US-Präsident Biden braucht die Gewerkschaften für seine Kürzungs- und Kriegspolitik

US-Präsident Biden sprach am Dienstag auf dem Kongress des Gewerkschafts-Dachverbands AFL-CIO in Philadelphia. Biden, der sich rühmt, „der gewerkschaftsfreundlichste Präsident in der amerikanischen Geschichte“ zu sein, machte deutlich, dass seine Regierung auf den Gewerkschaftsapparat setzt, um den Widerstand der Arbeiterklasse gegen die steigende Inflation und die Kosten der Kriege gegen Russland und künftig China zu brechen.

Für die Handlanger der Konzernspitzen, Mietlinge der Demokratischen Partei und eingefleischten Feinde der Arbeiterklasse, die sich diese Woche in Philadelphia versammeln, ist dies keine einfache Aufgabe. Nachdem die Gewerkschaften der AFL-CIO die Interessen der Arbeiter nun schon seit Jahrzehnten ausverkaufen, wussten die meisten Arbeiter in den USA gar nichts von ihrer Tagung und interessierten sich auch nicht dafür.

US-Präsident Biden während seiner Rede auf dem Gewerkschaftstag der AFL-CIO (AP Photo/Susan Walsh)

Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder ist im vergangenen Jahr weiter gesunken, und zwar um 240.000 auf 14 Millionen. Im Jahr 2021 waren nur 10,3 Prozent der Beschäftigten in den USA gewerkschaftlich organisiert. In der Privatwirtschaft waren es nur 6,1 Prozent, und bei den unter 24-Jährigen 4,2 Prozent. In einem sehr konkreten Sinne verdanken die Gewerkschaften ihre Existenz der Unterstützung, die sie von einem Teil des Großkapitals und dem kapitalistischen Staat erhalten.

Das Ziel seiner Regierung, so Biden gegenüber den versammelten AFL-CIO-Vertretern, sei es, „die Gewerkschaften zu ermutigen“ und „es den Arbeitnehmern zu erleichtern, sich zu organisieren“. Sein Infrastrukturprogramm und seine Unterstützung für „Gewerkschaftspartnerschaften“ würden die Gewerkschaften stärken, erklärte er. „Ich sage das nicht nur, weil ich für Gewerkschaften bin. Ich sage das, weil ich für Amerika bin.'

Biden spielte darauf an, dass die zunehmende Militanz der Arbeiterklasse gefährlich sei und dass die Gewerkschaften den Klassenkampf unterdrücken müssten. „Wissen Sie, wenn die Investmentbanker in Amerika – sie sind nicht alle schlecht – streiken würden, würde nicht viel passieren. ... Wenn die IBEW (International Brotherhood of Electrical Workers) streiken, würde alles stillstehen.“ Weiter sagte er: „Ich glaube, Sie wissen gar nicht, wie wichtig Sie eigentlich sind. Ich möchte Ihnen nicht schmeicheln, sondern das ist einfach Tatsache.“

Die American Federation of Teachers (AFT), die United Auto Workers (UAW), die United Food and Commercial Workers (UFCW), die United Steelworkers (USW) und andere AFL-CIO-Gewerkschaften hatten einen maßgeblichen Anteil daran, dass Arbeiter während der gesamten Pandemie den in Schulen und Betriebe grassierenden Infektionen ausgeliefert wurden. Tausende, wenn nicht Zehntausende hat dies das Leben gekostet.

Biden prahlte: „Wir haben die Covid-Todesfälle um 90 Prozent gesenkt. Wir haben Schulen und Betriebe geöffnet, die schwer gelitten haben. Das alles hat zum größten Beschäftigungsaufschwung in der amerikanischen Geschichte geführt.“

Der Präsident muss nicht befürchten, dass ihm die Gewerkschaftsführer widersprechen. Diese Leute sind vor den katastrophalen Folgen ihres eigenen Verhaltens abgeschirmt. In Wirklichkeit hat Biden in seiner Amtszeit mehr Todesfälle (595.000) zu verantworten als Trump (441.000). In den Betrieben und Wohnvierteln breiten sich neue Varianten des tödlichen Virus aus. Das Weiße Haus lässt ihm freien Lauf, während es zugleich die Pandemie für beendet erklärt.

Zu dem angeblichen Beschäftigungswunder ist zu sagen, dass die Löhne durch die hohe Inflationsrate aufgefressen werden und nicht mehr zum Leben reichen. Gleichzeitig hat die Zentralbank am Mittwoch die Zinssätze um 0,75 Prozentpunkte erhöht und nutzt die dadurch drohende Massenarbeitslosigkeit, um die Forderungen der Arbeiter nach Inflationsausgleich abzuwehren.

