Historische Debatte: Will Lehman fordert Abschaffung der UAW-Bürokratie

Die World Socialist Web Site wird in den nächsten Tagen weiter über die Debatte berichten. Das vollständige Video kann unter WillforUAWpresident.org/debatelive abgerufen werden und ist auch in diesem Artikel verlinkt.

In einer wahrlich historischen Debatte forderte Will Lehman am Donnerstagabend die alte Führung und Bürokratie der Autogewerkschaft UAW heraus. Lehman, der als einfaches Gewerkschaftsmitglied und Sozialist für die Präsidentschaft der UAW kandidiert, forderte die Abschaffung der Bürokratie und die Übertragung der ganzen Macht an die Arbeiterbasis in den Betrieben.

Die Debatte wurde von dem ehemaligen New York Times-Reporter Steven Greenhouse moderiert. Organisiert hatte sie der gerichtlich bestellte Aufseher, der die Aktivitäten der UAW nach dem massiven Korruptionsskandal kontrolliert. Neben Lehman nahmen UAW-Präsident Ray Curry, der langjährige UAW-Funktionär Shawn Fain, der Vorsitzende der Local 163 Gruppe, Mark Gibson, und Brian Keller teil.

In seinem Eröffnungsstatement erklärte Lehman, der als Schichtarbeiter bei Mack Trucks in Macungie (Pennsylvania) arbeitet, dass seine Kampagne sich an die einfachen Arbeiter richte und ihnen eine Stimme verleihe.

„Der einzige Grund, warum es eine Wahl gibt“, sagte er, „ist, dass die UAW-Führung verurteilt wurde, weil sie von den Unternehmen Bestechungsgelder angenommen und uns verraten hat. Hier geht es nicht um ein paar korrupte Individuen, sondern um die Bürokratie als Ganzes. Die UAW-Bürokratie ist Teil des Konzernmanagements. Es gibt 450 Bürokraten, die mehr als 100.000 Dollar verdienen, und alles wird aus unseren Beitragsgeldern finanziert. Die reichsten 15 UAW-Führungskräfte haben allein im Jahr 2021 zusammen 3 Millionen Dollar verdient. Ray Curry allein hat seit 2004 2,7 Millionen Dollar eingesteckt.“

Lehman stellte fest, dass es notwendig sei, „die Herrschaft des Apparats durch Aktionskomitees in jeder Fabrik und in jedem Betrieb zu ersetzen, um eine echte Macht der Basis aufzubauen. Die Arbeiter müssen die Entscheidungen treffen, sie müssen in unseren Betrieben eine echte Arbeiterdemokratie schaffen. Das bedeutet, die Macht vom unkontrollierbaren Gewerkschaftsapparat zurück in die Betriebe zu verlagern, um für das zu kämpfen, was wir brauchen, und nicht für das, was laut UAW das Unternehmen will.“

Die Debatte bestand im Wesentlichen darin, dass die verschiedenen Vertreter des Apparats versuchten, sich gegen Lehman zu verteidigen, der den Kampf für die Macht der Arbeiter mit der Forderung nach einer sozialistischen und internationalistischen Perspektive verband.

An einem Punkt der Debatte richtete Greenhouse eine Frage an Lehman und zitierte aus seiner Wahlkampferklärung, wo es heißt: „Die UAW ist nur dem Namen nach eine Gewerkschaft. Ihre Führung, einschließlich zweier ehemaliger Präsidenten, wurde verurteilt, weil sie uns um unsere Beitragsgelder gebracht und uns gegen Bestechungsgelder der Unternehmen verkauft haben. Hier geht es nicht um ‚ein paar faule Äpfel’. Die UAW-Bürokratie ist eine Unterabteilung der Unternehmen und unterdrückt den Widerstand gegen niedrige Löhne und schreckliche Arbeitsbedingungen. Sie vereinigt uns nicht.“

Greenhouse fragte: „Wenn Sie zum UAW-Präsidenten gewählt werden, wie wollen Sie mit dieser Bürokratie zusammenarbeiten?“

Lehman antwortete: „Ich habe nicht vor, mit irgendjemandem der Funktionärsebene zusammenzuarbeiten. Ich habe mich die ganze Zeit auf die Arbeiter in den Fabriken konzentriert, indem ich Aktionskomitees aus den Reihen der Belegschaft gebildet habe, die die Entscheidungen selbst treffen. Ich habe nicht die Absicht, dieselben bürokratischen Methoden anzuwenden, die uns seit Jahrzehnten verraten (...) Ich wende mich an die Arbeiter in den Betrieben, um sie zu organisieren, denn dort liegt die ganze Macht.

