Mörderische Verantwortungslosigkeit – die Corona-Politik der Bundesregierung

Jeden Tag sterben in Deutschland 200 bis 300 Menschen an Covid-19. Die Zahl der täglich registrierten Neuinfektionen liegt bei 300.000. Laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist die wirkliche Zahl doppelt so hoch. Seit Beginn der Pandemie hat das Robert Koch-Institut 20 Millionen Infektionen verzeichnet. Der traurige Rekord wird am heutigen Samstag erreicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (Bild: DBT/Tobias Koch)

Zwei Drittel dieser Infektionen fallen in die Amtszeit der Ampelkoalition. Seit SPD, Grüne und FDP am 8. Dezember 2021 die Regierung übernahmen, haben sich 13 Millionen Menschen angesteckt, doppelt so viele wie seit Beginn der Pandemie. Auch ein Fünftel der insgesamt 128.000 Todesopfer fallen unter die Verantwortung der neuen Regierung.

Und was unternimmt sie, um die Katastrophe einzudämmen? Sie schafft sämtliche Schutzmaßnahmen ab. Wie ein Feuerwehrmann, der einen Brand mit Benzin statt mit Wasser löscht, facht sie die Pandemie zusätzlich an.

Letzte Woche verabschiedete die Ampel das neue Infektionsschutzgesetz, das eigentlich Durchseuchungsgesetz heißen müsste. Es schafft fast alle bisherigen Schutzmaßnahmen ab und delegiert die Verantwortung an die Länder. Diese dürfen in „Hotspots“ Maskenpflicht, Distanzregeln und ähnliche Maßnahmen einführen, die weit hinter den bisherigen zurückbleiben. An die Stelle der Zersplitterung in Länder tritt die Zersplitterung in Landkreise.

Die Auftritte von Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) nehmen zunehmend schizophrene Züge an. Am gestrigen Freitag trat er, flankiert von RKI-Chef Lothar Wieler und der Vorsitzenden des Marburger Bunds Susanne Johna, vor die Bundespressekonferenz und schlug Alarm.

Es sei leider keine gute Situation, klagte Lauterbach. Man könne keine 300 Tote am Tag tolerieren und müsse unmittelbar und schnell reagieren. Da dem Bund die Hände gebunden seien, appellierte er an die Länder, etwas zu tun. Nur darauf zu hoffen, dass mit dem besseren Wetter auch die Inzidenzen fallen, reiche nicht. Dabei ist Lauterbach selbst für das Gesetz verantwortlich, das dem Bund die Hände bindet und den Ländern alle wirksamen Instrumente wegnimmt.

Auch RKI-Chef Wieler betonte die Dramatik der Lage. Innerhalb einer Woche seien drei Prozent der Bevölkerung positiv getestet worden. Über vier Millionen seien aktuell infiziert, was die Ansteckungsgefahr erhöhe. Die Pandemie sei längst nicht vorbei. „Diese Welle wird nicht die letzte Welle sein,“ warnte er.

Ärztevertreterin Johna schilderte die katastrophale Lage in den Krankenhäusern, von denen Dreiviertel ihre Angebote hätten einschränken müssen. Grund sind die aufwendige Versorgung von Corona-Patienten und der hohe Ausfall von Ärzten und Pflegepersonal, die an Covid-19 erkrankt sind oder wegen der unerträglichen Belastung gekündigt haben.

Alle drei waren sich einig, dass man die Impfquote erhöhen müsse. Aber von der Impfkampagne, welche die Ampel bei der Amtsübernahme groß angekündigt hat, ist nichts übriggeblieben. Allein von den besonders gefährdeten über 60-Jährigen sind 2,2 Millionen nicht geimpft. Die geplante Impfpflicht wird in endlosen Debatten in Parlamentsausschüssen zerredet und wird wahrscheinlich nie in Kraft treten.

