Perspektive

Herrschende Klasse in den USA beendet Corona-Arbeitslosenhilfe und stößt Millionen in finanzielle Not

Am Montag wurden in den USA die staatlichen Programme zur Corona-Arbeitslosenunterstützung beendet. Das ist ein bewusster Schritt der Demokraten und Republikaner, um Millionen Arbeitslose und ihre Familien ihrer einzigen Einkommensquelle zu berauben.

Eine Person schaut durch die geschlossene Tür des Pasadena Community Job Center während eines Corona-Ausbruchs in Pasadena, Kalifornien (AP Photo/Damian Dovarganes)

Viele werden damit gezwungen, jede noch so schlecht bezahlte, entwürdigende oder gefährliche Arbeit anzunehmen, die sie finden können, wenn sie nicht in den sozialen und finanziellen Abgrund stürzen wollen.

Unter den Bedingungen der rasanten Verbreitung der Delta-Variante und der Explosion der Covid-Zahlen mit durchschnittlich über 160.000 neuen Fällen und 1.500 Todesfällen pro Tag ist die Streichung der Arbeitslosenhilfe geradezu mörderisch. Sie wird unweigerlich die Pandemie vorantreiben, da Millionen Menschen entweder in überfüllte Betriebe, wo sie sich anstecken können, oder in Elend und Obdachlosigkeit getrieben werden.

Drei Programme liefen am Montag aus: ein Hilfsprogramm, das Leistungen für Arbeiter in der Gig Economy, Selbstständige und Betreuer vorsah, die zuvor keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hatten; ein zweites Programm, das die Dauer des Leistungsbezugs verlängerte; und ein drittes Programm, das eine zusätzliche wöchentliche Zahlung von 300 Dollar vorsah, um die Arbeitslosenhilfe der Bundesstaaten zu ergänzen.

Fast 7,5 Millionen Menschen verlieren mit dem Ende der ersten beiden Programme ihr ganzes Arbeitslosengeld und weitere 3 Millionen den wöchentlichen Zuschlag von 300 Dollar, so dass ihnen nur die völlig unzureichende bundesstaatliche Hilfe bleibt. In den Bundesstaaten, die in letzter Zeit am stärksten von der Pandemie betroffen waren, wie Mississippi und Louisiana, liegt die maximale wöchentliche Arbeitslosenhilfe sogar unter dem lächerlichen landesweiten Mindestlohn von 7,25 Dollar pro Stunde.

Die Realität ist, dass viele Arbeitslose in absehbarer Zeit einfach keine Arbeit finden werden. Ökonomen schätzen, dass im Vergleich zum Februar 2020 zwischen 6,6 und 9,1 Millionen Arbeitsplätze fehlen. Im August waren 8,4 Millionen Menschen arbeitslos und weitere 5,7 Millionen nicht erwerbstätig, aber auf der Suche nach einem Arbeitsplatz, wie aus dem jüngsten Arbeitslosenbericht des Bureau of Labor Statistics hervorgeht.

Die Einschnitte beim Arbeitslosengeld erfolgen zu einem Zeitpunkt, an dem die Autoindustrie von einer neuen Welle vorübergehender Stilllegungen betroffen ist, vor allem wegen des Mangels an Mikrochips. Die drei großen Automobilhersteller haben mit der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) zusammengearbeitet, um immer mehr Zeitarbeiter zu beschäftigen, die während ihrer Freistellung nur magere staatliche Hilfen erhalten.

Weniger als zwei Wochen, nachdem der Oberste Gerichtshof das Moratorium für Zwangsräumungen von Mietwohnungen gekippt hat, verlieren Millionen Menschen ihre einzige wirtschaftliche Lebensgrundlage. Ein weiteres Moratorium für Zwangsräumungen soll am 30. September auslaufen.

Das Ende der staatlichen Arbeitslosenhilfe wurde mit Unterstützung des Weißen Hauses und beider Parteien im Kongress durchgesetzt. Präsident Biden hatte sich dafür ausgesprochen, die Leistungen am 6. September zu beenden, und bereits im Juni erklärt, das sei „sinnvoll“. Am Freitag erwähnte er das Ende der Programme nur am Rande, als er sich zur schwachen Lage am Arbeitsmarkt äußerte. Er stellte die irreführende Behauptung auf, dass die Regierungen der Bundesstaaten über die „Bundesmittel“ verfügen, um die Leistungen zu verlängern, wenn sie dies wünschen. Kein Bundesstaat, ob von Demokraten oder Republikanern geführt, hat Andeutungen in diese Richtung gemacht. Im Gegenteil: In diesem Sommer hat sich mehr als die Hälfte der US-Bundesstaaten unter Berufung auf „Arbeitskräftemangel“ vorzeitig aus den staatlichen Arbeitslosenprogrammen zurückgezogen.

Die Abschaffung wurde de facto auch von den sogenannten „Progressiven“ in der Demokratischen Partei unterstützt. Senator Bernie Sanders schweigt zum Ende der Hilfsprogramme. Die Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Alexandria Ocasio-Cortez, sagte in einem kürzlich erschienenen Interview mit Business Insider lediglich, ihre Fraktion werde das Thema „genauer prüfen“.

