Die erste Amtshandlung des neugewählten Labour-Vorsitzenden Sir Keir Starmer bestand darin, eine Zusammenarbeit mit der konservativen Regierung von Boris Johnson für die Dauer der Corona-Krise zu vereinbaren.
Dass sich Starmer auf die Seite von Johnsons extrem arbeiterfeindlicher Regierung gestellt hat, bestätigt die Tatsache, dass der scheidende Parteivorsitzende Jeremy Corbyn für einen massiven Rechtsruck der offiziellen Politik verantwortlich ist, der schwerwiegende Folgen für die Arbeiterklasse hat.
Corbyn wurde im Jahr 2015 zum Parteichef gewählt, weil er versprochen hatte, den wirtschaftsfreundlichen Austeritäts- und Kriegskurs der Labour Party zu beenden. Fünf Jahre später sind die Blairisten wieder im Sattel und ziehen Dinge in Erwägung, die selbst Tony Blair für politischen Selbstmord gehalten hätte. Corbyn hat in grundlegenden Fragen ständig Rückzieher gemacht. So hat er Labour-Stadträte angewiesen, Austeritätsmaßnahmen umzusetzen, eine freie Abstimmung über den Krieg gegen Syrien erlaubt und die Nato-Mitgliedschaft sowie den Erhalt der Atomwaffen unterstützt. Dies und seine feige Untätigkeit gegenüber der Hetzkampagne gegen seine Unterstützer haben zu einem Debakel geführt.
Die Arbeiter haben sich scharenweise von Labour abgewandt, und die Hunderttausende, die eingetreten sind, um ihn zweimal zum Vorsitzenden zu wählen, wurden wütend und ohne Stimme zurückgelassen. Deshalb enthielten sich fast 300.000 Wahlberechtigte bei der Wahl der Führung, und viele treten jetzt aus einer Partei aus, die noch genauso pro-imperialistisch ist wie schon immer.
Starmer hat den ersten Wahlgang mit 56 Prozent der Stimmen deutlich gewonnen. Die nominell linke Kandidatin Rebecca Long-Bailey kam mit nur 27,6 Prozent auf den zweiten Platz. Angela Rayner wurde mit komfortabler Mehrheit zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, während sich bei allen drei umkämpften Posten im nationalen Exekutivkomitee rechte Kandidaten durchsetzten.
Bevor die Ergebnisse am Samstag bekanntgegeben wurden, lud Johnson alle Oppositionsführer zu einer Coronavirus-Konferenz in die Downing Street ein und erklärte: „Als Parteichefs haben wir die Pflicht, in dieser Zeit des nationalen Notstands zusammenzuarbeiten.“
Starmer hatte dafür eine Antwort vorbereitet. In seiner filmisch festgehaltenen Siegesrede erklärte er: „Unsere Bereitschaft, so als Nation zusammenzustehen, hat zu lange geruht... Unter meiner Führung werden wir konstruktiv mit der Regierung zusammenarbeiten, statt Opposition um ihrer selbst willen zu betreiben. Wir werden nicht parteipolitisch Punkte sammeln oder unmögliche Forderungen stellen. Stattdessen werden wir den Mut haben, zu unterstützen, wo es richtig ist.“
Als nächstes rief Starmer bei Johnson an. Ein Sprecher erklärte, er habe „eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Regierung angeboten“ und „Vorkehrungen für geheime Konferenzen und Diskussionen“ zugestimmt.
Gleichzeitig mit seinem Friedensangebot an die Tories machte Starmer deutlich, dass er die Hetzkampagnen gegen hunderte linksorientierter Labour-Mitglieder als Antisemiten verschärfen wird: „Antisemitismus ist zu einem Schandfleck für unsere Partei geworden, und ich werde dieses Gift an der Wurzel ausrotten...“, erklärte er.
Rupert Murdochs Sunday Times prophezeite letzte Woche, Starmer werde „innerhalb weniger Wochen nach seiner Wahl zum Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyns Verbündete aus dem Schattenkabinett und der Parteizentrale werfen“. Diese Woche schrieb die stellvertretende Chefredakteurin der Zeitung, Sarah Baxter, Starmer werde von der herrschenden Klasse danach beurteilt werden, ob er „die Marxisten, Ultralinken und Antisemiten rauswirft, die sich um Corbyns Banner geschart haben“.
Die Labour Party befindet sich durch ihre Bereitschaft, alles zu tun, was von ihr verlangt wird, faktisch in einer Einheitsregierung mit den Tories, wenn auch noch nicht formell bestätigt. Doch die Meldung am Montag, dass Johnson ins Krankenhaus gebracht wurde und noch immer an Covid-19 erkrankt ist, könnte die Diskussionen über eine Einheitsregierung beschleunigen.
Labour wird alles tun, um verstärkt die Botschaft zu vermitteln, dass die Arbeiterklasse den Abbau ihrer demokratischen Rechte hinzunehmen hat, der jetzt unter dem Deckmantel des Kampfs gegen das Coronavirus stattfindet. Labour wird darauf bestehen, dass es keinen Widerstand gegen eine Regierung geben darf, die den Banken und Konzernen gerade erst 370 Milliarden Pfund ausgehändigt hat, während Johnsons wochenlange Untätigkeit in Bezug auf Covid-19 und die einschneidenden Kürzungen beim NHS und den Pflegediensten zu Tausenden unnötigen Toten führen.
