Die Alternative für Deutschland positioniert sich immer offener als faschistische Partei. Das unterstreicht der Bundesparteitag, der am vergangenen Wochenende im nordrhein-westfälischen Kalkar stattfand.
Das Parteitagsgeschehen war von heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Vorsitzenden Jörg Meuthen und dem Neonazi-Flügel um den thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke geprägt. Doch das ist nur die Form, in der sich die Gesamtpartei nach rechts bewegt, ihre politischen Optionen erprobt und nach einer sozialen Basis für eine faschistische Massenbewegung sucht.
Viele Medien haben den Parteitag als „offene Schlacht zwischen Bürgerlichen und Rechtsextremen“ geschildert. Doch das hatten sie auch 2015 getan, als Frauke Petry den Parteigründer Bernd Lucke stürzte, und 2017, als Frauke Petry dasselbe Schicksal wiederfuhr. Damals war Jörg Meuthen der Drahtzieher, der gemeinsam mit Höcke, dem heutigen Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland und der Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel den Sturz Petrys herbeiführte. Seither hat Meuthen eng mit den Rechtsextremen zusammengearbeitet. Warum nun ausgerechnet dieser Förderer der „Rechtsextremen“ zum „Bürgerlichen“ geworden sein soll, kann kein Journalist erklären.
Meuthen ermahnte die 600 Delegierten zu Beginn des Parteitags, sich in ihrem Auftreten und ihren Äußerungen zu mäßigen. Er forderte mehr Distanz zu militanten Corona-Leugnern, kritisierte das „Rumkrakelen oder Rumprollen“ im Bundestag, wo Gäste von AfD-Abgeordneten Mitglieder anderer Fraktionen bedroht hatten, und griff den Ehrenvorsitzenden Gauland an, der von einer Corona-Diktatur gesprochen hatte.
„Aber ist es wirklich klug, von einer Corona-Diktatur zu sprechen?“, fragte Meuthen. „Wir leben in keiner Diktatur, sonst könnten wir diesen Parteitag auch heute wohl kaum so abhalten.“
Meuthen treibt vor allem die Sorge um, ein allzu offenes Zurschaustellen der rechtsextremen Positionen der AfD könnte einige ihrer Wähler abschrecken. Die Umfragewerte der Partei liegen schon jetzt deutlich unter dem Wahlergebnis von 2017, als die AfD mit 12,6 Prozent drittstärkste Partei geworden war. „Wegen solcher Vorkommnisse wählen uns die Menschen nicht mehr“, schimpfte Meuthen. „Wir werden nicht mehr Erfolg erzielen, indem wir immer aggressiver, immer derber, immer enthemmter auftreten.“
Meuthen konnte sich auf dem Parteitag vor allem auf westdeutsche Delegierte stützen, die um ihre Abgeordnetenmandate und damit verbundenen Einkommen fürchten. Doch weniger als ein Drittel der Delegierten applaudierte nach seiner Rede. Etwa die Hälfte der Delegierten sowie die restliche Parteiführung stellten sich gegen ihn, was in heftige Tumulte ausartete. Einige forderten ihn lautstark zum Rücktritt auf und hielten aus Protest rote Abstimmungskarten hoch. Anderen erbosten Gegenrednern drehte die Parteitagsleitung das Mikrofon ab. Gauland denunzierte Meuthens Rede als „spalterisch“ und warf ihm vor, er verbeuge sich vor dem Verfassungsschutz.
Anders als bei früheren Parteitagen kam es in Kalkar nicht zum Bruch. Über einen Antrag, der Meuthen „spalterisches Gebaren“ vorwarf, wurde am Ende nicht abgestimmt. Meuthen und seine Gegner haben keine inhaltlichen Differenzen. Sie vertreten alle dieselbe rechtsextreme, ausländerfeindliche, chauvinistische und autoritäre Politik. Sie haben lediglich taktische Meinungsverschiedenheiten.
Am Ende des Parteitags stimmten 89 Prozent der Delegierten dem Leitantrag der Bundesprogrammkommission zur „Sozialpolitik“ zu. Das Dokument ist ein rassistisches und völkisches Manifest. Es schürt Hass gegen Ausländer, wirkliche soziale Forderungen zur Umverteilung des Reichtums finden sich darin keine.
Die Sozialpolitik ist für die AfD vor allem ein Mittel, die „demografische Krise“ zu lösen und die Geburtenrate zu erhöhen. „Eine Steigerung der Geburtenrate auf ein bestandserhaltendes Niveau von 2,1 Kindern pro Frau ist die einzige Möglichkeit zur Stabilisierung und zum Erhalt unserer Sozialsysteme, aber auch zur Bewahrung unserer Kultur und zum Fortbestand unseres Volkes,“ heißt es im Leitantrag.
