Französischer Holocaust-Überlebender verurteilt rechtsextreme Proteste von Impfgegnern

Am Sonntag, den 18. Juli, fand auf dem Platz der Jüdischen Märtyrer (Place des Martyrs Juifs) in Paris eine Gedenkveranstaltung im Rahmen des Gedenktags für die Opfer von Rassismus und Antisemitismus in Frankreich statt. Nur einen Tag zuvor hatten in Paris rechtsextreme Proteste gegen die Pläne der Macron-Regierung zur Einführung eines „Gesundheitspasses“ stattgefunden. Dieser Pass dient als Bestätigung für eine Zweifachimpfung gegen Covid-19 und soll vor dem Betreten zahlreicher öffentlicher Einrichtungen vorgelegt werden, alternativ auch ein negativer Corona-Test.

Bei dieser Zeremonie verurteilte der 94-jährige Holocaust-Überlebende Joseph Szwarc die Vergleiche, die auf der Demonstration gezogen wurden zwischen Impfgegnern und den sechs Millionen europäischen Juden, die während des Zweiten Weltkriegs ermordet wurden. Von den 75.000 französischen Juden, die vom Vichy-Regime und den Nazis deportiert wurden, kamen bei Kriegsende nur 3.000 nach Frankreich zurück. Das Vichy-Regime, das mit den Nazis kollaborierte, verpflichtete Juden in Frankreich zum Tragen eines gelben „Judensterns“, wodurch sie als Ziel des öffentlichen Hasses und für die Deportation in Konzentrationslager kenntlich gemacht wurden.

Zu den Protesten gegen den Gesundheitspass hatten führende Neofaschisten wie Marion Maréchal Le Pen und der Vorsitzende der neofaschistischen Partei Les Patriots, Florian Philippot, aufgerufen. Zehntausende zogen durch ganz Frankreich, wobei sich libertäre oder kleinbürgerlich-pseudolinke Gruppen von Impfgegnern den Rechtsextremen anschlossen. Auch mehrere Persönlichkeiten aus Jean-Luc Mélenchons Partei Unbeugsames Frankreich (La France insoumise, LFI) unterstützten die Proteste.

Ein Teilnehmer der Impfgegnerdemonstration in Paris am 17. Juli trägt auf dem Rücken einen gelben Stern mit der Aufschrift „Nicht geimpft“. (AP Photo/Michel Euler, Archiv)

Auf mehreren Fotos der rechtsextremen Demonstration ist zu sehen, dass Teilnehmer gelbe Davidssterne mit der Aufschrift „Nicht geimpft“ oder „Ohne Impfung“ tragen. In den Departements Isère und Pyrénées wurden zwei regionale Impfzentren von Demonstranten beschmiert. An einem wurde Graffiti aufgesprüht, das sich auf die Nazi-Besetzung Frankreichs bezog.

Szwarc erklärte über die rechtsextremen Proteste: „Ich möchte deutlich machen, wie empört ich darüber war, was diese Woche passiert ist. Sie können sich nicht vorstellen, wie aufgebracht ich darüber war.“ Er hielt ein Bild eines Davidssterns mit einer der erwähnten Aufschriften hoch und fügte hinzu: „Dieser Vergleich ist abscheulich!“

Er erklärte unter Applaus: „Wir alle müssen gegen diese Schande kämpfen. Mir kamen die Tränen. Ich habe einen Judenstern getragen, ich weiß, was es bedeutet, es sitzt mir noch in den Knochen. Es ist die Pflicht von uns allen, diese empörende antisemitische, rassistische Welle nicht ungehindert passieren zu lassen. Ich denke, das ist die oberste Pflicht.“

Szwarc war einer von 13.152 Juden, die am 16. Juli 1942 von der Pariser Polizei im Rahmen der berüchtigten Massenverhaftung Rafle du Vel d’Hiv festgenommen wurden. Sie ist benannt nach dem Wintersportstadion (Vélodrome d'Hiver), in dem die Juden bis zur Deportation in die Konzentrationslager festgehalten wurden. Verantwortlich dafür waren die Pariser Polizei, die Gendarmerie und die faschistischen Schläger der französischen Parti Populaire Française. Ab 4 Uhr morgens zogen diese Kräfte durch jüdische Stadtviertel und verhafteten jeden Menschen jüdischer Herkunft, den sie finden konnten.

Fast alle, die bei dieser Razzia verhaftet wurden, kamen schließlich in das Vernichtungslager Auschwitz. Von den 3.900 Kindern, die während der Rafle du Vel d’Hiv festgenommen wurden, überlebten nur sechs.

