Omikron-Variante könnte neue globale Welle der Corona-Pandemie auslösen

Am Freitag erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die von Wissenschaftlern entdeckte neue Covid-19-Variante Omikron, bzw. B.1.1.529, offiziell zur „besorgniserregenden Variante“ (Variant of Concern, VOC). Die Variante scheint aus dem südlichen Afrika zu stammen, wurde aber bereits in mehreren anderen Ländern entdeckt. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass eine ungewöhnliche Konstellation von Mutationen die Variante im Vergleich zur Delta-Variante noch deutlich infektiöser und möglicherweise impfstoffresistent macht.

Am Freitag erklärte die WHO: „Vorläufige Hinweise deuten auf ein erhöhtes Risiko einer Reinfektion mit dem Virus im Vergleich zu anderen VOC hin“, einschließlich der Delta-Variante. „Die Zahl der Fälle mit dieser Variante scheint in allen Provinzen Südafrikas anzusteigen.“

Die WHO erklärte, der erste bestätigte Infektionsfall mit der Omikron-Variante stamme von einer Probe, die am 9. November genommen wurde. Kaum mehr als zwei Wochen später war sie in Südafrika jedoch bereits der dominante Virenstamm geworden.

Der gleitende Sieben-Tage-Durchschnitt neuer Covid-Fälle in Südafrika ist innerhalb von zwei Wochen von 265 auf 1.043 pro Tag, d.h. um das Vierfache angestiegen. Am Freitag meldete das Land 2.465 Neuinfektionen. Von allen derzeit sequenzierten Covid-Fällen werden 75 Prozent auf die jüngste Variante zurückgeführt, und laut Prognosen werden es bald 100 Prozent sein. In der kleinen nordöstlichen, stark urbanisierten Provinz Gauteng, die weniger als zwei Prozent der Bodenfläche des Landes ausmacht, aber ein Viertel der Bevölkerung beherbergt, schießt die Zahl der Neuinfektionen in die Höhe.

Der Bioinformatiker Dr. Tulio de Oliveira von der Nelson R. Mandela School of Medicine, der auch Direktor des Centre for Epidemic Response and Innovation ist, erklärte, die Variante sei „aufgrund ihrer Mutationen wirklich beunruhigend“. Die neue Variante verfügt über mehr als 50 Mutationen, 32 davon am Spike-Protein, mit dem sich das Virus an menschliche Atemwegszellen bindet.

Dr. de Oliveira erklärte, viele dieser Mutationen stünden in Verbindung mit einer zunehmenden Antikörperresistenz. Daher steht zu befürchten, dass Impfstoffe und Therapeutika gegen die neue Variante weniger wirksam sein werden.

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten gab eine Warnung heraus, in der es zur Schwere der Bedrohung erklärte: „Angesichts seines Potenzials, die Immunabwehr zu umgehen, und seiner potenziell höheren Übertragbarkeit im Vergleich zu Delta stufen wir die Wahrscheinlichkeit weiterer Einschleppungen und Ausbreitungen [in Europa] als HOCH ein. ... In einer Situation, in der die Delta-Variante [in Europa] einen Aufschwung erlebt, könnte die Einschleppung und mögliche weitere Verbreitung von Omikron SCHWERWIEGENDE Auswirkungen haben.“

Laut Dr. Yaneer Bar-Yam, einem Physiker für komplexe Systeme, der seit fast zwei Jahrzehnten Pandemien studiert, deuten die aktuellen groben Schätzungen darauf hin, dass die Omikron-Variante sechsmal leichter übertragbar ist als die ursprüngliche Variante und doppelt so leicht übertragbar wie die Delta-Variante. Bar-Yam schätzt außerdem, dass die Sterblichkeitsrate bei Omikron achtmal höher liegt als bei der ursprünglichen Variante.

Dr. Anthony Leonardi, ein auf T-Zellen spezialisierter Immunologe, erklärte gegenüber der World Socialist Web Site: „[Die Omikron-Variante] ist vermutlich überall und hat jetzt ein riesiges Potenzial zu mutieren. Weil sie sich schneller ausbreitet als Delta, wird sie noch mehr Infektionen verursachen. Deshalb wird sie sich noch schneller entwickeln als Delta.“

Bis Freitag wurden in Hongkong, Israel und Belgien bereits mit der neuen Variante infizierte Patienten entdeckt, d.h. die aktuelle Iteration des Virus hat sich bereits global ausgebreitet. Einer der Infizierten in Israel kam aus Malawi zurück, war vollständig geimpft und hatte vor zwei Monaten eine Booster-Impfung erhalten. Zwei weitere befinden sich ebenfalls in Quarantäne und werden weiter getestet.

