültigkeit zu tun. Er ist mit öffentlichen Versammlungen gegen beide reaktionären Kandidaten, mit Demonstrationsaufrufen und mit der Ermutigung zu politischen Streiks und Arbeitskämpfen verbunden. Er dient dazu, das Korsett der Wahlen zu durchbrechen und Kraft für die entscheidenden Kämpfe gegen die Kapitalistenklasse zu sammeln, die sich in Frankreich und international auf Diktatur und Krieg vorbereitet.
Jean-Luc Mélenchons Wahlgruppierung Unbeugsames Frankreich (die frühere Linksfront) bietet keinen Ausweg. Mélenchon gewann fast zwanzig Prozent der Stimmen, weil er von der Anti-Kriegsstimmung nach dem Angriff der USA auf Syrien am 7. April profitierte. In Marseille, Toulouse, Lille und den Arbeitervierteln im Norden von Paris lag er an erster Stelle. Doch jetzt will der ehemalige PS-Minister eine Umfrage unter den 440.000 Internetmitgliedern seiner Bewegung durchführen, die zwischen einer Stimme für Macron, einer ungültigen Stimme und Wahlenthaltung wählen können.
Das ist ein feiges Ausweichen vor der eigenen politischen Verantwortung. Indem er ihnen die Wahl zwischen der Unterstützung Macrons und einer einmaligen symbolischen Geste bietet, die sie einsam in der Wahlkabine treffen, unterwirft Mélenchon seine sieben Millionen Wähler praktisch wieder der Sozialistischen Partei.
Die PES ist sich bewusst, dass zahllose Arbeiter, Jugendliche und Studenten für Mélenchon gestimmt haben, die alles hassen, für das Le Pen steht, die Macron verachten und die instinktiv spüren, dass sie vor einer widerlichen und abstoßenden Wahl stehen. Sie suchen nach einem Ausweg. Es darf nicht zugelassen werden, dass die PS und ihre politischen Verbündeten sie wieder in die Falle locken, für den bürgerlichen Gegner des Front National zu stimmen, wie sie es 2002 getan hatten, als der Konservative Jacques Chirac in der Stichwahl gegen den Kandidaten des FN antrat.
Die Arbeiterklasse hat für diesen Opportunismus und diese Ablehnung revolutionärer Grundsätze einen bitteren Preis bezahlt. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass die PS und ihre Verbündeten keine sozialistischen Organisationen sind, sondern Werkzeuge des Finanzkapitals. Sie sind Feinde der Arbeiter und haben sie jahrzehntelang unterdrückt.
Die PES ist der festen Überzeugung, dass die französische und internationale Arbeiterklasse nur einen Schritt vorwärts machen kann, wenn sie am 100. Jahrestag der Oktoberrevolution wieder an die Kämpfe der Bolschewistischen Partei und der russischen Arbeiterklasse von 1917 anknüpft. Macron und Le Pen sind Symptome derselben Krankheit wie damals, des völlig bankrotten kapitalistischen Systems.
Ein aktiver Boykott der Wahl wird den Weg für den Kampf der Arbeiterklasse gegen Krieg, Sparpolitik und Diktatur ebnen. Sie muss den ökonomische Macht der Kapitalisten durch die Enteignung der Konzerne und Banken brechen, diese unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse stellen und für den Sieg des Sozialismus in Frankreich, in Europa und auf der ganzen Welt kämpfen.
Die PES ruft Arbeiter und Jugendliche, die die Sackgasse der Präsidentenwahl ablehnen, dazu auf, in der Arbeiterklasse für einen Boykott der Wahl zu kämpfen, die PES zu unterstützen, ihr Programm zu studieren und sie als politische Führung der französischen Arbeiterklasse aufzubauen.