Britische Gewerkschaftsbürokratie versucht wachsende Streikwelle zu sabotieren

Die britische Gewerkschaftsbürokratie versucht verzweifelt, den Kampf von Millionen Arbeitern gegen die Angriffe der Arbeitgeber und der Regierung auf Löhne, Arbeitsbedingungen, Renten und Arbeitsplätze zu sabotieren.

Letzten Freitag sagte die Gewerkschaft GMB einen für den 28. Dezember geplanten Streik von Tausenden Beschäftigten der Rettungsdienste ab. Vorausgegangen war am vorherigen Mittwoch ein erfolgreicher Streik des Krankenwagenpersonals, darunter Sanitäter, Techniker, Notarzthelfer und Telefonisten von zehn der elf regionalen Rettungsdienste in England und Wales. Die Mitglieder der Gewerkschaften GMB, Unison und Unite wehren sich dagegen, dass ihnen die Tory-Regierung eine Lohnerhöhung von nur vier Prozent aufzwingen will, obwohl die Einzelhandelspreis-Inflation bereits bei 14 Prozent liegt.

Streikposten von Sanitätern in Rotherham (South Yorkshire) am 21. Dezember 2022

Der Streik wurde abgesagt, obwohl die Regierung kein einziges Zugeständnis gemacht hatte. Die GMB begründete ihren Rückzieher sogar mit der überwältigenden Unterstützung der Öffentlichkeit! Ihre nationale Sekretärin, Rachel Harrison, erklärte: „Wir sind überwältigt von dem erstaunlichen Rückhalt der Bevölkerung am Mittwoch für unser Sanitäts- und Krankenwagenpersonal. Im ganzen Land haben uns die Menschen auf wunderbare Weise unterstützt, und auch uns liegen sie sehr am Herzen.

Deshalb setzen wir den für den 28. Dezember geplanten Streik der GMB aus. Wir wissen, dass die Öffentlichkeit es schätzen wird, Weihnachten ohne zusätzliche Sorgen zu genießen. Sie unterstützen uns, und wir unterstützen sie.“

Die Gewerkschaftsführer haben Angst, dass ein Streik Millionen Arbeiter mobilisieren könnte, die in den Angriffen auf die NHS-Beschäftigten einen Zusammenhang zwischen dem Kampf zur Verteidigung des öffentlichen Gesundheitswesens und ihrem eigenen Kampf zur Verteidigung ihrer Lebensgrundlagen sehen.

Harrison war so verzweifelt bemüht, den Streik abzubrechen, dass sie im Guardian erklärte, der Lohndisput der GMB mit der Regierung ließe sich zwar nur durch ein höheres Angebot lösen, aber jedes Angebot werde den Mitgliedern zur Abstimmung vorgelegt: „Wir sagen der Regierung, sie soll auf uns zugehen, uns ein Angebot machen, und die GMB-Basis wird darüber abstimmen. Wir stellen keine konkrete Forderung auf. Wir würden zwar immer noch gerne ein Angebot sehen, das über der Inflation liegt und die verlorenen Löhne der letzten Jahrzehnte ausgleicht, aber wenn uns ein Angebot vorgelegt wird, dann werden wir es unseren Mitgliedern zur Abstimmung vorlegen.“

Die GMB-Vorsitzende, Rachel Harrison, bei einer Rede vor dem Gesundheits- und Sozialausschuss des Parlaments am 20. Dezember 2022 [Photo: screenshot/Parliament TV website]

Die GMB hat einen weiteren Streik der Sanitäter erst für den 11. Januar angekündigt und gibt der Regierung damit mehr Zeit, ihre Streikbruchmaßnahmen weiterzuentwickeln. Dazu gehört u.a. die Mobilisierung des Militärs und eine Reihe von Anti-Streik-Gesetzen, die bald in Kraft treten sollen.

Eine Niederlage der Sanitätskräfte wäre ein schwerer Schlag für die Hunderttausenden NHS-Pflegekräfte, die am 15. Dezember einen landesweiten Streik begonnen und am 20. Dezember erneut die Arbeit niedergelegt haben, obwohl das Royal College of Nursing und andere Gewerkschaften des Gesundheitswesens verzweifelt versucht hatten, dies zu verhindern.

Kurz vor dem Sabotageversuch der GMB hatte die Communication Workers Union (CWU) einen landesweiten Streik von 40.000 Callcenter-Mitarbeitern bei British Telecom und Ingenieuren bei Openreach für beendet erklärt. Die CWU setzte die Streikmaßnahmen, die im Juli begonnen hatten, nach dem achten Streiktag am 24. Oktober aus und trat in geheime Verhandlungen mit dem Management ein.

Am 28. November gab das Exekutivkomitee der CWU eine Vereinbarung mit dem Unternehmen bekannt, die es nachdrücklich zur Annahme empfahl. Sie verzichtete auf die Forderung einer zehnprozentigen Lohnerhöhung rückwirkend ab April und stimmte einer faktischen Lohnsenkung zu, die aus einer pauschalen Lohnerhöhung von 1.500 Pfund besteht, die nicht rückwirkend ab April, sondern erst ab Januar 2023 und in Monatsraten ausgezahlt werden wird. Die Einigung löste bei den CWU-Mitgliedern Empörung aus. In den sozialen Netzwerken verurteilten viele den Deal und traten aus der Gewerkschaft aus.