Die junge Ungeimpfte, die in Belgien identifiziert wurde, befand sich auf einer Reise über die Türkei nach Ägypten und hatte keine Kontakte nach Südafrika.

Am Samstag wurden in Deutschland die ersten beiden Infektionen mit der Omikron-Variante bestätigt. Es handelt sich um ein Ehepaar, das am 24. November aus Südafrika nach München zurückgereist war.

Die europäischen Regierungen und die USA beeilten sich, Einschränkungen des Reiseverkehrs für Länder des südlichen Afrikas anzukündigen. Am Freitagmorgen twitterte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen: „Die EU-Kommission wird in enger Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten vorschlagen, die Notbremse zu aktivieren, um den Flugverkehr aus dem südlichen Afrika aufgrund der besorgniserregenden Variante B.1.1.529 einzustellen.“

Dr. Anthony Fauci, der Pandemie-Chefberater von US-Präsident Joe Biden, versicherte der amerikanischen Bevölkerung, es gäbe „keine Hinweise“ darauf, dass die Omikron-Variante bereits in den USA angekommen sei. Hierbei handelt es sich jedoch nur um einen Versuch, die Wut und Unruhe der Bevölkerung zu beschwichtigen, während die Biden-Regierung ihre Reaktion ausarbeitet.

Genau wie die EU verhängte auch die Biden-Regierung am Freitagnachmittag Einschränkungen des Flugverkehrs aus den südafrikanischen Staaten. Biden erklärte dazu: „Als Vorsichtsmaßnahme, bis wir über weitere Informationen verfügen, ordne ich zusätzliche Einschränkungen des Flugverkehrs von Südafrika und sieben weiteren Staaten an, die ab Montag in Kraft treten.“

Die Einschränkungen des Reiseverkehrs sind jedoch nur provisorische Sofortmaßnahmen und kommen zu spät, um die weltweite Ausbreitung der Variante zu verhindern. Die Aufhebung aller Einschränkungen bei der Bekämpfung des Virus in den USA und in den wichtigsten europäischen Staaten – darunter die Wiederöffnung von Schulen und Betrieben – sorgt dafür, dass sich die Variante rapide ausbreitet, falls sie bereits eingeschleppt wurde.

Noch bevor die Entdeckung des neuen Virenstamms verkündet wurde, ist die Zahl der Covid-19-Fälle weltweit stark angestiegen, vor allem in Europa und den USA. Dort beginnt jetzt der Winter, in dem die Infektionsraten normalerweise ohnehin steigen.

Biden rief die Bevölkerung auf, sich impfen zu lassen oder ihre Impfung aufzufrischen: „Wenn Sie noch nicht geimpft sind oder Ihre Kinder noch nicht haben impfen lassen, dann ist jetzt die Zeit dafür.“

Impfungen sind zwar ein wichtiges Werkzeug bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, doch wie Wissenschaftler gewarnt haben, ist sie keine „Wunderwaffe“ zur Beendigung der Pandemie. Lockdowns, in Verbindung mit einem robusten Test-, Kontaktnachverfolgungs- und Quarantäneprogramm, sind von entscheidender Bedeutung bei der Kontrolle der Ausbreitung der Krankheit. Wissenschaftler haben wiederholt gewarnt, dass eine weltweite Verbreitung des Virus zu neuen und noch infektiöseren Varianten wie Omikron führen wird. Diese könnten die Immunität umgehen, für die Impfstoffe sorgen.

Biden hat die vollständige Öffnung von Schulen und Betrieben – bevor das Virus unter Kontrolle gebracht wurde und während Millionen Kinder ungeimpft sind – zu einem zentralen Element seiner Regierung gemacht. Unter Bidens Regierung haben die Gouverneure der Bundesstaaten fast alle Mitigationsmaßnahmen wie bundesstaatsweite Maskenpflicht aufgegeben, obwohl sich in den USA weiterhin jeden Tag bis zu 100.000 Menschen infizieren und mehr als 1.000 Menschen an Covid-19 sterben.

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