Frankreich

Höchste Zahl an Todesfällen durch Covid-19 seit letztem Winter

In der vergangenen Woche wurden in Frankreich an zwei Tagen mehr als 650 Todesfälle wegen Covid-19 registriert. Am 8. Februar wurden 691 Todesfälle gemeldet, am 10. Februar weitere 655 Covid-Opfer. Der 7-Tage-Durchschnitt von täglichen 324 Todesfällen ist der höchste Stand seit dem 1. April 2021. Damals waren nur 4,4 Prozent der französischen Bevölkerung vollständig gegen das Virus geimpft, während es heute über 77 Prozent sind.

Obwohl die Zahl der Todesfälle so hoch ist wie seit fast einem Jahr nicht mehr und zu den höchsten während der gesamten Pandemie gehört, ist dies den großen französischen Zeitungen oder der Regierung keine Erwähnung wert.

Lehrkräfte versammeln sich am Donnerstag, 13. Januar 2022 zu einer Demonstration in Lille, Nordfrankreich. In einem landesweiten Streik bringen sie ihre Wut über den Umgang der Regierung mit dem Virus in den Schulen zum Ausdruck. (AP Photo/Michel Spingler)

Der Anstieg der Todesfälle im Land erfolgt nach fünf aufeinanderfolgenden Wochen, in denen die Zahl der täglichen Neuinfektionen im Durchschnitt über 100.000 lag. Auch wenn die durchschnittliche Zahl der Neuinfektionen seit dem Höchststand von 365.000 am 26. Januar zurückgegangen ist, liegt der 7-Tage-Durchschnitt immer noch über 100.000. Seit dem Auftreten der Omikron-Variante in Frankreich am 31. Dezember 2021 haben sich 11,5 Millionen Menschen im Land infiziert. Das bedeutet, dass es in etwas mehr als einem Monat in Frankreich mehr Infektionen gab als während der gesamten vorherigen Zeit der Pandemie.

Unter Hinweis auf den Rückgang der Fälle will die Regierung Macron alle Maßnahmen gegen Covid-19 aufheben, wie dies bereits in Dänemark und Großbritannien geschehen ist. Ab dem 28. Februar herrscht keine Maskenpflicht mehr in den meisten Innenräumen. Am 12. Februar wurde auch die Verpflichtung zur Vorlage eines negativen Testergebnisses bei der Einreise nach Frankreich für geimpfte Reisende aufgehoben.

Nach Angaben des stellvertretenden Verkehrsministers Jean Baptiste Djebbari soll auf der Sitzung des Krisenstabs in dieser Woche die Aufhebung der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln erörtert werden.

Die explosionsartige Zunahme der Neuinfektionen seit Mitte Dezember zeigt, dass die von der französischen Regierung getroffenen Gesundheitsmaßnahmen nie ausreichten, um die Bevölkerung zu schützen. Das Ende selbst der minimalen öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen wird jedoch dazu führen, dass sich das Virus weiter in der Bevölkerung ausbreitet und sich weitere Mutationen und Omikron-Varianten durchsetzen, die jetzt schon in Frankreich, Europa und international nachgewiesen werden.

Abgesehen von den derzeitigen Todesfällen ist eine derart hohe Infektionsrate eine Katastrophe für Millionen von Menschen, die mit den Langzeitfolgen von Covid-19 leben müssen. Die Erfahrungen der an Long Covid Erkrankten aus der ersten Welle der Pandemie zeigen, dass Millionen zumindest unter Kurzatmigkeit, Konzentrationsschwäche und Erschöpfung leiden werden.

Tragischerweise werden tausende Menschen, die eine akute Erkrankung mit ersten Symptome von Covid-19 überlebt haben, im kommenden Jahr einen vorzeitigen Tod sterben. Tödliche Krankheiten treten häufiger bei Personen auf, die eine Covid-19-Infektion in den letzten 12 Monaten überlebt haben. Eine kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass bei Personen mit einer bestätigten Covid-19-Infektion die Wahrscheinlichkeit, in den 12 Monaten nach der Infektion eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden, um 63 Prozent erhöht war.

Zwar schaffen derart hohe Infektionsraten einen begrenzten „natürlichen“ Schutz gegen das Virus, doch wird dieser Effekt durch die Kosten der Masseninfektionspolitik bei weitem aufgewogen. Allein in den letzten zwei Monaten gab es in Frankreich 15.000 vermeidbare Todesfälle, zusätzlich zu den Millionen Menschen, die unter den Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion leiden.

Außerdem wird der gewonnene „Schutz“ die Bevölkerung nicht vor weiteren Wellen durch neuere Varianten schützen. Die massiven Infektionsraten in Frankreich und weltweit bringen eine hohe Mutationsrate des Virus mit sich. Neuere Varianten, die sowohl die natürliche als auch die durch die Impfung hervorgerufene Immunität wirksamer umgehen als Omikron, werden sich unweigerlich in der gesamten Bevölkerung ausbreiten und den erreichten Schutz unterminieren.

