Paris: Polizeigewalt gegen Musikproduzenten auf Video festgehalten

Videoaufnahmen eines brutalen Polizeiangriffs auf einen Musikproduzenten in Paris haben in Frankreich und weltweit große Empörung ausgelöst.

Nur drei Tage vor der Veröffentlichung des Videos am Donnerstag vergangener Woche hatte die Polizei auf dem Place de la République ein friedliches Flüchtlingslager mit brutaler Gewalt aufgelöst. Zugleich arbeitet die Macron-Regierung daran, ein Gesetz durchzupeitschen, das Videoaufnahmen von Polizeibeamten unter Strafe stellt. Das von der Online-Publikation Loopsider veröffentlichte Video des Angriffs wurde bereits mehr als 12 Millionen Mal angesehen.

Der Vorfall ereignete sich am letzten Samstag. Das Opfer Michel Zecler – genannt Michel – kehrte kurz nach 19:30 Uhr zu seinem Tonstudio im 17. Arrondissement zurück. Eine Mund-Nasen-Bedeckung, die unter den Lockdown-Bedingungen vorgeschrieben ist, trug Michel nicht. Er ging in das Gebäude hinein, nachdem er in der Nähe eine Gruppe von Polizeibeamten gesehen hatte. Diese betraten von Michel unbemerkt und ohne Vorwarnung ebenfalls das Studio und traten von hinten an ihn heran.

Michel erklärte: „Noch bevor ich irgendetwas hörte, spürte ich eine Hand, die mich stieß oder zog, und dann forderten sie mich auf, das Gebäude zu verlassen. Ich sagte, dass das mein Studio ist... Es ist so schnell passiert, dass ich mich fragte, ob das überhaupt echte Polizisten sind.“ Einer der Beamten trug Zivilkleidung. Auf Videomaterial der Überwachungskamera ist zu sehen, dass die Polizisten zusammen mit Michel den Raum betraten, die Tür hinter sich schlossen und ihn mehrere Minuten lang schlugen. Er wurde mehrere Dutzend Mal getreten, 20-mal mit Fäusten und 15-mal mit einem Knüppel geschlagen, hauptsächlich ins Gesicht und auf den Schädel.

Michel, der sich mittlerweile öffentlich in den Medien geäußert hat, sagte gegenüber Loopsider: „Ich sagte mir: Wenn ich jetzt zu Boden gehe, werde ich nicht mehr hochkommen.“ Das Video zeigt keinerlei Widerstand seinerseits. Michel, der dunkelhäutig ist, erklärte weiter, die Beamten hätten ihn mehrfach rassistisch beschimpft, u.a. als „dreckigen Neger“. Die Attacken hörten erst auf, als es einer Gruppe von jugendlichen Musikern aus dem Tonstudio im unteren Stockwerk gelang, in den Raum einzudringen. Die Polizisten flohen daraufhin nach draußen.

Michel erklärte: „Das sind 16-jährige Jugendliche. Sie fragten mich, was passiert war, und ich sagte: ‚Ich hab keine Ahnung.‘ Ich war voller Blut.“ Daraufhin schlugen die Beamten ein Fenster ein und warfen einen Tränengaskanister in den Raum. Michel fuhr fort: „Ich dachte, mein letztes Stündlein hat geschlagen.“

Ein zweites Video, das von Nachbarn einem oberen Stockwerk aufgenommen wurde, zeigt die Straße und eine Gruppe von mindestens sieben Polizeibeamten, die vor dem Eingang des Gebäudes auf Michel warten. Zwei von ihnen scheinen Waffen auf ihn zu richten. Als er auf die Straße tritt, umstellen ihn die Beamten und schlagen von allen Seiten auf ihn ein. Zwei Beamte gehen zurück in das Gebäude, um die Jugendlichen zu finden, die vor dem Tränengas Zuflucht gesucht haben. „Sie haben angefangen, auf uns einzuprügeln“, sagte einer von ihnen später gegenüber der Presse. „Dann hörte ich ,Kamera! Kamera!‘ – offenbar haben die Nachbarn uns gefilmt. Nachdem ich das gehört habe, hörten sie sofort auf, uns zu schlagen.“

Anschließend wurde Michel zur örtlichen Polizeidienststelle gebracht, wo die Beamten wahrheitswidrig Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt erstatteten und behaupteten, er habe sie in sein Studio „gezerrt“, angegriffen und versucht, ihre Waffen an sich zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Beamten nicht, dass die Überwachungskamera den Vorfall festgehalten hatte. Michel wurde 48 Stunden in Gewahrsam gehalten. Die Anzeige wurde erst zurückgezogen, nachdem die Polizei das Video gesehen hatte.

„Ohne dieses Video würde ich jetzt im Gefängnis sitzen“, so Michel. „Ich würde im Gefängnis sitzen und alle meine Angehörigen und Freunde würden glauben, ich hätte die Polizisten geschlagen und versucht, ihnen die Waffen zu stehlen – so wie die Polizisten es behauptet haben.“ Seine Äußerungen machen deutlich, dass an dem jüngsten Fall von Polizeigewalt nichts besonders Einzigartiges ist. Wenn er nicht aufgezeichnet worden wäre, dann wäre es Michel ergangen wie zahllosen anderen Opfern von Polizeigewalt, deren Schilderungen von der Polizei bestritten werden.

