Bundesregierung beschafft Atombomber, Kinderkliniken kollabieren

Inmitten einer Welle von Covid-19-Todesfällen und Atemwegserkrankungen, die Kinderkliniken bundesweit an den Rand des Zusammenbruchs treibt, hat der Bundestag zehn Milliarden Euro für die Beschaffung von Atombombern freigegeben. Die Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf die kriminelle Politik der herrschenden Klasse.

Am Mittwoch vergangener Woche bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages den Kauf von 35 Kampfjets des Typs F-35 II für 10 Milliarden Euro. Am selben Tag kündigte Europas größte Universitätsklinik Charité an, in den Notbetrieb zu gehen. Die Kinderstationen seien derart überlastet, dass „seit Wochen Ärzte und Pflegepersonal von normalen Stationen auf die Kinderstationen abgezogen“ werden müssten, berichtet die Deutsche Welle. Trotz „24/7-Betrieb in allen Kinderrettungsstellen“ könne man „die Versorgung nicht mehr sicherstellen“, so eine Charité-Kinderärztin.

Kind im Krankenhausbett [Photo: Medical University of South Carolina]

Wie eine Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ergab, musste bundesweit bereits jede zweite Klinik Kinder für die Kinderintensivmedizin ablehnen. Auch auf der Normalstation hatten von 110 Kinderkliniken 43 kein einziges Bett mehr frei. Auch Beatmungsgeräte sind Mangelware. Hinzu kommt der verheerende Personalmangel, der dazu führt, dass fast 40 Prozent der Kinderintensivbetten nicht betrieben werden können. DW zitiert einen leitenden Oberarzt der Kinderintensivmedizin in Hannover mit den Worten: „Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können.“

Die kriegsähnlichen Zustände an deutschen Kinderkliniken sind das Ergebnis der Politik der Bundesregierung, die in der Ukraine Krieg gegen Russland führt und im Inland einen Klassenkrieg gegen die eigene Bevölkerung entfesselt, um das Blutvergießen zu finanzieren.

Jeder einzelne der 35 Tarnkappenbomber – die explizit dem Abwurf von in Deutschland lagernden US-Atomwaffen dienen sollen – könnte die vollständige Neuerrichtung einer hochmodernen Kinderklinik finanzieren. Stattdessen haben SPD, Grüne und FDP mit dem Segen aller Bundestagsparteien beschlossen, den Gesundheitsetat im Vergleich zum letzten Jahr trotz anhaltender Pandemie um 40 Milliarden Euro zu kürzen – und zusätzlich 118.000 Sturmgewehre von Heckler & Koch anzuschaffen.

Wie die Online-Ressource „GrippeWeb“ des Robert-Koch-Instituts angibt, liegt die Zahl der Atemwegsinfektionen in Deutschland bereits weit über dem saisonalen Niveau und droht weiter anzusteigen. Der Anteil der Personen mit einer akuten Atemwegserkrankung (ARE) beträgt gegenwärtig mehr als 11 Prozent, Tendenz „deutlich steigend“. Das bedeutet, dass etwa jeder Neunte in Deutschland derzeit an einer Atemwegsinfektion leidet. 2021 lag der Anteil von Personen mit ARE bei nur knapp 4 Prozent. Der Anstieg ist die Folge der Aufhebung der minimalsten Corona-Schutzmaßnahmen.

Das RKI schätzt die Lage folgendermaßen ein: „Der aktuell sehr hohe Wert überschreitet sogar die Höchstwerte, die sonst in starken Grippewellen bisher erreicht wurden.“ Hauptverursacher der Atemwegs-Infektionen sind besonders die Influenza und das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Das RSV befällt vor allem Säuglinge und Kleinkinder.

Auch DIVI-Präsident Christian Karagiannidis ist über die aktuelle Situation sehr besorgt, denn „so etwas habe ich noch nicht erlebt“. Zum chronischen Mangel an Pflegekräften kommt momentan noch der hohe Krankenstand beim Gesundheitspersonal hinzu.

Gerald Gaß, Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) bemerkt zu den Ausfällen: „Wir dürften beim Personal mittlerweile bei einem Ausfall von neun bis zehn Prozent liegen.“ Das sind in dieser Jahreszeit 30 bis 40 Prozent mehr als normalerweise. Die prekäre Personalsituation sorgt dafür, dass Betten in Kliniken nicht genutzt werden können oder sogar ganze Stationen geschlossen werden müssen.

Die Berliner Charité-Klinik arbeitet zum Beispiel seit dieser Woche nur noch im Notbetrieb. Alle planbaren Operationen werden deshalb verschoben. Stark betroffen von Personalausfällen sind die Kinderkliniken, wo schon alle Mitarbeiter am Limit arbeiten. Kinder müssen teilweise in den Krankenhausfluren übernachten und Eltern stundenlang warten. Oder Kinder und Eltern müssen wegen Überfüllung stundenlang eine andere Kinderklinik suchen, die noch ein freies Intensivbett hat.

