USA: Streikende John-Deere-Arbeiter voller Wut über erbärmliche Streikgelder der UAW

Seit zwei Wochen streiken die Arbeiter von John Deere in fünf US-amerikanischen Bundesstaaten. Inzwischen wachsen Unzufriedenheit und Frustration über die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW). Sie verzögert die Streikgelder und bemisst deren Höhe völlig unzureichend. Die Deere-Arbeiter erhalten erst ab der dritten Streikwoche 275 Dollar pro Woche, also weniger als den staatlichen Mindestlohn von 7,25 Dollar pro Stunde.

Streikende Arbeiter vor einem John-Deere-Werk in Ankeny (Iowa) am 20. Oktober 2021 (AP Photo/Charlie Neibergall)

In den US-Bundesstaaten Iowa, Illinois, Kansas, Georgia und Colorado streiken mehr als 10.000 John-Deere-Arbeiter. Am 10. Oktober haben sie einen Vertragsentwurf mit über 90 Prozent der Stimmen abgelehnt. Das sechsjährige Tarifabkommen, das die Unterstützung der UAW und des Unternehmens hat, sieht Lohnerhöhungen unter der aktuellen Inflationsrate und die Abschaffung von Betriebsrenten für neu eingestellte Arbeiter vor.

Ein Deere-Arbeiter in Waterloo (Iowa) erklärte gegenüber dem World Socialist Web Site Autoworker Newsletter: „Diese 275 Dollar pro Woche reichen nicht. Die Leute fragen, wann wir unseren ersten Scheck bekommen. Dass man das derart hinauszögert, bereitet den Kollegen enorme Probleme, denn sie müssen Benzin, Miete und vieles andere bezahlen.“

Der Grund für das niedrige Streikgeld ist nicht, dass der UAW-Apparat etwa kein Geld dafür hätte. Laut LM-2-Bericht, den die Gewerkschaft an das Arbeitsministerium geschickt hat, verfügte die UAW im Jahr 2020 über ein Nettovermögen von 1,1 Milliarden Dollar und eine Streikkasse von 790 Millionen Dollar. Dieses Geld stammt von den Mitgliedsbeiträgen der Arbeiter.

Während die Deere-Arbeiter nur Armutslöhne erhalten und auf den Streikposten ausgehungert werden, beziehen Hunderte von UAW-Bürokraten ihre sechsstelligen Gehälter weiter.

Im Jahr 2018 gönnten sich die internationalen Funktionäre der UAW bei der alle vier Jahre stattfindenden Konferenz eine 30-prozentige Gehaltserhöhung. Im Jahr 2020, als Covid-19 in den Werken und Fabriken wütete, erhielt UAW-Präsident Rory Gamble einen Spitzenverdienst von 244.772 Dollar an Gehalt und Aufwandsentschädigungen. An zweiter Stelle stand der damalige Schatzmeister und heutige Präsident Ray Curry mit 236.608 Dollar. Die 17 höchsten UAW-Funktionäre verdienten letztes Jahr brutto mehr als 200.000 Dollar.

Während streikende Arbeiter nur 275 Dollar erhalten, beziehen Hunderte von Funktionären in der Zentrale mit dem irreführenden Namen „Solidarity House“ weiterhin Gehaltsschecks im Wert von Tausenden Dollar pro Woche.

  • Ray Currys Grundgehalt von 210.000 Dollar im Jahr 2020, das seit seiner Ernennung zum Präsidenten vermutlich deutlich gestiegen ist, entspräche einem Wochenlohn von etwa 4.000 Dollar.
  • Der UAW-Vizepräsident für Ford und gewerkschaftliche Leiter der Landmaschinensparte, Chuck Browning, der auch der führende „Unterhändler“ bei den Verhandlungen mit Deere ist, würde bei einem Gehalt von durchschnittlich 204.000 Dollar im Jahr 2020 (basierend auf einem vergleichbaren Gehalt anderer UAW-Vorstandsmitglieder) ebenfalls einen Wochenlohn von fast 4.000 Dollar beziehen.
  • Der Direktor der UAW-Region 8, Mitchell Smith, der ebenfalls dem Verhandlungsteam bei Deere angehört, bezog im Jahr 2020 fast 190.000 Dollar. Diese Summe entspricht einem Wochenlohn von etwa 3.500 Dollar. Smith ist auch einer der Hauptverantwortlichen für den Ausverkauf bei Volvo Anfang des Jahres.

Die offiziell gemeldeten Einkommen der UAW-Vorstände und „internationalen Vertreter“ sind nur ein Teil der Privilegien und Reichtümer, die diese kleinbürgerlichen Schichten anhäufen. Laut dem Berichts des Arbeitsministeriums hat die UAW im Jahr 2020 Millionen für folgende Posten ausgegeben: 80.275.893 Dollar an Gehältern und finanziellen „Aufwendungen“ für die gut 600 Personen auf der landesweiten Gehaltsliste, 65.345.391 Dollar für neue Investitionen, 19.855 Dollar für den Ausbau des Golfplatzes Black Lake, 35.531 Dollar für Zimmer und Catering im Motor City Casino in Detroit und 27.997 Dollar für eine Konferenz im Sinatra Beach Resort in St. Petersburg (Florida). Das sind natürlich nur die offiziellen Ausgaben.

Derweil müssen die Arbeiter ihre Ersparnisse aufbrauchen oder Nebenjobs annehmen, um über die Runden zu kommen, was zu wachsender Empörung führt.

