Sri-lankischer Premierminister droht der Arbeiterklasse

Am Montagabend hielt der sri-lankische Premierminister Mahinda Rajapaksa eine Rede an die Nation, in der er die Verantwortung der Regierung für die wirtschaftliche und soziale Krise des Landes leugnete. An die arbeitende Bevölkerung, die den Rücktritt seines Bruders, Präsident Gotabhaya Rajapaksa, und dessen Regierung fordert, richtete er eine bedrohliche Warnung.

Die kurzfristig anberaumte Rede wurde auf dem Fernsehsender Derana TV übertragen. Zuvor hatten 41 Abgeordnete erklärt, sie würden ihr Mandat künftig unabhängig von der Regierung ausüben, sodass die Regierung nur noch über eine hauchdünne Mehrheit im Parlament verfügt und ums Überleben kämpft.

Hunderttausende beteiligen sich weiterhin an landesweiten Protesten für den Rücktritt des Präsidenten und seiner Regierung. Angesichts der rasant steigenden Inflation, der Knappheit an Grundnahrungsmitteln und Treibstoff sowie den ständigen Stromausfällen wächst in der Bevölkerung die Unterstützung für die Proteste weiter an.

Der Premierminister erklärte zynisch, er verstehe „die Müdigkeit der Bevölkerung“, die ständig in langen Schlangen stehen muss, und „das Leid der Menschen angesichts der sprunghaft steigenden Warenpreise“. Doch in Wirklichkeit zielte seine Rede darauf ab, die anhaltenden Proteste als Gefahr für die Demokratie zu verurteilen und ihre sofortige Einstellung zu fordern.

Der sri-lankische Premierminister Mahinda Rajapaksa (Wikimedia Commons)

Rajapaksa erklärte: „In den Straßen ist heute überall der Ruf ,Nein zu den 225 im Parlament‘ zu hören. Das bedeutet unmittelbar eine Ablehnung dieses demokratischen Systems. Es mag zwar gut klingen, aber ich möchte Sie eindringlich dazu auffordern, von einer historischen Perspektive aus zu verstehen, wie gefährlich sie ist.“

Von welcher Demokratie redet Rajapaksa? Massen von Menschen, die Wut und Verzweiflung auf die Straßen getrieben haben, üben ihr demokratisches Grundrecht aus, die 225 Abgeordneten von Regierung und Opposition abzulehnen. Alle diese eigennützigen kapitalistischen Politiker sind verantwortlich für die jahrzehntelangen Angriffe auf die soziale Lage und die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse.

Der Präsident und das Parlament haben einen Angriff auf demokratische Rechte nach dem anderen organisiert. Die derzeitige Regierung hat den Essential Public Services Act benutzt, um Arbeitskämpfe für höhere Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen zu kriminalisieren. Ihre Polizei ist mit Tränengas und Knüppeln gegen Schüler und Studenten vorgegangen, die gegen Einschränkungen des kostenlosen Zugangs zu Bildung protestiert haben.

Die Meinungsfreiheit wird ständig durch die Verhaftung von regierungskritischen Journalisten bedroht. Gleichzeitig hat das Rajapaksa-Regime den drakonischen Prevention of Terrorism Act benutzt, um hunderte von Tamilen und Muslimen zu verhaften. Um die Arbeiterklasse zu spalten, schürt es zudem reaktionären singhalesischen Chauvinismus.

Dass sich der Premierminister auf die Geschichte beruft, ist eine unverhohlene Warnung: Die Regierung ist bereit, noch viel weiter zu gehen als die sri-lankische Regierungen in der Vergangenheit und eine brutale Terrorkampagne gegen die Massenproteste zu entfesseln.