Hinter verschlossenen Türen und in den Medien wird seit Wochen über eine Strategie der „nationalen Einheit“ diskutiert, die eine üble politische Verschwörung gegen die Arbeiterklasse darstellt.
Der Tory-nahe Daily Telegraph schrieb am 18. März in einem Leitartikel: „Alle, auch die Opposition, müssen in die gleiche Richtung rudern. Vielleicht ist ein parteiübergreifendes Kriegskabinett notwendig.“ George Freeman, ein ehemaliger Minister von Johnsons Regierung, erklärte am 24. März gegenüber dem Guardian: „Das Ausmaß dieses nationalen Notstands... erfordert eine Aussetzung des normalen Politikbetriebs. Wenn Labour einen vernünftigen neuen Vorsitzenden hat, Keir Starmer [wenn er gewählt wird], sollte er in das Covid-Kabinett, den Cobra-Rat und gemeinsame Besprechungen in der Downing Street eingeladen werden.“
Die diversen Befürworter der Einheitsregierung zitieren als Beispiel immer wieder Churchills Koalition mit Labour unter Clement Atlee während des Zweiten Weltkriegs. Doch die heutige Zusammenarbeit zwischen Labour und Tories ist nicht von einem angeblichen „Krieg gegen das Coronavirus“ motiviert, sondern dient der Unterstützung des anhaltenden Kriegs gegen die Arbeiterklasse. Ein führender Anhänger von Starmer erklärte gegenüber der Financial Times: „Der Präzedenzfall Atlee ist nicht schlecht... Wenn sich wirklich die Leichen stapeln, der Lockdown weitergehen muss und es zu Unruhen in der Bevölkerung kommt…, könnte Johnson sagen: ,Warum kommen Sie nicht und helfen uns?‘“
Nichts davon wird die Corona-Pandemie unter Kontrolle bringen. Hunderttausende haben bereits ihre Arbeitsplätze verloren, weitere Millionen sind gefährdet. Zudem werden die riesigen Summen, die in den letzten Wochen an die Wirtschaftselite verteilt wurden, genau wie nach der Finanzkrise von 2008, durch verschärfte Austerität und brutale Ausbeutung in den Fabriken und an den Arbeitsplätzen bezahlt werden. Sobald der erwartete Anstieg der Covid-19-Fälle vorbei ist, wird Labour die Regierung bei allen Versuchen unterstützen, die wachsende soziale Unzufriedenheit in einem anhaltenden „nationalen Ausnahmezustand“ zu unterdrücken.
Auch von den angeblichen Labour-„Linken“, deren Machtlosigkeit und Feigheit in Corbyn so perfekt verkörpert waren, wird kein Widerstand kommen. Seine selbsternannte Nachfolgerin Long-Bailey hat bereits angedeutet, dass sie zur Teilnahme an einer Einheitsregierung bereit ist. Gegenüber Sky TV erklärte sie noch vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses: „Ich habe bereits mit der Regierung zusammengearbeitet und darauf gedrängt, meinen Rat und den Rat meiner Kollegen in dieser Krise anzuhören, weil wir so viel wie möglich helfen wollen... Wir versuchen zu helfen, und das werde ich als Parteichefin tun. Wenn ich nicht Parteichefin werde, werde ich einen neuen Parteichef dabei unterstützen.“
Für die Arbeiterklasse ist die Labour Party tot. Arbeiter und Jugendliche müssen jetzt einen neuen Weg einschlagen: den Klassenkampf und den Kampf für den Sozialismus. Die Socialist Equality Party ruft die arbeitende Bevölkerung auf, ihr beizutreten und alle Appelle an die nationale Einheit zurückzuweisen. Sie werden benutzt, um brutale Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und demokratische Rechte zu rechtfertigen. Die Arbeiter müssen folgende Forderungen erheben:
· Schluss mit der Rettung der Banken und Konzerne. Das Geld der Steuerzahler muss für den Kampf gegen die Pandemie, die Bereitstellung der notwendigen Mittel für den NHS und den Pflegebereich sowie den Schutz der Arbeitsplätze und Existenzgrundlage der arbeitenden Bevölkerung aufgewandt werden.
· Enteignung der Vermögen der Superreichen. Die Banken und Konzerne müssen ohne Entschädigung in öffentliches Eigentum überführt werden, um grundlegende soziale Schutzmaßnahmen zu finanzieren.
· Kein Stellenabbau und keine Lohnsenkungen. Aussetzung der Hypotheken-, Miet-, Strom- und Gasrechnungen während der Dauer der Pandemie. Unterstellung der Produktion unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse.
· Kein Vertrauen in die Gewerkschaften, die Werkzeuge der Regierung und der Arbeitgeber sind. Bildet Aktionskomitees in allen Betrieben und Nachbarschaften.
Der Kampf gegen Covid-19, den Klimawandel, den Krieg und andere existenzielle Bedrohungen für das menschliche Leben erfordert eine intensive und geplante Zusammenarbeit der Weltbevölkerung, einschließlich ihrer Wissenschaftler und anderer Experten. Dies bedeutet jedoch, die Aufteilung der Welt in konkurrierende Nationalstaaten zu beenden, die auf der Produktion für privaten Profit statt für soziale Bedürfnisse basieren. Dies wiederum erfordert die weltweite revolutionäre Übertragung der politischen Macht von der Kapitalistenklasse auf die Arbeiterklasse.