Die Macron-Regierung hat aus Angst vor dem brodelnden Unmut in der Bevölkerung am Freitag eine zynische Erklärung veröffentlicht, laut der Macron beim Anblick der Videos „erschüttert“ gewesen sei und einen Bericht von Innenminister Gérald Darmanin angefordert habe. Die drei Beamten wurden suspendiert. Darmanin behauptete, er werde auf ihre Entlassung „drängen“. Auch für die Polizeiaktion gegen Flüchtlinge auf dem Place de la République am 23. November wurde eine interne Untersuchung angekündigt. Solche Untersuchungen enden allerdings stets damit, dass die Beamten von allen Vorwürfen freigesprochen werden.

Hinter seinen hohlen Ausflüchten arbeitet Macron mit Hochdruck am Aufbau eines autoritären Polizeistaats, in dem die Polizei ungestraft Gewalt gegen die Bevölkerung anwenden kann. Der gleiche Macron hatte im Jahr 2018 den faschistischen Diktator Pétain als „großen Soldaten“ bezeichnet. Der Angriff auf Michel hat nur noch deutlicher gemacht, was das „globale Sicherheitsgesetz“ bedeuten wird, das am Montag von der Nationalversammlung verabschiedet wurde. Es stellt das Filmen von Polizisten in der Öffentlichkeit unter Strafe – auf der Grundlage des subjektiven Kriteriums, dass die Beamten befürchten könnten, infolge der Veröffentlichung körperlichen oder seelischen Schaden zu nehmen.

Um dem massenhaften Widerstand gegen das Gesetz entgegenzuwirken, hat die Regierung die Einsetzung einer Sonderkommission angekündigt, die den betreffenden Artikel 24 „überarbeiten“ soll, bevor das Gesetz im Januar dem parlamentarischen Oberhaus, dem Senat vorgelegt wird. Eine Demonstration gegen das Gesetz wurde am Freitag zuerst von der Polizei verboten, dann jedoch vom Verwaltungsgericht am gleichen Abend wieder erlaubt.

Die Sozialistische Partei (PS), Jean-Luc Mélenchons Unbeugsames Frankreich (LFI) und die Grünen haben Kritik an den jüngsten Ausschreitungen der Polizei und dem neuen Sicherheitsgesetz geübt. Doch all diese Parteien stehen hinter dem Aufbau eines Polizeistaats und haben den zweijährigen Ausnahmezustand unterstützt, den die PS-Regierung von François Hollande 2015-2017 verhängt hatte.

Sie befürchten, dass Macron durch seine offene Hinwendung zur Diktatur den Widerstand in der Arbeiterklasse zur Explosion bringen könnte. Ein entsprechender Leitartikel erschien in Le Monde vom vergangenen Freitag mit dem Titel „Polizei: Eine ernste Führungskrise“. Darin heißt es warnend: „Gérald Darmanin, der vom Präsidenten der Republik eingesetzt wurde, um konservative Wähler anzusprechen, droht das Land in eine außerordentlich gefährliche Spirale der Unruhe zu stürzen. Die vielen mit dem Lockdown verbundenen Spannungen machen die Lage noch schlimmer.“

Der Leitartikel stellt Polizeigewalt absurderweise als ein Problem der „Führungskultur“ dar. Seine Vorschläge laufen darauf hinaus, die interne Kontrollorganisation der Polizei durch eine „wirklich unabhängige Kontrollorganisation“ zu ersetzen.

In Wirklichkeit sind Macrons Bestrebungen, einen Polizeistaat aufzubauen, Teil der Hinwendung aller kapitalistischen Regierungen der Welt zu autoritären Herrschaftsformen. Sie werden vorangetrieben von dem enormen Anwachsen sozialer Ungleichheit, die sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärft hat, und den Vorbereitungen auf die brutale Unterdrückung von Opposition in der Arbeiterklasse. In den letzten zwei Jahren hat Macrons Polizei Tausende von „Gelbwesten“ und streikende Arbeiter verprügelt und Dutzenden mit Gummigeschossen das Augenlicht geraubt oder mit Blendgranaten die Hände abgerissen.

Die Tatsache, dass diese Repressionen die gesamte Arbeiterklasse treffen, macht deutlich, dass die Polizeigewalt im Kern ein Produkt der Klassenherrschaft ist und sich nicht auf Rassismus beschränkt.

Der jüngste Angriff auf Michel war zumindest teilweise rassistisch motiviert. Die herrschende Klasse, in der es eine beträchtliche Unterstützerbasis für die neofaschistische Rechte gibt, schürt gezielt Rassismus in der Polizei. Für sie ist eine faschistisch eingestellte Polizei ein Garant für den Einsatz brutaler Gewalt gegen die gesamte Arbeiterklasse.

Es hat zahllose ähnliche Vorfälle gegen Arbeiter jeglicher Herkunft gegeben. Am 3. Januar wurde der weiße Lastwagenfahrer Cédric Chouviat während einer Verkehrskontrolle ermordet. Der Polizist hatte sich auf ihn gekniet, woraufhin er rief: „Ich ersticke!“ – dieselben letzten Worte, die auch George Floyd sprach, bevor er Mitte des Jahres in den USA von der Polizei getötet wurde. Im Juni wurde Farida, eine weiße Pflegerin arabischer Herkunft, auf einer Protestkundgebung für die bessere Finanzierung des Gesundheitswesens von der Polizei brutal misshandelt. Der Vorfall wurde auf Video aufgezeichnet.

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