„Das Eisenbahn-Arbeitsgesetz RLA muss abgeschafft werden“

Eisenbahner verurteilen unternehmerfreundliche Entscheidung des Regierungsausschusses und fordern Streik

Die WSWS veröffentlicht hier Stimmen von Bahnarbeiterinnen und Bahnarbeitern in den USA, die die unternehmerfreundliche Entscheidung des Regierungsausschusses verurteilen und Streik fordern. Wir rufen alle Bahnarbeiter in Deutschland und unsere Leser dazu auf, Solidaritätsstatements zu verfassen und an uns zu schicken. Nutzt dazu dieses Formular oder das am Ende des Artikels.

Hier die Erklärung von UAW-Präsidentschaftskandidat William Lehman, der zur vollen Unterstützung der Bahnarbeiter aufruft.

Die Behauptung der Eisenbahngesellschaften „Arbeit trägt nicht zum Profit bei“, die unter Bahnarbeitern Empörung ausgelöst hat, auf der Schutzweste eines Arbeiters der Norfolk Southern (Foto eines Bahnarbeiters, auf Reddit gepostet) [Photo: Railroad worker via Reddit]

Die Bahnarbeiter reagieren nach wie vor mit Wut auf einen Bericht des Präsidialen Notfallausschusses (PEB), der am Dienstag veröffentlicht wurde. Der Ausschuss wurde einberufen, um einen seit drei Jahren andauernden landesweiten Tarifkonflikt beizulegen.

Der von der Biden-Regierung einberufene Ausschuss empfahl eine Einigung, die eine jährliche Lohnerhöhung um etwa die Hälfte der aktuellen Inflationsrate (22 Prozent über fünf Jahre verteilt) vorsieht, die Obergrenze für die individuellen Krankenversicherungsbeiträge abschafft und – was am schlimmsten ist – das „Recht“ des Managements unangetastet lässt, seine Anwesenheitsregeln einseitig zu ändern. Damit haben die Eisenbahngesellschaften verhasste Maßnahmen wie „Hi-Viz“ (hohe Verfügbarkeit) und „Precision Scheduled Railroading“ (präzise Zeitplanung, PSR) durchgesetzt, die Zehntausende zur Kündigung getrieben haben.

In dem mehr als 120-seitigen Bericht des PEB hat die Arbeiter kein Abschnitt mehr erzürnt, als die Behauptung der Eisenbahngesellschaften, „Kapitalinvestitionen und Risiken sind der Grund für ihre Profite, Arbeit hat nichts dazu beigetragen“. Die Arbeiter hätten deshalb keinen Anspruch auf eine Beteiligung an den Rekordprofiten. Der Wortlaut dieses Abschnitts wurde in zahlreichen Memes in den sozialen Netzwerken verbreitet, auf T-Shirts und Warnwesten aufgedruckt und von Arbeitern auf Flugblättern in den Pausenräumen verteilt. Die Arbeiter wissen, dass die massiven Profite der Eisenbahngesellschaften von ihnen mit ihrem Schweiß erarbeitet werden. Eine unter Arbeitern übliche Erwiderung ist deshalb, dass die Unternehmen dann auch nichts gegen einen Streik haben können, weil er ihre Profitmargen nicht beeinträchtigen würde.

Selbst gefertigte T-Shirts von Eisenbahnern mit der berüchtigten Behauptung „Arbeit trägt nicht zum Profit bei“, die die Eisenbahngesellschaften gegenüber dem PEB aufgestellt haben (Foto von Bahnarbeitern auf Facebook gepostet) [Photo: Railroad workers via Facebook]

Die Berichterstattung und Kommentare der World Socialist Web Site über den PEB stoßen auf große Resonanz bei Arbeitern im ganzen Land. In den letzten drei Tagen hat die WSWS mehr Kommentare von Bahnarbeitern erhalten als je zuvor. Zu den übergreifenden Themen dieser Kommentare zählen: eine überwältigende Bereitschaft zum Streik, auch gegen den Widerstand des Kongresses und gegen das Eisenbahn-Arbeitsgesetz (Railway Labor Act, RLA), Wut auf die Demokratische Partei und die Regierung unter Biden der sich als „gewerkschaftsfreundlichster Präsident in der Geschichte Amerikas“ bezeichnet und Wut auf die Gewerkschaften, die die Einberufung des PEB gefordert haben und für Biden und die Demokraten werben. In ihrer Gesamtheit sind diese Kommentare Ausdruck der Stimmung eines mächtigen Teils der Arbeiterschaft, der in den Kampf getrieben wird, aber eine neue Perspektive und Orientierung sucht.