[Es gibt] zwei sehr unterschiedliche Schichten, über die wir hier sprechen“, fügte er hinzu. „Den Bürokraten hier wird das nicht gefallen, aber ich spreche nicht zu ihnen. Ich spreche zu den Arbeitern, wo immer sie sind, in welcher Branche sie auch tätig sind: Wir müssen die Gesellschaft neu organisieren, auf der Grundlage der menschlichen Bedürfnisse, nicht des privaten Profitsystems, das uns zwingt, mit den Konzernen zu feilschen und unser Handeln auf das zu beschränken, was die Unternehmer erlauben. Wir brauchen ein System, das uns dient.“

Daraufhin verteidigten alle anderen Kandidaten den Gewerkschaftsapparat. Keller erklärte, dass jeder Versuch, den bürokratischen Apparat abzuschaffen, „spalterisch“ sei. Fain sagte, er wisse nicht, wie „irgendjemand kommen und die gesamte Bürokratie abschaffen“ könne. Gibson erklärte, dass „wir hier sind, um zu vereinen und nicht zu spalten“. Curry, der handverlesene Vertreter des UAW-Apparats, versuchte kleinlaut, das in Korruption verstrickte „Administrative Gremium“ zu verteidigen, während er nationalistische Reden hielt.

Lehman erwiderte: „Sie versuchen, uns – die Arbeiterklasse – nach Länderzugehörigkeit zu spalten. Und das hat der Arbeiterklasse nichts als Verluste eingebracht (...) Die einzige Spaltung, die ich betreibe, ist die zwischen Arbeiter und Parasiten.“

Auf eine Erklärung von Fain, der sich als Reformer aufspielte und sagte: „Wir hatten Korruption in unseren Reihen“, und das habe die Gewerkschaft zurückgeworfen, antwortete Lehman:

„Nochmals an alle Arbeiter, die mir zuhören: ‚Bei uns‘ gab es keine Korruption. In ‚unseren Reihen‘, in den Betrieben, unter uns gab es null Korruption. Das gab es in der Bürokratie. Die Bürokratie ist korrupt. Sie wird von einem gerichtlich bestellten Aufseher überwacht (...) Man hat uns Verträge aufgezwungen, die wir hassen. Die Bürokratie hat uns gespalten (...) Die Bürokraten haben alles aufgegeben, aber ihre komfortablen Positionen haben sie beibehalten. Wir sind nicht dasselbe. Die Arbeiter unterscheiden sich von den Bürokraten, und jeder Arbeiter muss verstehen, dass wir die Macht direkt in unseren Händen halten sollten.“

Nach dieser Erklärung lehnten sowohl Curry als auch Fain es ab, zu antworten. „Alles gut“, erklärte Fain.

Im Verlauf der Debatte legte Lehman ein überzeugendes Plädoyer für den Sozialismus vor. „Ich bin Sozialist“, sagte Lehman.

„Jeder Arbeiter, der hier zusieht, muss verstehen: Wir sind diejenigen, die den ganzen Profit erwirtschaften. Alle anderen, all die Bürokraten und Unternehmer, schmarotzen nur von dem Profit. Nicht wir brauchen sie – sie brauchen uns. Wir sind diejenigen, die in den Fabriken schuften, die Krankenschwestern in den Kliniken, die Lehrer in den Schulen, wir sind diejenigen, die die Gesellschaft am Laufen halten. Es sind nicht die Eigentümer. Wir sind es, die Arbeiterklasse, und wir sollten in der Lage sein zu entscheiden, wie wir den Gewinn verteilen.“

In seiner abschließenden Erklärung fasste Lehman die Probleme zusammen, mit denen die Arbeiter der UAW und alle anderen Arbeiter konfrontiert sind. Hier das Statement im Wortlaut:

Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Macht der UAW-Bürokratie in unsere eigenen Hände nehmen. Diese Bürokraten behaupten, wir bräuchten sie, aber wir brauchen sie überhaupt nicht. Im Gegenteil, wir müssen die Bürokratie abschaffen, um das enorme Machtpotenzial freizusetzen, das wir als Teil der internationalen Arbeiterklasse haben.

Ray Curry und Shawn Fain haben Erfahrung. Sie haben Erfahrung darin, sechsstellige Beträge aus unseren Mitgliedsbeiträgen zu verdienen, während sie uns verraten. Sie waren in den Jahren der schlimmsten Korruption dabei, als die UAW-Führer Bestechungsgelder annahmen und sich gegenseitig mit unseren Beitragsgeldern Luxusgeschenke kauften. Ihre Gehälter wurden immer weiter erhöht, sie stiegen an die Spitze dieses Kehrichthaufens. Ray Curry und die UAW waren von Anfang an gegen Direktwahlen des Vorstands! Mir wird schlecht, wenn ich mir anhören muss, ihre Erfahrung sei „positiv“.