Hinter der Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung steckt System. Sie ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern kennzeichnet die Corona-Politik fast aller Regierungen der Welt mit Ausnahme Chinas. Sie haben jede Verantwortung für die Gesundheit und das Leben der eigenen Bevölkerung aufgegeben, obwohl die sozialen und gesundheitlichen Folgen der Pandemie verheerend sind.

In den ersten zwei Jahren sind, unter Berücksichtigung der Übersterblichkeit, weltweit 18 Millionen Menschen an den Folgen der Pandemie gestorben. Das entspricht etwa der Zahl der Soldaten und Zivilisten, die in den vier Jahren des Ersten Weltkriegs als Folge von Kriegshandlungen ums Leben kamen. Die meisten dieser Todesfälle hätte mit einer konsequenten Anti-Covid-Strategie vermieden werden können. Hinter jedem stehen weitere Menschen, die einen Angehörigen, einen Freund, einen Ernährer oder ein Kind verloren haben.

Über die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen von Long Covid gibt es noch keine verlässlichen Statistiken. Aber zahlreiche Studien zeigen, dass sie völlig unterschätzt werden. Die WSWS hat immer wieder vor dieser Gefahr gewarnt und mit renommierten Wissenschaftlern darüber gesprochen.

Ein Artikel, der am 8. März im Wissenschaftsteil der FAZ erschien und eine Übersicht über den aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand gibt, gelangt zum Schluss: „Inzwischen ist klar: Long Covid oder – wie es medizinisch oft auch genannt wird – ‚Post-Covid‘, ist bei aller Schwierigkeit, die Krankheit genau zu definieren und die Dutzenden von möglichen Symptomen sowie die Heterogenität der Leidensdauer einzugrenzen, geradezu ein massenhaftes Erbe der Corona-Infektionswellen.“

Laut einer dänischen Studie, die sich auf 150.000 Befragte stützte, klagte „mehr als ein Drittel der Infizierten noch ein halbes bis zu einem Jahr nach einer Infektion über mindestens ein Covid-Problem, die Hälfte von ihnen gab Erschöpfung, andauernde Gedächtnisprobleme an und/oder größte Schwierigkeiten, sich konzentrieren zu können. Auch Mattheit, Ängste und andere psychische Probleme sind offenbar besonders hartnäckig.“

Medizinische Studien ergaben, dass selbst schwache Corona-Infektionen zu einer Reduzierung der Dichte der grauen Hirnmasse, zu schweren Herz- und Kreislauferkrankungen und zu einer Schwächung des Immunsystems führen können. Auch Kinder sind davon betroffen. Kardiovaskuläre Leiden wie Herzinfarkte, Herzentzündungen, Schlaganfälle, Lungenembolien und Beinvenenthrombosen traten oft Monate nach der Corona-Infektion auf.

Ein Gesellschaftssystem, dessen Regierung weder bereit noch fähig ist, das Leben und die Gesundheit seiner Bevölkerung zu schützen, hat jede Existenzberechtigung verloren. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der tiefen, globalen Krise des Kapitalismus und der verantwortungslosen Coronapolitik der Regierung.

Die soziale Ungleichheit, die seit Jahrzehnten zunimmt, hat sich in der Pandemie rasant verschärft. Während sich – in den Worten des britischen Premiers Boris Johnson – „die Leichen auf der Straße türmen“, erreichen die Börsenkurse neue Höchstwerte. Die Banken der Wall Street erzielten in den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres Rekordprofite in Höhe von 45 Milliarden Dollar. Die 180.000 Beschäftigten der Branche erhalten einen durchschnittlichen Jahresbonus von 257.500 Dollar, während ein großer Teil der amerikanischen Arbeiterklasse in Armut versinkt.

