Deutschland wird zu globalem Affenpocken-Hotspot

Die Affenpocken breiten sich weltweit aus und Deutschland entwickelt sich zum internationalen Hotspot. Trotzdem spielt die Bundesregierung die Gefahr des Virus herunter und unternimmt nichts, um die Ausbreitung einzudämmen.

Vier Jahre altes Mädchen mit Affenpocken (Foto: Wikimedia Commons) [Photo: CDC]

Der erste Affenpockenfall in Deutschland wurde am 20. Mai gemeldet. Seitdem ist die Zahl der Fälle konstant gestiegen: von 28 Fällen pro Woche Ende Mai auf 125 Anfang Juni. Inzwischen sind es 300 bis 400 Fälle pro Woche. Aufgrund einer breiten Unwissenheit in der Bevölkerung über die Symptome von Affenpocken und allgemein nur eingeschränkten Testmöglichkeiten ist jedoch davon auszugehen, dass die tatsächlichen Zahlen noch höher liegen.

Insgesamt wurden dem Robert-Koch-Institut (RKI) bisher 2916 Fälle in Deutschland gemeldet, was einer Inzidenz von 3,54 Fällen pro Hunderttausend Einwohnern entspricht. Das sind mehr als zehn Prozent der weltweiten Fälle außerhalb Afrikas. Eine aktuelle Studie schätzt die Reproduktionsrate (R-Wert) der Affenpocken in Deutschland auf 1,21 und damit höher, als den Covid-19 R-Wert, der aktuell bei 0,86 liegt.

Weltweit gehört Deutschland zu den am meisten betroffenen Ländern. In absoluten Zahlen hat Deutschland die drittmeisten Infektionen nach den USA mit 7084 Fällen und Spanien mit 4577 Fällen. Pro Kopf betrachtet liegt die Inzidenz in Deutschland mit 3,54 jedoch bereits um einiges höher als in den USA mit 2,15 Fällen pro Hunderttausend Einwohner. Und das, obwohl die US-Regierung die Affenpocken bereits zum öffentlichen Gesundheitsnotstand erklärt hat.

Innerhalb Deutschlands selbst entwickeln sich mehrere Städte zu besonderen Hotspots. So hat Berlin mit 1443 Fällen eine Inzidenz von 41,18 – zwölf Mal so hoch wie die bundesweite Inzidenz. Auch in anderen Städten kommt es zu einer Anhäufung von Fällen: In Köln gab es bisher 325, in München 143, in Hamburg 131, in Düsseldorf 83 und in Frankfurt 80 Fälle.

Bisher haben sich größtenteils Erwachsene mit dem Virus infiziert, doch das RKI hat auch schon drei Fälle bei Minderjährigen bestätigt – einem 4-Jährigen, einem 15-Jährigen und einem 17-Jährigen.

Obwohl die Affenpocken sich weiter verbreiten und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 23. Juli den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hat, spielt die Bundesregierung die Gefahr herunter. Auf der offiziellen Website des Bundesgesundheitsministeriums erklärt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): „Die Affenpocken werden keine Pandemie auslösen, dafür überträgt sich das Virus nicht schnell genug, und wir werden mit Eingrenzungen derjenigen, die betroffenen sind, das in den Griff bekommen, bevor es einen wirklich großen Ausbruch weltweit gibt.“

Seitdem Lauterbach das am 2. Juni erklärt hat, sind die Infektionszahlen kontinuierlich gestiegen und liegen weltweit bereits bei 27.000 Fällen. Der 7-Tagesdurchschnitt der täglichen Neuerkrankungen liegt bei 1268.

Zur Bekämpfung des Virus hat die Bundesregierung bisher nur 40.000 Impfdosen, die sie bestellt hat, auch erhalten. Städte wie Berlin, das 9.500 Impfdosen bekommen hat, haben diese bereits nahezu aufgebraucht. Zusätzliche Impfdosen werden jedoch erst gegen Ende September erwartet.

Aber auch dann sollen nur 200.000 Impfdosen eintreffen, und die Bundesregierung hat vorerst auch nicht geplant, weitere zu bestellen. Dabei haben Organisationen wie die Deutsche Aidshilfe (DAH) unlängst eine Million Impfdosen zur Bekämpfung des Virus gefordert.

Axel Jeremias Schmidt, Epidemiologe und DAH-Referent für Medizin und Gesundheitspolitik, erklärte dazu: „Wir gehen nicht davon aus, dass die Epidemie vorbei ist, wenn die bisher verfügbaren Dosen verimpft sind.“ Solange es Affenpocken-Infektionen gebe, müssten Menschen, die ein Risiko hätten, ein Impfangebot bekommen.

Auch Ulf Kristal vom DAH-Vorstand forderte die Bundesregierung auf, sich für einen massiven Ausbau der Impfstoff-Produktion einzusetzen, damit alle Menschen weltweit mit einem Risiko Zugang zur Impfung bekommen könnten. Ziel müsse es sein, die Infektionszahlen zu senken und dauerhaft in den Griff zu bekommen. „Das ist nur möglich, wenn möglichst viele Menschen, die ein Infektionsrisiko haben, geimpft werden, in Deutschland und in allen anderen betroffenen Ländern.“

Tatsächlich unternimmt die Bundesregierung aber schon bei der Corona-Pandemie nichts, um die Ausbreitung zu stoppen. Mit dem jüngst angekündigten Infektionsschutzgesetz lockerte sie auch noch die letzten bestehenden Maßnahmen auf ein Minimum.

Entgegen der allgemeinen Darstellungen sind die Affenpocken auch keine harmlose Krankheit. Eine Infektion verursacht Läsionen an allen Körperteilen, die bei manchen Menschen zu Blindheit, Erstickung und Narbenbildung im Gesicht oder an anderen Körperteilen führen können. Infizierte beschreiben das oft als die schmerzhafteste Erfahrung ihres Lebens, da sie nicht mehr in der Lage sind, zu schlafen oder grundlegende Körperfunktionen ohne unerträgliche Schmerzen auszuführen. In etwa zehn Prozent aller Fälle war ein Krankenhausaufenthalt erforderlich, vor allem, um diese heftigen Leiden zu bewältigen.

Bisher wurde die Sterblichkeitsrate bei dem jetzt weltweit verbreiten Affenpockenstamm auf etwa ein Prozent geschätzt, was etwa der Sterblichkeitsrate bei Covid-19 entspricht. Eine Infektionsübertragung kann über Aerosole, Tröpfchen und Fomite stattfinden, wobei Haut-zu-Haut und Tröpfcheninfektion der Atemwege als wichtigste Übertragungswege gelten. Besonders gefährlich ist, dass sich Affenpocken auch über kontaminierte Stoffe und Oberflächen verbreiten können. Wenn man mit dem Virus infiziert ist, ist man bis zu über einem Monat ansteckend.

Besonders mit dem Ende der Ferien und Wiederbeginn des Unterrichts droht sich die Ausbreitung des Virus zu verschärfen. Genauso wie bei der Corona-Pandemie zeigt sich auch bei der Ausbreitung der Affenpocken die Gleichgültigkeit der herrschenden Klasse gegenüber der menschlichen Gesundheit und dem Leben von Millionen. Nur eine Bewegung der Arbeiterklasse kann eine wissenschaftliche Bekämpfung dieser extrem gefährlichen Viruserkrankungen durchsetzen.

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