Was ist mit den Erfahrungen der einfachen Leute, die diese Debatte verfolgen? Während Curry 272.000 Dollar verdient und Fain 156.000 Dollar, gibt es Autoarbeiter, die obdachlos sind, oder die zwei Jobs haben, weil die UAW-Löhne so gering sind. Arbeiter, die sich verletzen und krank werden und bei der Arbeit sterben, weil die UAW uns sagt, dass die Unternehmen tun und lassen können, was sie wollen. Das können die Unternehmen nur, weil die UAW-Bürokratie es zulässt. Was ist mit den Erfahrungen in Städten wie Lordstown und Hamtramck, wo die UAW ganze Werke geschlossen und ganze Gemeinden ruiniert hat? Was ist mit den Erfahrungen von Rentnern mit fixem Einkommen, von befristeten Teilzeitarbeitern, die zwar Gewerkschaftsbeiträge zahlen, aber keine Leistungen erhalten? Oder Arbeiter, die für die gleiche Arbeit wie die Kollegen nebenan am Fließband geringer bezahlt werden? Der Plan dieser Bürokraten sieht vor, uns alle zu berauben, um sich selbst zu bereichern und den Unternehmen zu Profiten zu verhelfen.

Die Arbeiterklasse als Ganzes ist stark genug, die Dinge zu ändern. Aber wir müssen selbst die Macht übernehmen. Wir müssen in unseren Betrieben Aktionskomitees bilden, die sich untereinander vernetzen und eine alternative Machtstruktur aufbauen. Dann können wir für das kämpfen, was wir brauchen. Wir müssen unsere Kämpfe mit den Autoarbeitern in Mexiko, in Kanada und in der ganzen Welt verbinden. Wir müssen an der Seite der Eisenbahner, der Lehrer, der Krankenschwestern, der Stahlarbeiter und der Hafenarbeiter kämpfen – allesamt Teile der Arbeiterklasse, die von denselben Unternehmern ausgebeutet werden – ein Unternehmernetz, das beide politischen Parteien kontrolliert und im Kapitalismus die Regierung führt.

Ich rufe euch auf, für mich zu stimmen. Aber das ist nicht alles, worum ich euch bitte. Ich rufe euch auf, Stellung zu beziehen und diese Bewegung mit aufzubauen. Niemand wird das für uns tun. Wenn Ihr mit mir übereinstimmt, möchte ich euch sagen: Ihr seid nicht allein. Arbeiterinnen und Arbeiter in aller Welt wollen kämpfen. Ich kandidiere bei dieser Wahl, und ich fordere euch auf, aufzustehen und euch zu wehren. Tut es nicht nur für euch selbst, tut es für eure Kinder und für eure Kolleginnen und Kollegen. Mit einer internationalen Strategie können wir die Macht der Arbeiterklasse entfesseln und den Lauf der Geschichte ändern.

In den Stunden nach der Debatte schickten viele Arbeiter Unterstützungsstatements für Lehmans Kampagne. Ein Arbeiter von General Motors in Flint (Michigan) sagte: „Was für eine Debatte! Lehman hat es geschafft! Alle haben von Anfang an versucht, die falsche Vorstellung zu verbreiten, dass Will grundsätzlich gegen die gesamte Gewerkschaft und damit gegen die arbeitenden Mitglieder sei. Seine Antworten waren großartig, um die Klassengegensätze und das Schmarotzertum der Bürokratie zu erklären.“

Ein Arbeiter des Volvo Trucks-Werks New River Valley in Dublin (Virginia), dem Ort eines wichtigen Streiks im letzten Jahr, der vom UAW-Apparat niedergeschlagen worden war, sagte: „Will hat sie in den Hintern getreten, der alte Ray [Curry] hat sich den Arsch weggelogen. Er sagte in Bezug auf die Rentner wörtlich: ‚Was können wir für sie tun, sie sind im Ruhestand, und das Unternehmen will nicht einmal mit uns über sie sprechen?‘ Und er sitzt da und sagt, dass er mehr für sie erreicht habe.“

Ein Arbeiter der Dana Corporation meldete sich, wo Arbeiter mit überwältigender Mehrheit für einen Streik gestimmt hatten, aber ihnen war letztes Jahr ein Ausverkaufsvertrag aufgezwungen worden. Er sagte: „Ich konnte einen Teil der Debatte mitverfolgen, und es war wirklich fantastisch. Wir konnten sehen, dass wir Arbeiter und unsere Interessen vertreten wurden. Will ist vor keinem dieser Typen eingeknickt.“

Weitere Informationen über die Kampagne von Will Lehman für das Amt des UAW-Präsidenten findet ihr unter WillforUAWPresident.org.

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