Doch nicht nur in Frankreich wird eine wissenschaftliche Reaktion auf die Corona-Pandemie mit dem Holocaust gleichgesetzt. Letzte Woche trugen Teilnehmer von Anti-Lockdown-Protesten in den Niederlanden Schilder mit der Aufschrift „Wir werden die neue Anne Frank sein“. Die faschistische US-Kongressabgeordnete und Verschwörungstheoretikerin Marjorie Taylor Greene erklärte im Mai dieses Jahres: „Geimpfte Angestellte werden ein Impf-Symbol bekommen, genau wie die Nazis Juden zwangen, einen gelben Stern zu tragen.“

Abstoßende Vergleiche zwischen lebensrettenden Impfstoffen und dem Holocaust verharmlosen das schrecklichste Verbrechen des 20. Jahrhunderts. Politisch gehen sie von dem Verlangen der extremen Rechten aus, der Herdenimmunitätspolitik der europäischen herrschenden Klassen während der Pandemie einen populistisch-libertären Anstrich zu verleihen. Auf diese Weise sollen Arbeiter in nicht systemrelevanten Bereichen zur Weiterarbeit gezwungen werden, um Profite für die Investoren zu erarbeiten, obwohl in Europa bereits mehr als 1,1 Millionen Menschen gestorben sind.

Szwarcs Äußerungen sind ein seltener Ausdruck des massiven Widerstands, der unter Arbeitern und beträchtlichen Teilen des Kleinbürgertums gegen die Herdenimmunitätspolitik der herrschenden Klasse und die Normalisierung und Förderung rechtsextremer Kräfte im politischen Leben Frankreichs und Europas herrscht. Auch wenn der rechtsextreme Widerstand gegen die Impfpflicht die Seiten der französischen und internationalen Presse dominiert, unterstützen mehr als 60 Prozent der Bevölkerung diese Maßnahme.

Der Twitter-Account des Auschwitz-Gedenkmuseums unterstützte Szwarcs Verurteilungen dieses abscheulichen Vergleichs und fügte hinzu: „Die Instrumentalisierung der Tragödie aller Menschen, die zwischen 1933 und 1945 unter dem abscheulichen totalitären Regime Nazi-Deutschlands Leid, Demütigung, Folter und Mord erfuhren, um gegen lebensrettende Impfungen zu argumentieren, ist ein trauriges Symptom des moralischen und intellektuellen Niedergangs.“

Auch der Historiker und Nazi-Jäger Serge Klarsfeld kritisierte die Analogie und die undemokratischen Forderungen der Impfgegner: „Der Judenstern war ein Symbol des Todes, der die Juden aus der Gesellschaft ausschloss und sie zur Ausrottung bestimmte. Impfstoffe hingegen retten Menschenleben... Welche Freiheit wollen sie? Die Freiheit, andere anstecken zu können?“

Eine Impfpflicht, die in Frankreich außer für Covid-19 auch für elf andere Krankheiten besteht, ist eine höchst wichtige wissenschaftliche Maßnahme zur Bekämpfung der Ausbreitung des tödlichen Virus. Um die Ausbreitung des Virus zu kontrollieren, muss sie jedoch mit einem Shutdown sämtlicher nicht systemrelevanter Produktion und Dienstleistungen, einem effektiven System von Tests und Kontaktverfolgungen und vollem Einkommensausgleich für alle Betroffenen verbunden werden.

Die Sozialistische Gleichheitspartei unterstützt Macrons Gesundheitspass nicht, da er nicht der Kontrolle und Ausrottung des Coronavirus dient, sondern die vollständige Öffnung der Wirtschaft begünstigen soll. Selbst wenn weitere Millionen Menschen geimpft würden, reicht das nicht aus, um das Virus aus der Welt zu schaffen. Angesichts von 21.000 gemeldeten Fällen in Frankreich am 22. Juli und der Gefahr durch impfstoffresistente Varianten wird Macrons Politik einer ungehinderten Ausbreitung in einer größtenteils ungeimpften Bevölkerung zu weiteren Tausenden von Toten führen.

Die Proteste der Impfgegner wurden in Frankreich auch von Kräften wie Jean-Luc Mélenchons Unbeugsamem Frankreich propagiert, die vom politischen Establishment als links dargestellt werden. Szwarcs Kommentare verdeutlichen erneut den politischen und moralischen Bankrott dieser pseudolinken Partei, deren Führer mit ihren politischen Manövern ihre Verachtung für den Kampf der europäischen Arbeiter gegen den Faschismus im 20. Jahrhundert und deren Gesundheit in der Gegenwart demonstrieren.

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