Der Präsident wiederholte die Behauptung, dass die explodierenden Lebenshaltungskosten auf „Putins Preiserhöhungen“ zurückzuführen seien. Tatsächlich aber ist die Inflation das direkte Ergebnis davon, dass beide kapitalistischen Parteien seit dem Crash von 2008 Billionen Dollar in die Finanzmärkte gepumpt haben. Durch die von den USA verhängten Sanktionen gegen Russland und die massive Aufrüstung der Ukraine hat sich die Wirtschaftskrise verschärft.

Biden machte deutlich, dass er weiterhin auf die Unterstützung der Gewerkschaften angewiesen ist, um die Konfrontation mit Russland zu eskalieren. „Schaut her, Putin hat mit seinem Krieg nicht nur versucht, die Kultur der Ukrainer auszulöschen, die Bevölkerung zu dezimieren und unzählige Kriegsverbrechen zu begehen, sondern er hat auch das Getreide aufgehalten – Tausende Tonnen Getreide, die in diesen Silos eingeschlossen sind, bereit für den Export, aber sie können nicht auf das Schwarze Meer hinaus, weil sie dort in die Luft gejagt würden.“

Er deutete Pläne der USA und der Nato an, Getreide per Bahn von den Schwarzmeerhäfen zu den europäischen und internationalen Märkten zu transportieren. Dies und die bereits früher geäußerten Pläne, die russische Blockade durch US- und NATO-Kriegsschiffe zu durchbrechen, werden den Konflikt mit der Atommacht Russland weiter verschärfen. In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten am Mittwoch sagte Biden weitere 1 Milliarde Dollar für Waffen zu.

Biden weiß, dass er von der AFL-CIO, die seit ihrer Gründung 1955 jeden imperialistischen Krieg und jeden von den USA unterstützten Militärputsch mitgetragen hat, uneingeschränkte Unterstützung für seine Kriegstreiberei erhält. So unterstützte der Gewerkschaftsbund auch die Zusammenarbeit mit ukrainischen Nationalisten und Neonazis beim Putsch in der Ukraine 2014, der den prorussischen Präsidenten stürzte und das Land in einen militärisches Strohmann für den US-Imperialismus verwandelte.

Gleich in der ersten Sitzung des AFL-CIO-Kongresses sprach der Yale-Professor Timothy Snyder, der führende akademische Propagandist des Stellvertreterkriegs der USA und der Nato gegen Russland. Snyder, der aus Österreich zugeschaltet war, erklärte, dass die Verteidigung der Demokratie von der Ukraine bis zu den USA vom Handeln der Gewerkschaften abhängig sei, die er „im Zentrum der Geschichte“ verortete. Die Gewerkschaften seien vorbildlich für die „Zivilgesellschaft“, denn sie seien Organisationen, die „zwischen der Regierung und dem Volk stehen“. Mithilfe der Gewerkschaften könnten die Menschen, „einüben, sich selbst zu vertreten“ und ihr Wahlrecht zu nutzen und zu verteidigen.

Und das in einer Rede vor Gewerkschaftsfunktionären, die den demokratischen Willen ihrer Mitglieder routinemäßig mit Füßen treten und nicht vor der Fälschung von Urabstimmungen zurückschrecken, um unternehmensfreundliche Verträge durchzusetzen.

Dass die Gewerkschaften „zwischen der Regierung und dem Volk“, stünden, ist nicht minder eine Lüge. Die AFL-CIO ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des kapitalistischen Staats. Sie erhält seit langem Zuschüsse der staatlichen Stiftung National Endowment for Democracy, um im Auftrag des US-Außenministeriums Gewerkschaften in aller Welt zu unterwandern und die Interessen des US-Imperialismus zu schützen. Die Regierung Biden schlägt neue Subventionen und politische Strukturen vor, um die Gewerkschaften noch stärker in die in- und ausländischen Aktivitäten der US-Regierung einzubinden.