Migranten sollen so weit wie möglich von Sozialleistungen ausgeschlossen und in ihre Ursprungsländer zurückgeschickt werden. Der Leitantrag ist über weite Strecken eine ausländerfeindliche Hetztirade. So macht er „die Zuwanderung von wenig gebildeten und gering qualifizierten Migranten seit den 60er Jahren“ für „das Abschmelzen deutscher Tugenden“ verantwortlich.
Die Sozialmaßnahmen, die die AfD vorschlägt, sind mehr als bescheiden. So soll der Zeitpunkt des Renteneintritts (bei entsprechenden Abschlägen) „frei“ gewählt werden können – was zu einer Steigerung der Altersarmut oder der Altersarbeit beitragen würde.
Politiker, Selbständige und neu eingestellte Beamte (ausgenommen Soldaten, Polizisten und Justizangestellte) sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen und nicht mehr vom Staat alimentiert werden – eine populistische Forderung, die vor allem die Wut auf „die da oben“ bedient, aber nicht zur Überwindung der sozialen Ungleichheit beiträgt. Hohe Vermögen und Einkommen werden nicht angetastet.
Außerdem fordert die AfD eine Art Kinderprämie: Familien sollen pro Kind 20.000 Euro der Elternbeiträge zur Rentenversicherung aus Steuermitteln erstattet bekommen, und der Staat soll jedem Kind, das mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde und seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat, bis zum 18. Lebensjahr monatlich 100 Euro auf ein Sparkonto überweisen.
Die AfD ist in breiten Bevölkerungsschichten verhasst und liegt in Wählerumfragen regelmäßig unter zehn Prozent. Sie verdankt ihren Einfluss vor allem den etablierten Parteien, insbesondere den nominell linken, und zwar in doppelter Hinsicht.
Zum einen reagieren diese auf die globale Krise des Kapitalismus und die Corona-Pandemie mit immer neuen Angriffen auf die Arbeiterklasse und die unteren Mittelschichten. Während die Banken und Großkonzerne mit Milliardensummen aus der Staatskasse und der Bundesbank überflutet werden und die Aktienkurse neue Rekordmarken erreichen, verlieren Arbeiter ihren Job oder werden unter Lebensgefahr zur Arbeit gezwungen. Kleinunternehmer und Selbständige werden in den Bankrott getrieben.
Die Regierungspolitik der Linken, der SPD und der Grünen unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von jener der CDU, der CSU oder der FDP. Das verschafft der AfD die Möglichkeit, mit ihrer national-sozialistischen Demagogie unter verzweifelten Schichten zu fischen.
Zum anderen bahnen die etablierten Parteien der AfD gezielt den Weg. Sie hofieren sie in Medien und Parlamenten. Je weiter die AfD nach rechts rückt, desto offener paktieren sie mit ihr. Die rechtsextremen Terrornetzwerke in Bundeswehr und Polizei, die eng mit der AfD verknüpft sind, werden von Verfassungsschutz und Justiz systematisch gedeckt.
Besonders deutlich zeigte sich das wirkliche Verhältnis zwischen den etablierten Parteien und der AfD im Februar in Thüringen, wo CDU, FDP und AfD gemeinsam einen neuen Ministerpräsidenten wählten. Als dieser unter einer Welle des Protests zurückgetreten musste, reichte Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei der AfD persönlich die Hand und verhalf ihr mit seiner Stimme zum prestigeträchtigen Amt eines Landtagsvizepräsidenten.
In Sachsen-Anhalt arbeiten CDU und AfD derzeit eng zusammen, um eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu verhindern. Die Ablehnung der unpopulären Maßnahme dient als Vorwand, um einer Regierungskoalition mit der AfD den Weg zu bahnen.
Die Förderung der AfD durch die etablierten Parteien hat objektive Ursachen. Die herrschende Klasse baut auf die rechtsextreme Partei, um ihre Politik des Militarismus, der Staatsaufrüstung und der sozialen Angriffe gegen wachsenden Widerstand durchzusetzen. Die Corona-Politik der Bundes- und Länderregierungen ist weitgehend identisch mit der Politik der Querdenker und der AfD. Einige private Bereiche werden eingeschränkt, aber die Superspreader Schule, Kita, Fabrik und öffentliche Verkehrsmittel bleiben ohne Schutzmaßnahmen offen. Die Profite müssen wieder fließen, auch wenn das massenweise Menschenleben kostet.
Der Kampf gegen die rechte Gefahr erfordert den Aufbau einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse, die den Kampf gegen die kriminelle Corona-Politik der Regierung, gegen Arbeitslosigkeit und Armut, gegen Krieg und Faschismus mit dem Kampf für den Sturz des Kapitalismus verbindet. Er erfordert den Aufbau einer internationalen, sozialistischen Partei – des Internationalen Komitees der Vierten Internationale und seiner deutschen Sektion, der Sozialistischen Gleichheitspartei.