Der Deere-Arbeiter aus Waterloo fuhr fort: „Sie wollen uns aushungern, und das geht schneller, als ich dachte. Ehrlich gesagt, sind meiner Meinung nach zu viele kleine Fehler in diesem System, und die Kollegen machen alles andere als das glückliche Gesicht, das die Gewerkschaft für Facebook aufsetzt.“

Ein Deere-Arbeiter aus Moline (Illinois) erklärte: „Das Streikgeld wird erst ab 28. Oktober gezahlt. Es war schwer ohne Lohnscheck. Meine Situation unterscheidet sich vielleicht etwas von den anderen, weil ich einen regelmäßigen Nebenjob habe, weil sonst das Geld nicht reichen würde. Ich glaube, die UAW-Führung sollte selbst kein Geld mehr bekommen, bis die Arbeiter wieder bei der Arbeit sind.“

Ein anderer Deere-Arbeiter aus Waterloo äußerte sich zur früheren Korruption der UAW: „Ich zahle seit 17 Jahren Mitgliedsbeiträge. Ich weiß noch, wie sie sich aus der Streikkasse bedient haben, um Denis Williams' Eigentumswohnung am Black Lake zu zahlen! Jetzt sitzt er im Gefängnis.“

Die UAW will den Streik so schnell wie möglich beenden. Genau wie bei den streikenden Volvo-Arbeitern will die UAW den Arbeitern so wenig wie möglich zahlen, um sie dazu zu bringen, aus finanzieller Verzweiflung Zugeständnisse an die Wünsche der Deere-Aktionäre zu akzeptieren. Die Funktionäre hüllen sie sich den Arbeitern gegenüber in Schweigen darüber, was sie mit dem Unternehmen absprechen. Gleichzeitig isolieren sie den Streik von anderen Arbeitern der Auto- und Zuliefererindustrie wie z.B. bei Dana Inc.

Auch bei Dana, einem Autozulieferer, haben die Arbeiter Ende September und Anfang Oktober mit 90 Prozent gegen den ersten Ausverkauf der UAW und der United Steelworkers gestimmt. Die Gewerkschaften rufen sie aber nicht zum Streik auf, sondern lassen sie seit Wochen mit einem tageweise verlängerten Tarifvertrag weiterarbeiten. Jetzt versuchen die Gewerkschaften, einen weiteren Ausverkauf durchzusetzen, damit sich die Arbeiter bei Dana und Deere nicht zusammenschließen. Genau das müssen sie jedoch tun.

Die Arbeiter bei Deere kämpfen nicht nur gegen das Unternehmen, sondern auch gegen die UAW, die seit Langem als Instrument des Managements fungiert, immer neue Zugeständnisse durchsetzt und dem Unternehmen bei der Umsetzung des Lohnstufensystems sowie der beträchtlichen Senkung von Löhnen und Zusatzleistungen zur Seite steht.

Am ersten Streiktag bei Deere veröffentlichte das John Deere Rank-and-File Committee (Aktionskomitee) eine Erklärung, in der es die folgenden Forderung erhob:

Volles Einkommen für streikende Arbeiter: Die UAW-Vorstände haben kein Recht, uns die notwendigen Mittel zur Fortführung unseres Streiks vorzuenthalten. Es ist inakzeptabel, dass wir 275 pro Woche bekommen, während Hunderte von Bürokraten weiterhin sechsstellige Gehälter kassieren. Wer hat das Streikgeld so niedrig angesetzt? Sicherlich nicht die Belegschaft. Die Deere-Arbeiter müssen Streikgeld in Höhe des vollen Einkommens erhalten! Die Streikkasse wurde mit unseren Gebühren gefüllt und gehört rechtlich uns und den anderen Arbeitern.

Trotz der Versuche der UAW, die Streikenden bei Deere zu isolieren und unter beträchtlichen finanziellen Druck zu setzen, sind die Arbeiter weiterhin in kämpferischer Stimmung und entschlossen, ihre Forderungen gegen Deere durchzusetzen. Ein Arbeiter in Georgia erklärte: „Ich glaube, die meisten von uns haben die Nase voll und werden nicht nachgeben. Ich glaube, das dauert noch bis Thanksgiving. Angeblich verliert Deere täglich 30 Millionen Dollar durch den Streik. Wir werden nicht nachgeben.“

Der Streik bei Deere kann und muss gewonnen werden. Doch genau wie jeder ernsthafte Kampf erfordert er eine Strategie und Organisationen, um die notwendigen Mittel und Verstärkungen zu mobilisieren.

Streikkomitees müssen in allen Deere-Werken und Einrichtungen gegründet und mit dem Deere Workers Rank-and-File Committee verbunden werden, um Informationen auszutauschen, den Blackout der UAW zu durchbrechen und Unterstützung unter den Arbeitern in den USA und anderen Ländern zu mobilisieren. In Mannheim (Deutschland) haben Deere-Arbeiter ihre Solidarität mit ihren Kollegen in den USA erklärt, als sie von dem Streik hörten. Die Deere-Arbeiter müssen an andere Arbeiter bei Dana, Volvo, Caterpillar und der weltweiten Autoindustrie appellieren, um sich in einem gemeinsamen Kampf zu vereinen und in die Offensive zu gehen.

Um mehr über den Beitritt zum Aktionskomitee der John-Deere-Arbeiter zu erfahren, können sich Deere-Arbeiter per E-Mail an deerewrfc@gmail.com wenden oder eine SMS schicken: 001 (484) 514-9797.