Diese Situation sorgt nicht nur bei den Kindern für Verzweiflung, sondern vor allem auch bei deren Eltern. Mitarbeiter am Virchow-Klinikum der Charité berichteten Reportern der World Socialist Web Site, dass die Kinderklinik bis auf den letzten Platz belegt sei. Sie sind wütend und verzweifelt über die Situation.

„Es häufen sich Fälle von Androhung oder der tatsächlichen Ausübung psychischer und physischer Gewalt gegenüber dem Gesundheitspersonal“, fasst Gerda Hasselfeldt, die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, die katastrophale Lage zusammen.

Heinz Hilgers, der Präsident des Kinderschutzbundes, findet, dass „es ein Armutszeugnis für die Politik ist, dass jetzt nicht einmal genug Medikamente und fiebersenkende Mittel für Kinder vorhanden sind“.

Zurzeit bestehen erhebliche Lieferengpässe bei bestimmten Arzneien für Kinder, wie Fiebersaft und Zäpfchen, und auch bei den Erwachsenen fehlen Krebsmittel und Antibiotika. Das liegt an der hohen Anzahl von Atemwegsinfektionen bei Kindern.

Hinzu kommt der Ausstieg von Arzneiherstellern – wie aktuell von 1A Pharma, einer Tochtergesellschaft des Schweizer Pharmaunternehmens Novartis, das bei Fiebersäften einen Marktanteil von 30 Prozent hatte. Der Grund dafür ist, dass wegen steigender Produktionskosten der Profit sinkt. Novartis hatte 2021 – mitten in der Pandemie – weltweit noch 24 Milliarden US-Dollar Gewinn erzielt.

„Die aktuellen Engpässe sind Folge eines jahrelangen Drucks auf Preise und Herstellkosten bei Generika“, beklagt der Herstellerverband Pro Generika. Folglich zögen sich immer mehr Generika-Hersteller aus der Produktion von wichtigen Arzneien zurück.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat daraufhin für diese Woche einen Gesetzentwurf zur „Überwindung der Lieferengpässe“ angekündigt. Für die Lieferengpässe macht er besonders die falsche Preispolitik verantwortlich. „Der Preis hat die alleinige Rolle gespielt, die Verfügbarkeit der Arzneimittel hat eine zu geringe Rolle gespielt. Das wollen wir aufheben,“ so Lauterbach. Mit anderen Worten: Die Profite der Pharmakonzerne sollen Vorrang haben und die Preise steigen, auch wenn dies das Gesundheitssystem noch stärker belastet.

Das Gesundheitssystem wird seit langem von den etablierten Parteien kaputtgespart und auf Gewinnmaximierung getrimmt. Aktuell wird der Bundesetat für Gesundheit von 64,3 Milliarden Euro auf 24,5 Milliarden Euro gestutzt. Die Militärausgaben wachsen dagegen von knapp 50 auf 58,6 Milliarden Euro. Hinzu kommt noch das Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro.

Die WSWS sprach vor der Charité mit Beschäftigten. Ein Arbeiter sagte: „Ich finde das unmöglich. Hier sollte das Geld hingehen. Hier wird alles dicht gemacht, und ins Militär fließt das Geld rein, um den Krieg zu finanzieren. Ich bin da eurer Meinung.“

Sabine fand es schlecht, dass Atombomber angeschafft werden: „Dafür haben sie Geld, aber für die Kinder haben sie keines. Für so Vieles ist Geld da. … Ich habe Glück, meine Kinder sind noch gesund. Aber dafür sind jetzt die Erzieher krank! Jeder gewinnt am Krieg, nur die Kleinen nicht – die Kleinen müssen noch draufzahlen. Ich war Patientin der nephrologischen Abteilung. Dass die Kinderstationen voll sind, habe ich mitbekommen. Das ist nicht nur in Berlin so, das ist überall so.“

Auch viele andere meinen, es sei „unglaublich“, dass Geld für die Atombomber „verschwendet“ werde. Man könnte davon „viel mehr Leute einstellen“. In Deutschland besteht ein enormer Personalbedarf bei den Pflegekräften. Nach konservativen Schätzungen fehlen insgesamt 200.000 Pflegekräfte.

„Das ist schrecklich“, sagt eine Pflegerin auf der Kinderstation. „Ich bin allgemein gegen Waffen und Waffenlieferungen. Das Geld müsste ins Gesundheitssystem investiert werden. So viele Leute müssen momentan nach Hause geschickt werden, auch Erzieher und Mitarbeiter der Rettungsstelle.“

„Wir Azubis versuchen zu unterstützen, wo wir können“, sagt Rani, die auf einer interdisziplinären Kinderstation arbeitet. „Die Krankenkassen sagen, sie hätten in der Pandemie Verlust gemacht, aber das glaube ich nicht. So viele alte Menschen sind gestorben.“

Natascha von der Kinderchirurgie fügte hinzu: „Es sind keine Betten mehr frei. Es gibt auch kaum einen Pflegedienst mehr, weil der Mangel so groß ist und die Pfleger selbst krank sind.“ Statt 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung des Militärs und weitere Milliarden für imperialistische Kriege sollten diese Gelder in das Gesundheits- und Bildungswesen fließen.

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