Wir veröffentlichen hier eine kleine Auswahl dieser Kommentare. In den nächsten Tagen werden weitere folgen.

„Der einzige Weg zu gewinnen ist ein landesweiter Ausstand“

Flyer mit dem berüchtigten Zitat, von einem anonymen Arbeiter in einem Pausenraum verteilt (Foto von einem Bahnarbeiter, auf Facebook gepostet) [Photo: Railroad worker via Facebook]

Ein Zugbegleiter aus Idaho: „Ich als [langjähriger] Zugbegleiter sage: STREIKEN, STREIKEN, STREIKEN! Und wenn uns der Kongress wieder an die Arbeit schickt, dann TROTZDEM WEITERSTREIKEN. Uns reicht es!“

Ein Arbeiter aus Upstate New York: „Wir brauchen einen landesweiten Streik, der den PEB ignoriert! Eine der Bedingungen für die Wiederaufnahme der Arbeit sollte dessen Abschaffung sein!“

Ein Arbeiter von BNSF aus Colorado: „Ich arbeite zwischen 200 und 220 Stunden im Monat, obwohl ich bereits versuche, so wenig wie möglich zu arbeiten. Dazu kommen noch 150 bis 200 Stunden pro Monat, die ich in Hotels sitze. Die Dienstpläne sind bedeutungslos, ich bin ständig übernächtigt, weil es keine Dienstpläne gibt. Selbst die ,Ruhezyklen‘, die uns angeboten werden, tragen nicht wirklich zu einer angemessenen Erholung bei. Wenn ich nach einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag heimkomme und meine geplanten zwei Ruhetage beginne, will ich erst mal schlafen. Ich schlafe also acht Stunden und bin 16 Stunden wach. Das wiederholt sich, und jetzt bin ich zuerst 16 Stunden wach, und mein Telefon kann genau in dem Moment klingeln, in dem ich mich wieder schlafen legen will. Die ganzen RSIA- und Ruhezyklen müssen daraufhin geprüft werden, ob sie der Realität unserer Arbeit entsprechen.

Durch die neue Hi-Viz-Politik droht mir die Entlassung, wenn ich auch nur ein paar Tage lang krank bin. Neu eingestellte Mitarbeiter haben nicht mal Urlaubs- oder Freitage, die ihnen dabei helfen, ihre Punkte vor diesem wahnsinnigen System zu schützen. Solange es in Kraft ist, verstehe ich nicht, wie Neueinsteiger bereit sein sollen, zu bleiben. Man muss wirklich eine besondere Art von Mensch sein, um Eisenbahner zu sein, aber mittlerweile kündigen Leute, die seit zehn oder fünfzehn Jahren hier arbeiten. Warum sollte ein Neuer bei der derzeitigen Fluktuation darauf vertrauen, dass er anständig behandelt wird?

Der einzige Erfolg versprechende Weg ist meiner Meinung nach ein landesweiter Ausstand aller Eisenbahner aller Berufsgruppen, und die Bereitschaft, die Anweisung zur Rückkehr an die Arbeit zu ignorieren. Die Regierung und diese Vorstandschefs und Aktionäre müssen begreifen, dass wir es uns nicht mehr bieten lassen. Angesichts der Massenkündigungen ist es schon erstaunlich, dass sich der PEB so sicher ist, dass wir uns mit einem mittelmäßigen Abschluss zufrieden geben, bei dem wir sogar Geld VERLIEREN. Die Lebenshaltungskosten in meinem Bundesstaat sind in den letzten fünf Jahren um das Zwei- bis Dreifache gestiegen, und wir hatten keine Angleichung an die Lebenshaltungskosten, von einer Berücksichtigung der Inflation ganz zu schweigen.