In Deutschland und anderen kapitalistischen Ländern ist die Lage nicht anders. Die Bereicherungsorgie einer kleinen Minderheit wird durch die Zentralbanken in Gang gehalten, die in Form von Anleihekäufen und zinslosen Krediten gewaltige Summen in die Wirtschaft pumpen. Diese Spekulationsblase droht zu platzen, wenn die Ausbeutung der Arbeiterklasse nicht ständig verschärft wird. Das ist der Hauptgrund für die Aufhebung aller Corona-Schutzmaßnahmen. Profite haben Vorrang vor Menschenleben.

Der Ukrainekrieg hat die Krise der kapitalistischen Gesellschaft weiter verschärft. Anders als in den Medien dargestellt, ist die Hauptursache dieses Kriegs nicht der reaktionäre Angriff Russlands auf die Ukraine. Er wurde durch die Ausdehnung der Nato nach Osten systematisch vorbereitet und gezielt provoziert.

Titelbild des Handelsblatts vom 25.3.22

Ziel der Nato ist nicht nur die Integration der Ukraine, sondern ein Regimewechsel in Moskau und die Unterwerfung Russlands und Chinas sowie die Kontrolle über ihre reichen Bodenschätze. Die Wochenendausgabe des Handelsblatts erschien mit einem Bild Putins und des chinesischen Staatschefs Xi im Fadenkreuz. Darunter steht die Schlagzeile: „Der große Kampf um die Rohstoffe.“ Weiter heißt es: „Der Krieg zeigt die Abhängigkeit von wenigen Förderländern. Das ist nur der Anfang: China errichtet Monopole auf alle wichtigen Stoffe – auf Kosten der deutschen Wirtschaft.“

Der Krieg dient als Vorwand für eine gewaltige Aufrüstungsoffensive. Der deutsche Militärhaushalt verdreifacht sich in diesem Jahr von 50 auf 150 Milliarden Euro. Die Kosten werden der Arbeiterklasse aufgebürdet.

Der Kriegskurs wird, ebenso wie die rücksichtslose Coronapolitik, von allen Parteien unterstützt – von der AfD bis hin zur Linken. Die Forderungen der rechtsextremen Coronaleugner und Impfgegner, die im vergangenen Jahr auf den Straßen pöbelten, bilden jetzt die Grundlage des Regierungshandelns.

Die Offensive gegen Russland ist von derselben Verachtung für Menschenleben geprägt, wie die Coronapolitik. In Politik und Medien wird ganz offen über das Für und Wider eines Nuklearkriegs diskutiert, der das Ende der Menschheit bedeuten würde.

Typisch ist ein Kommentar des FAZ-Herausgebers Berthold Kohler. Er schreibt, die Sorgen, „dass Putin biologische, chemische oder gar atomare Sprengköpfe einsetzen könnte,“ seien „nicht unberechtigt“. Trotzdem lehnt er jedes Entgegenkommen und jede diplomatische Lösung ab. „Selbst wenn Russland sofort aus der Ukraine abzöge, gäbe es für den Westen kein Zurück zum Verhältnis vor dem Krieg, weder politisch noch wirtschaftlich.“

Man muss die Gefahr eines atomaren Weltkriegs ernst nehmen. Konfrontiert mit einer globalen Krise ihres kapitalistischen Systems und heftigen Klassenspannungen – einer „Zeitenwende“, wie es Bundeskanzler Olaf Scholz nennt –, greift die herrschende Klasse wieder zu Krieg und autoritären Herrschaftsformen. Sie hat bereits vor achtzig Jahren bewiesen, zu welchen Verzweiflungstaten und Verbrechen sie dabei fähig ist.

Es ist völlig nutzlos, unter diesen Bedingungen an die Herrschenden und ihre Parteien zu appellieren. Der Kampf gegen Covid, gegen Krieg und gegen Sozial- und Lohnabbau fallen notgedrungen zusammen. Sie erfordern den Aufbau einer unabhängigen Bewegung der internationalen Arbeiterklasse, die für ein sozialistisches Programm kämpft.

Loading