Hinter der Beendigung der Arbeitslosenunterstützung steht dieselbe grundlegende Orientierung, die die gesamte Politik der amerikanischen Kapitalistenklasse in der Coronakrise bestimmt hat: Die Profite müssen geschützt und auf das Maximum gesteigert werden – ungeachtet, wie viele Menschenleben und Leid das kostet.

In den herrschenden Kreisen wächst aber die Besorgnis darüber, dass die Arbeiterklasse versucht, aus dem jahrzehntelangen Niedriglohnsystem auszubrechen, das mit der bereitwilligen Unterstützung der unternehmensnahen Gewerkschaften durchgesetzt wurde. In den Medien sind Kommentare erschienen, die sich über eine „Lohninflation“ (Bloomberg, Forbes) oder gar eine „Lohnwut“ (Time Magazine) beklagen. Gleichzeitig schweigen die Medien über die Kämpfe der Arbeiter, die am deutlichsten die Autorität der Gewerkschaften in Frage gestellt haben und sich auf andere Berufsgruppen ausweiten könnten. Dazu zählen der fünfwöchige Streik der Arbeiter von Volvo Trucks Anfang des Jahres und der anhaltende Widerstand der Arbeiter beim Autozulieferer Dana gegen einen von der UAW und der United Steelworkers Union durchgesetzten Tarifvertrag.

Die amerikanischen Konzerne, die sehr empfindlich auf die wachsende Opposition in der Arbeiterklasse reagieren, befürchten, dass jeder signifikante Anstieg der Löhne zum Zusammenbruch der Spekulationsorgie an der Wall Street führen würde. Daher startet die herrschende Klasse einen Generalangriff auf die letzten Reste des Sozialsystems, um den Widerstand der Arbeiter zu brechen und ihre Ausbeutung drastisch zu verschärfen.

Wie üblich hat das Wall Street Journal, das Sprachrohr der Finanzaristokratie, die Denkweise der herrschenden Elite am offensten zum Ausdruck gebracht. In einem Leitartikel vom 10. August heißt es, dass die verlängerte Arbeitslosenhilfe „schlecht für Arbeitgeber ist, die Arbeitskräfte brauchen, und schlecht für die Wirtschaft, die mehr Produktion braucht“. Ein neuerer Leitartikel ist nicht zufrieden mit der Streichung der Arbeitslosenunterstützung und nimmt noch weitere vermeintliche „Hemmnisse für die Arbeit“ ins Visier, darunter das inzwischen ausgelaufene Zwangsräumungsmoratorium sowie die staatlich finanzierte Gesundheitsversorgung und Steuergutschriften für Kinder.

Ein weiterer Hinweis darauf, welche Berechnungen die Unternehmenschefs jetzt anstellen, findet sich in einem kürzlich erschienenen Artikel der New York Times unter der Überschrift „Kräftige Lohnzuwächse im August, während sich die Neueinstellungen verlangsamten“. Darin wird Jeff Owen zitiert, der Geschäftsführer der Warenhauskette Dollar General, der den Anlegern jüngst auf einer Telefonkonferenz mitteilte: „Als in diesen Bundesstaaten die erhöhten Arbeitslosenunterstützungen [zu Beginn des Sommers] ausliefen, haben wir einen ersten netten Aufschwung bei den Bewerbern und der Stellenbesetzung gesehen.“ Owen, der sich damit brüstete, dass Arbeiter aus Verzweiflung gezwungen sind, die Jobs von Dollar General für 8 Dollar pro Stunde oder weniger anzunehmen, erhielt selbst 2020 ein Gesamtgehalt von 5,6 Millionen Dollar – 59 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Abschaffung der staatlichen Arbeitslosenhilfe geht Hand in Hand mit der Kampagne beider Parteien, Kinder und Jugendliche wieder in die Schulen zu treiben – eine völlig rücksichtslose und kriminelle Politik, die unzählige Leben bedroht. In beiden Maßnahmen geht es darum, mehr Menschen zur Rückkehr an die Arbeit zu zwingen, um den Pool an Arbeitskräften zu erhöhen und die Löhne zu drücken.

Die Profitinteressen der herrschenden Klasse sind das Haupthindernis für die Bewältigung der brennendsten sozialen Probleme – seien es die katastrophalen Auswirkungen der Pandemie, die bittere Armut der Arbeitslosen oder die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne, mit denen Millionen Arbeiter konfrontiert sind. Die Reaktion auf die Pandemie und die damit einhergehende Wirtschaftskrise wird zu allen Zeiten von einem einzigen Grundsatz geleitet: die Vermögen und Privilegien der Superreichen zu schützen.

Um Leben zu retten, eine noch schlimmere Katastrophe abzuwenden und die drängendsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, muss eine diametral entgegengesetzte Politik verfolgt werden, die sich an den Interessen der Arbeiterklasse, der großen Mehrheit der Gesellschaft, orientiert. Es müssen alle Maßnahmen ergriffen werden, um das Virus auszurotten, einschließlich der Schließung von Schulen und nicht lebensnotwendigen Betrieben bei vollem Lohnersatz für alle Arbeiter und betroffenen Kleinunternehmer, ohne Rücksicht auf die Profite der herrschenden Klasse.

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