Wir müssen in der Lage sein zu streiken, weil diese Unternehmen in den letzten fünf Jahren überhaupt nicht verhandelt haben. Alles, was ihnen nicht passt, wird mit einer neuen Regelung zugepflastert... Die Gewerkschaften haben in den letzten fünf Jahren absolut nichts getan, um gegen irgend etwas zu kämpfen.“

Ein Arbeiter aus der Region Texas Panhandle: „Ich habe es satt, dass wir mit jedem Tarifvertrag über den Tisch gezogen werden, während das Unternehmen jedes Jahr Rekordprofite einfährt! Die Empfehlungen des PEB-Ausschusses sind ein Schlag ins Gesicht und stammen wahrscheinlich von den Transportunternehmern! Ich bin für einen Streik, wir sollten die Empfehlungen des PEB nicht akzeptieren; wir werden diese minderwertige Empfehlung nicht akzeptieren! Mit dieser PSR der Eisenbahngesellschaften arbeiten wir mehr, also verlieren wir faktisch Geld, wenn man berücksichtigt, wieviel Zeit wir auf der Arbeit und weg von unseren Familien verbringen!“

Ein Eisenbahner aus Indiana: „[Das Eisenbahn-Arbeitsgesetz] RLA muss abgeschafft werden, und solange wir keinen Tarifvertrag haben, muss die Angleichung an die Lebenshaltungskosten alle drei Monate erfolgen, um die Unternehmen zum Verhandeln zu zwingen. Ihre Taktik, den Vertragsprozess in die Länge zu ziehen, ist offensichtlich. Das war mal ein Job, bei dem ein Partner sein Leben und seine Zeit für die Familie geopfert hat. Deshalb bekommen unsere Frauen eine Rente! Für das Opfer, das sie bringen! Bezahlt uns für unsere Zeit!“

Ein Eisenbahner aus Wisconsin: „Sie [die Eisenbahngesellschaften] behaupten, wir würden im Durchschnitt 37 Stunden pro Zahlungsperiode arbeiten? Alles gelogen!

Ich habe in letzter Zeit fast 60 Stunden gearbeitet, meistens wurde ich überraschend mitten in der Nacht zur Arbeit gerufen. Zwei Stunden Schlaf, und dann unerwartet zwölf Stunden am Stück arbeiten Kopfzittern und Sekundenschlaf die ganze Zeit. Das soll gesund sein? Die unberechenbaren Arbeitspläne müssen aufhören. Keine planbare freie Tage, was für ein Leben ist das? Ja, wir wussten alle, dass wir in einem Beruf arbeiten, in dem 24 Stunden am Tag Betrieb ist. Aber früher gab es freie Tage – zwei Tage nach fünf Arbeitstagen, oder drei nach sieben Arbeitstagen. Das haben uns die Bastarde alles weggenommen, es gibt KEINE freien Tage mehr. Sie wollen, dass wir das Missmanagement ausgleichen und beheben. Und dann kommt noch Hi-Viz obendrauf? Das alleine rechtfertigt eine 20-prozentige Lohnerhöhung. Das ist moderne Sklaverei.

WIR STREIKEN JETZT, die Empfehlung des PEB ist zu 100 Prozent inakzeptabel.“

„Die Gewerkschaften stecken offensichtlich mit den Demokraten unter einer Decke, und die Demokraten mit den Eisenbahngesellschaften“

Ein Eisenbahner aus Arizona: „Wie üblich haben sich die Politiker auf die Seite derjenigen gestellt, die durch den allmächtigen Dollar den größten Einfluss haben. Ich und viele meiner Kollegen arbeiten im Durchschnitt 240 bis 260 Stunden pro Monat. Es ist absurd, wenn das Unternehmen behauptet, dass wir weniger als eine Vollzeitwoche arbeiten!

Präsident Biden und der Rest der Demokraten haben ihr Versprechen gebrochen, uns zu unterstützen. Vielleicht hätte unsere Gewerkschaftsführung besser argumentieren können, wenn sie in ein paar Zügen mitgefahren wären und gesehen hätten, was wirklich los ist, statt nur im Büro zu sitzen und die Gehälter zu kassieren, die wir ihnen zahlen.“

Ein Eisenbahner aus Kansas: „Der ,gewerkschaftsfreundlichste Präsident seit FDR‘. So ein Witz! Die Leute haben bei der Bahn bereits in Scharen gekündigt, weil die großen Eisenbahngesellschaften uns Angestellte so schlecht behandeln. Viele sind nur noch geblieben, um zu sehen, ob dieser Tarifvertrag die Lage verbessern würde. Aber sobald der Kongress uns diesen Witz von einem Tarifvertrag aufzwingt, wird es Massenkündigungen in der Branche geben. Fangt schon mal an Vorräte anzulegen, denn das Land wird lahmgelegt werden. Wir haben genug von Arbeitstagen mit mehr als zwölf Stunden ohne freie Tage und kaputter Ausrüstung und davon, wie der letzte Dreck behandelt zu werden. Ich hoffe, wenn uns der Kongress nach dem Streik wieder an die Arbeit schicken will, wird niemand darauf hören und wir streiken alle weiter. Genug ist genug.“