Rajapaksa erwähnte insbesondere die regierungsfeindliche Bewegung, die Ende der 1980er Jahre im Süden der Insel unter arbeitslosen singhalesischen Jugendlichen entstanden war. Das Regime von Präsident J.R. Jayawardene nutzte die mörderischen Angriffe der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) auf politische Gegner und Arbeiter als Vorwand, um vom Militär finanzierte Todesschwadronen zu entfesseln und die Unruhen niederzuschlagen. Die Einheiten massakrierten schätzungsweise 60.000 Jugendliche aus der Landbevölkerung. Ihre verbrannten Leichen wurden auf den Straßen liegen gelassen, um in der Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten.

Der Premierminister erwähnte auch die Entstehung der separatistischen Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) im Norden der Insel, ein Prozess, der in einen 26 Jahre andauernden kommunalistischen Bürgerkrieg mündete. Nur aufgrund der tiefsitzenden Frustration über die undemokratische und diskriminierende Politik gegenüber den Tamilen und den wiederholten Pogromen singhalesischer chauvinistischer Schläger schlossen sich tamilische Jugendliche der LTTE und anderen bewaffneten Tamilenorganisationen an. Aufeinanderfolgende Regierungen von Colombo führten daraufhin einen blutigen Krieg, der hunderttausende Todesopfer forderte.

Mahinda Rajapaksa und sein Bruder Gotabhaya waren als Präsident bzw. Verteidigungsminister im Jahr 2009 für die brutalen Militäroffensiven verantwortlich, bei denen zehntausende von tamilischen Zivilisten massakriert und hunderttausende in Internierungslagern unter der Kontrolle des Militärs zusammengetrieben wurden.

Der Premierminister rief das Fernsehpublikum auf, „sorgfältig darüber nachzudenken und unsere Nation davor zu bewahren, durch ein solches Verhalten wieder in eine so dunkle Zeit unserer Geschichte zurückzufallen“. Das ist eine bedrohliche Warnung, zumal sie von einem Mann kommt, der nicht nur das Blut von Teilnehmern der Proteste an seinen Händen hat, sondern auch das Blut der Arbeiterklasse und der Landbevölkerung insgesamt.

Rajapaksa machte die Demonstranten auch für die Verschärfung der Wirtschaftskrise verantwortlich: „In jeder Sekunde, in der Sie auf der Straße protestieren, verliert unser Land weitere Gelegenheiten, Dollar zu erhalten.“

Von welchen Dollar spricht Rajapaksa? Sicherlich nicht vom Geld der Arbeiter und der Armen, die jeden Tag verzweifelt ums Überleben kämpfen. Viele von ihnen stehen am Rande der Hungersnot oder hungern bereits, da sie nicht das Geld für Grundnahrungsmittel haben – ganz zu schweigen von Medikamenten oder anderen lebenswichtigen Grundgütern.

Nein, der Premierminister sprach vielmehr von der Wirtschafts- und Finanzelite – den Börsenspekulanten, Unternehmern und Chefs der Konzerne –, die von der Wirtschaftskrise getroffen wurde. Es handelt sich um die gleichen Schichten, deren Reichtum während der Pandemie stark angestiegen ist, während sich Covid-19 aufgrund der kriminellen Reaktion der Regierung ungehindert in der Bevölkerung ausbreiten konnte. Das Rajapaksa-Regime hat sie mit großzügigen Steuersenkungen und Rettungspaketen bedacht, finanziert durch das Drucken von Geld, um die Wirtschaft zu stimulieren, während die Arbeiter unter gesundheitlich unsicheren Bedingungen weiterarbeiten mussten.

Im Januar erreichten die Kurse an der sri-lankischen Börse mit 13.500 Punkten einen Höchstwert, die Spekulanten konnten Vermögen kassieren. Die neun größten Unternehmen konnten zwischen April und Juni letzten Jahres Einnahmen in Höhe von 364 Milliarden Rupien (damals 1,65 Milliarden Euro) erzielen und im ersten Quartal 21 Milliarden Rupien Profit einstreichen.