In einer Schrift aus dem Jahr 1940, „Die Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs“ wies Leo Trotzki, der Gründer der Vierten Internationale, auf die weltweite Tendenz der Gewerkschaften hin, mit der kapitalistischen Staatsgewalt zu verschmelzen:

Der Monopolkapitalismus ist immer weniger gewillt, sich mit der Unabhängigkeit der Gewerkschaften abzufinden. Er verlangt von der reformistischen Bürokratie und der Arbeiteraristokratie, welche die Brosamen von seiner Festtafel auflesen, dass sie sich vor den Augen der Arbeiterklasse in seine politische Polizei verwandeln. Kann das nicht erreicht werden, so wird die Arbeiterbürokratie vertrieben und durch die Faschisten ersetzt.

Trotzki beschrieb diesen Prozess in seiner Anfangsphase. Die Degeneration der Gewerkschaften zu direkten Werkzeugen des Staates war in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren abgeschlossen. Die AFL-CIO und die auf nationaler Ebene organisierten Gewerkschaften und Arbeiterparteien in aller Welt gaben angesichts der Globalisierung der Produktion jeden Widerstand auf und stellten sich hinter die weltweite Offensive des Kapitals gegen die Arbeiterklasse. Die Führer der AFL-CIO erklärten alles Gerede von Klassengegensätzen für antiquiert und machten sich den Korporatismus zu eigen, d.h. die uneingeschränkte Klassenzusammenarbeit.

Der diesjährige AFL-CIO-Kongress war eine Versammlung selbstzufriedener Bürokraten, die zumeist sechsstellige Gehälter beziehen und sich weitaus mehr Sorgen um den Aktienmarkt machen als um die Preise für Benzin und Lebensmittel. Unter den Anwesenden befanden sich nicht wenige Millionäre. Ein Beispiel ist die Präsidentin der American Federation of Teachers, Randi Weingarten (Jahreseinkommen von fast 500.000 Dollar), die in ihren Ausführungen kein einziges Mal die Corona-Pandemie erwähnte. Dabei sind Tausende von Lehrern erkrankt oder gestorben, weil die Gewerkschaften die Schulen offen hielten.

Die amerikanische herrschende Klasse steht auf wackligen Beinen, wenn sie von diesen korrupten und diskreditierten Organisationen abhängig ist, um den Klassenkampf aufzuhalten, der durch die historische Krise des amerikanischen und weltweiten Kapitalismus enorm angeheizt wird.

In den kommenden Wochen und Monaten stehen Tarifauseinandersetzungen bevor, die Hunderttausende betreffen: Hafenarbeiter an der US-Westküste, Beschäftigte im Gesundheitswesen, Lehrer, Stahlarbeiter, LKW-Fahrer, Beschäftigte von Supermarktketten und Telekommunikationsunternehmen. Die Arbeiter sind entschlossen, jahrzehntelange Zugeständnisse der Gewerkschaften an die Unternehmen rückgängig zu machen und die von ihnen de facto auferlegte Obergrenze von 2 bis 4 Prozent Lohnerhöhungen jährlich zu durchbrechen.

Die explosive Entwicklung des Klassenkampfs in den USA findet vor dem Hintergrund einer internationalen Mobilisierung der Arbeiter statt. Dazu gehören, um nur einige Beispiele zu nennen, ein bevorstehender Streik von Zehntausenden Eisenbahnern und anderen Berufsgruppen im Vereinigten Königreich, Streiks der Beschäftigten von Fluggesellschaften in ganz Europa, Massenproteste gegen Sparmaßnahmen und steigende Lebenshaltungskosten in Sri Lanka sowie Streiks der Beschäftigten im Gesundheitswesen in der Türkei, Deutschland, Frankreich, Neuseeland und vielen anderen Ländern.

Biden wirbt deshalb für die Gewerkschaften, weil die Herrschenden befürchten, dass die unabhängigen Initiativen, mit denen Arbeiter verhindern wollen, dass ihre Kämpfe unterdrückt und isoliert werden, zu einem nationalen und internationalen Netzwerk ausgebaut werden. Und genau dies ist notwendig.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale gab im vergangenen Jahr den Anstoß zur Gründung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC), um die Kämpfe der Arbeiter über Sektoren und Länder hinweg zu vereinen. Der Auf- und Ausbau der IWA-RFC ist notwendig, damit es den Gewerkschaften nicht gelingt, die Kämpfe der Arbeiterklasse zu sabotieren.

Die Arbeiter in den USA und weltweit beginnen, ihre Stärke unter Beweis zu stellen. Sie wenden sich zunehmend an die World Socialist Web Site und die Sozialistischen Gleichheitsparteien auf der ganzen Welt, um neue Kampforganisationen und die revolutionäre Führung aufzubauen, die zur Abschaffung des kapitalistischen Profitsystems notwendig sind.

Loading