Ein Eisenbahner aus dem nördlichen Indiana: „Ich bin seit mehr als 20 Jahren Mitglied der BLE und glaube nicht, dass die Gewerkschaften das Beste für ihre Mitglieder wollen, wenn sie verhandeln. Keine Nachzahlung? Wir mussten also während der Pandemie durcharbeiten, während die anderen ,systemrelevanten‘ Arbeiter doppelten Lohn oder Anreize erhalten haben, um weiterzuarbeiten. Und wir? Wir haben nichts bekommen. Jetzt drehen uns diese Unternehmen und die Gewerkschaften im Grunde den Rücken zu. Ich glaube, sie stecken unter einer Decke, und wir bekommen nicht das, wofür wir unsere Gewerkschaftsbeiträge zahlen. Die Gewerkschaftsführer sind schwach, und es ist Zeit für neue.“

Ein Eisenbahner aus der Gegend von Houston (Texas): „Obwohl ich meinen Job liebe und mich glücklich schätze, habe ich das Gefühl, dass ich bei meiner Arbeit nicht als Mensch angesehen werde. Ich werde wie ein Stück Inventar behandelt. Meine Menschlichkeit wird verleugnet, wenn sie Entscheidungen zur Arbeitspraxis treffen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass dieser Job schlecht für die Gesundheit ist. Warum beschneiden sie dann ständig unsere Gesundheitsleistungen, die wir zur Bekämpfung der medizinischen Probleme benötigen, die unser Beruf verursacht? Es gibt Zeiten, da muss ich mich entscheiden, ob ich meine Stelle behalte oder ein Mensch sein will. Die Lohnerhöhung, die der PEB vorgeschlagen hat, ist sehr enttäuschend und wird nicht einmal den Anstieg der Lebenshaltungskosten ausgleichen, diese schreckliche Wirtschaft und die Inflation, geschweige denn die Erhöhungen der Krankenkassenbeiträge, die das Unternehmen vorschlägt.

Ich habe dem falschen Narrativ geglaubt, die Demokraten wären für den Arbeiter da. Ich habe gesehen, wie die Biden-Regierung so vielen Leuten und ganzen Ländern zur Hilfe eilt und Sachen unterstützt hat, bei denen die Regierung nichts mitzureden haben sollte. Aber für die Arbeiter, die buchstäblich den Laden am Laufen halten, die Waren, Produkte und Handel in diesem Land ermöglichen, hat diese ,weichherzige‘ Regierung kein Mitgefühl und Verständnis übrig. Ich werde nie wieder die Demokraten wählen.“

Ein Arbeiter bei BNSF im Bundesstaat Washington: „Der PEB hat uns keine Krankentage zugebilligt und die Lügen des Unternehmens geglaubt, wir könnten unsere PLD für Arzttermine benutzen. Sie haben sich geweigert, etwas an dem drakonischen Bereitschaftssystem Hi-Viz zu ändern und haben offensichtlich alle Lügen der BNSF geglaubt, wir würden nur 32 Stunden pro Woche arbeiten, obwohl es eher 60 Stunden sind. Wir galten mal als systemrelevant, aber heute gelten wir als wertlos. Ich werde nie wieder glauben, dass die Demokraten für die Arbeiter sind. Sie haben sich bei fast allem auf die Seite der Unternehmen gestellt!“

Ein Arbeiter von BNSF aus Seattle (Washington): „Ich arbeite im Süden von Seattle, das Management behandelt uns wie den letzten Dreck. Sie zwingen uns zwölf Stunden am Tag bei fast 40 Grad ohne Pause zu arbeiten. Sie predigen ständig Sicherheit, aber eigentlich geht es ihnen nur um die Produktion. Wir haben ständig über 1.000 Teile im Hof, obwohl nur für 700 Platz ist. Das ist wirklich das schlimmste Unternehmen, für das ich je gearbeitet habe.

Dieser PEB steht zu 100 Prozent auf der Seite des Unternehmens. Warum zahlen wir so hohe Gewerkschaftsbeiträge, wenn es offensichtlich ist, dass die Gewerkschaft mit den Demokraten unter einer Decke steckt und die Demokraten mit den Eisenbahngesellschaften? Hier helfen sich nur die Reichen gegenseitig.“

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