Ungeimpfte Schulkinder sind durch langfristige Folgen des Virus besonders gefährdet. Sie sind die am wenigsten geimpfte Gruppe in der Gesellschaft und haben die Hauptlast der jüngsten Welle zu tragen. Den jüngsten Daten der französischen Gesundheitsbehörde zufolge lag der Inzidenzwert in der Woche ab dem 31. Januar bei den 10- bis 19-Jährigen bei 3.954 pro 100.000 (der höchste aller Altersgruppen) und bei den 0- bis 9-Jährigen bei 2.707. Mehr als 90 Prozent der französischen Kinder unter 12 Jahren sind nach wie vor ungeschützt, obwohl die Kinderimpfungen Anfang Dezember 2021 begonnen haben.

Dennoch ist die Regierung Macron entschlossen, die letzten Covid-19-Maßnahmen an den Schulen abzuschaffen. Ab dem 21. Februar wird eine neue Covid-19-Verordnung in Kraft treten.

Nun müssen Kinder und das Schulpersonal schon ab dem zweiten Tag der Quarantäne nur noch einen negativen Selbsttest vorweisen, um in die Schule zurückzukehren. Auch müssen die Eltern nicht mehr versichern, dass ihr Kind überhaupt einen Test gemacht hat. Der Rückgriff auf einzelne Selbsttests, die bekanntermaßen unzuverlässig und für die Nachverfolgung von Infektionen ungeeignet sind, sowie die faktische Abschaffung der Testvorschriften bedeuten, dass in den französischen Klassenzimmern künftig eine noch größere Zahl von Kindern sitzt, die mit Covid-19 infiziert sind.

Macron kann diese schlimme Politik in den Schulen nur dank der kriminellen Rolle der sogenannten Lehrergewerkschaften durchsetzen. Während der gesamten Pandemie fungierten sie als Polizei und isolierten jeden Widerstand von einfachen Lehrern, während sie jede Verschärfung der Herdenimmunitätspolitik der Regierung an den Schulen und Universitäten durchsetzten. Die jüngste Verordnung wurde von Bildungsminister Jean-Michel Blanquer erst verkündet, nachdem sie von den Lehrergewerkschaften auf einer Klausurtagung am 8. Februar für gut befunden worden war.

Allein in den letzten zwei Monaten haben sich Hunderttausende von französischen Kindern mit Covid-19 infiziert. Eine ganze Generation ist dazu verdammt, mit den Langzeitfolgen eines Virus zu kämpfen, das lebenswichtige Organe schädigt. Vorläufige Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine Covid-19-Infektion das Diabetesrisiko bei Kindern erhöht. Das wahre Ausmaß dieser Langzeitfolgen wird sich erst im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zeigen.

Die von der Regierung Macron und ihren Amtskollegen in ganz Europa betriebene Masseninfektionspolitik wird als großes soziales Verbrechen in die Geschichte eingehen.

Während des größten Teils der Pandemie verfolgten die Regierungen in ganz Europa eine Eindämmungsstrategie, beschrieben von der WSWS als „eine amorphe Ansammlung von Maßnahmen, die versuchen, zwischen der Wirklichkeit des Virus und den finanziellen Interessen der herrschenden Eliten zu vermitteln“. Unter der falschen Behauptung, die Omikron-Variante sei „milder“, wurde in den letzten zwei Monaten eine offene Politik der Herdenimmunität betrieben.

Frankreich ist eines der extremsten Beispiele für die Folgen dieses Wandels, da die Regierung keinen Finger rührte, als die täglichen Fallzahlen auf 500.000 anstiegen. Die Zahl der Infektionen war so hoch, dass selbst in der stark geimpften Bevölkerung schwere Erkrankungen und Todesfälle in einem Ausmaß auftraten, wie es vor der Massenimpfung nicht möglich war.

Die herrschende Klasse in Frankreich und Europa will selbst begrenzte Gesundheitsmaßnahmen vermeiden. Von nun an wollen sie angesichts neuer Wellen und gefährlicherer Varianten kein Hindernis mehr dulden, um ihren Profit zu realisieren.

Die herrschende Klasse Frankreichs hat geschlossen auf den von Faschisten organisierten und geführten „Freiheitskonvoi“ reagiert, der am Samstag versucht hat, Paris zu besetzen. Obwohl die Pariser Polizei diese kleine Bewegung leicht unterdrücken konnte, wurden ihre Forderungen nach Beendigung der Maßnahmen gegen Covid-19 von allen Teilen der herrschenden Klasse und ihren Vertretern, vom faschistischen Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour bis zum pseudolinken Kandidaten Jean Luc Mélenchon, wohlwollend aufgenommen. Macron selbst bezeichnete ihre Forderungen nach einer Politik der Masseninfektion als „legitim“.

Die Arbeiterklasse in Frankreich und in ganz Europa darf nicht Welle um Welle und Jahr um Jahr des Massensterbens hinnehmen. Das Scheitern der von der europäischen herrschenden Klasse verfolgten Eindämmungsstrategie unterstreicht die dringende Notwendigkeit, in ganz Frankreich und international Arbeiterkomitees aufzubauen, die für die Umsetzung einer wissenschaftlichen Politik zur Ausrottung des Virus und zur Rettung von Millionen von Menschenleben kämpfen. Dies erfordert einen Frontalangriff auf die Privilegien der Kapitalistenklasse und einen Bruch mit ihren politischen Dienern in den Gewerkschaften und unter den Pseudolinken.

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