Neben den Demonstranten machte der Premierminister auch die Pandemie für die Lage verantwortlich und log, die Regierung habe die Bevölkerung beschützt. Er beklagte außerdem die globale Wirtschaftslage, die die Deviseneinnahmen verringert habe. Mit anderen Worten: Alles und jeder andere außer der Regierung ist verantwortlich.

Es stimmt zwar, dass die globale Wirtschaftskrise Sri Lanka schwer getroffen hat, doch die Regierung ist eindeutig dafür verantwortlich, dass die arbeitende Bevölkerung die Hauptlast trägt, während sie die Profite der Unternehmen und den Reichtum der Superreichen geschützt hat.

Die Regierung bereitet jetzt weitere Kürzungen vor, da sie den Internationalen Währungsfonds um Notfallkredite anbetteln muss. Letzte Woche hatte der neu ernannte Notenbankgouverneur erklärt, zur Umsetzung der vom IWF geforderten Austeritätspolitik sei „politische und soziale Stabilität“ erforderlich. Diese Maßnahmen werden jedoch zu noch höheren Preisen, höheren Steuern, mehr Engpässen und massivem Stellenabbau führen, da Staatsunternehmen auf Profitabilität ausgerichtet und privatisiert werden.

Mahinda Rajapaksa machte unmissverständlich deutlich, wie für „politische und soziale Stabilität“ gesorgt werden wird, wenn die Demonstranten seine Warnungen nicht beachten. Die Reaktion beginnt bereits, ihr hässliches Haupt zu erheben, in Form von Drohungen mit brutaler staatlicher Unterdrückung der Massen, die für ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte protestieren.

Als Präsident Gotabhaya Rajapaksa am letzten Wochenende eine Ausgangssperre verhängte und vom 2. bis zum 3. April Militär und Polizei mobilisierte, widersetzten sich die Demonstranten der Drohung, und die Regierung machte einen Rückzieher – zumindest vorläufig. Doch wie die Socialist Equality Party (SEP) in einer Erklärung vom 7. April warnte, spielt sie nur auf Zeit. Der Premierminister droht jetzt mit viel umfangreicheren und gewaltsameren staatlichen Unterdrückungsmaßnahmen.

Die Arbeiterklasse braucht ihre eigenen demokratischen Organisationen, um für demokratische und soziale Grundrechte zu kämpfen. Die SEP ruft zur Gründung von demokratisch gewählten Aktionskomitees in allen Betrieben, Fabriken und Arbeitervierteln auf, die unabhängig von den Gewerkschaften und allen kapitalistischen Parteien agieren.

Die Gewerkschaften sind das größte Hindernis bei der Mobilisierung der Arbeiterklasse. In den letzten zwei Jahren haben sie alle Kämpfe der Arbeiter unter dem Vorwand verraten, das Land befinde sich in einer Krise. Letzte Woche haben die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes einen eintägigen Streik organisiert, um Dampf abzulassen. Die Gewerkschaftsführer erklärten, sie seien für eine Regierung, „der man vertrauen kann, und die auf der Grundlage des Parlaments regiert“ – d.h. eine weitere kapitalistische Regierung der 225 Abgeordneten.

Die SEP tritt für ein sozialistisches Aktionsprogramm ein, auf dessen Grundlage die Arbeiterklasse für ihre sozialen und demokratischen Rechte kämpfen und die Massen der Landbevölkerung hinter sich vereinen kann, die ebenfalls sehr stark betroffen sind. Die Aktionskomitees – demokratische Organe der Arbeiter – schaffen die Grundlage für eine Arbeiter- und Bauernregierung, d.h. für eine wirklich demokratische Regierung, die die Gesellschaft auf der Grundlage der Bedürfnisse der Mehrheit statt der Profite einiger weniger organisieren kann.

Wir rufen alle Leser auf, der SEP beizutreten und sie aufzubauen, da sie als einzige Partei für dieses Programm kämpft.

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