Der Ausverkauf bei BT ist eine Warnung an die 115.000 Beschäftigten der Royal Mail, die von der CWU vertreten werden und seit Ende August 19 ein- und zweitägige Streiks für eine Lohnerhöhung, ein Ende der Angriffe auf ihre Arbeitsbedingungen und die Rücknahme des geplanten Abbaus von 10.000 Stellen geführt haben. Der Kampf der Postbeschäftigten wurde von dem Streik bei BT isoliert.

Die CWU hat wiederholt erklärt, sie würde den Poststreik mit einer Lohnerhöhung von neun Prozent und damit unterhalb der Inflation beenden. Vor den beiden letzten Streiktagen am 23. und 24. Dezember bot die Gewerkschaft an, sie abzusagen und eine „Ruheperiode“ bis zum 16. Januar einzuhalten. Als Grundlage für weitere Verhandlungen forderte sie lediglich ein Versprechen des Unternehmens, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten.

Die CWU hat für 2023 keine weiteren Streiks angekündigt.

Die Gewerkschaftsbürokratie der Rail, Maritime and Transport (RMT), die von pseudolinken Gruppen unermüdlich unterstützt wird, versucht den monatelangen Arbeitskampf von 40.000 Eisenbahnern auf der Grundlage eines ähnlichen faulen Deals zu beenden.

Der RMT-Vorsitzende, Mick Lynch, spricht auf einer Kundgebung der UCU in London am 30. November 2022

Der regierungsnahe Daily Telegraph enthüllte letzte Woche, der RMT-Vorsitzende Mick Lynch habe „sich zu geheimen Verhandlungen mit der Führung von Network Rail getroffen, in der Hoffnung, er werde im neuen Jahr um Frieden bitten...“

Die Zeitung schrieb: „Lynch und sein Stellvertreter Eddie Dempsey trafen sich am Dienstagmorgen [den 20. Dezember] zu einem hastig arrangierten Gespräch mit Vertretern von Network Rail... Das Treffen zwischen der RMT und Network Rail... wurde nach zahlreichen Telefonaten in letzter Minute für Dienstagmorgen arrangiert... Es wird davon ausgegangen, dass sich beide Seiten nun auf eine neue Verhandlungsrunde in der zweiten Januarwoche geeinigt haben.“

Der Streik von 70.000 Hochschulbeschäftigten, der dritte landesweite Streik, der seit länger als einem Monat andauert, wird von der Bürokratie der University and College Union (UCU) unterdrückt. Die UCU-Vorsitzende, Jo Grady, kündigte am 15. Dezember an, dass ein Beschluss des Higher Education Committee (HEC) der Gewerkschaft für einen unbefristeten Streik verworfen würde. Grady erklärte eigenmächtig, die Gewerkschaft werde lediglich weitere symbolische Arbeitsniederlegungen in „Blöcken“ im Februar, März und April genehmigen.

Fünf Tage später veröffentlichte Grady eine „Streikstrategie“, die sich ausdrücklich gegen einen unbefristeten Streik aussprach. Sie lehnte eine weitere Entscheidung des HEC zu einem Benotungsboykott im Januar ab und erklärte: „Ein Boykott von Benotungen und Bewertungen, der sich gegen die summative Beurteilung am Ende des akademischen Jahres richtet, sollte am besten nicht vor dem 17. April beginnen“ – also in fast vier Monaten.

Die UCU-Vorsitzende, Jo Grady, spricht bei der Kundgebung der Universitätsgewerkschaft in London am 30. November 2022

In Reaktion auf die erbärmlichen Appelle der Gewerkschaftsbürokratie betonte die Regierung, es werde keine Zugeständnisse geben. Die Times zitierte die Antwort von Gesundheitsminister Steve Barclay auf die Entscheidung der GMB, den Streik der Sanitäter diese Woche abzusagen: „Er erklärte, die Gewerkschaften würden ,de facto einen Generalstreik‘ beginnen“, indem sie den Streik auf Januar verschieben, und verurteilte die „unbezahlbaren Lohnforderungen der Gewerkschaften“. Ein anderer Minister erklärte anonym, „die Gewerkschaften nehmen das Land faktisch in Geiselhaft. Die Regierung wird zu Anfang des Jahres strengere Vorschriften ins Auge fassen.“

Die größte Sorge der Regierung ist, dass die Gewerkschaftsführer nicht in der Lage sein werden, die wachsende Bewegung der Arbeiterklasse aufzuhalten, zumal weitere Streiks bereits angekündigt sind und im neuen Jahr noch weitere dazukommen. 

Unter anderem gibt es diese Woche Ausstände von Beschäftigten der Border Force an den Flughäfen Heathrow und Gatwick sowie des Personals der Driver and Vehicle Standards Agency (DVSA) in mehreren Regionen und von Beschäftigten der National Highways in den West Midlands und im Südwesten Englands.

Ab dem 3. Januar werden die Eisenbahner der RMT mit mehrtägigen nationalen Streiks beginnen, und auch bei den National Highways ist ein landesweiter Streik geplant. Am 5. Januar werden Tausende von Zugführern der Gewerkschaft ASLEF landesweit in den Ausstand treten.

Am 10. Januar werden Zehntausende Lehrkräfte des Educational Institute of Scotland sowie Mitglieder der Scottish Secondary Teachers’ Association streiken. Am gleichen Tag planen die Krankenwagenfahrer von Unison und GMB einen landesweiten Streik, gefolgt von einem weiteren Streik in London, Yorkshire, dem Nordwesten, Nordosten und Südwesten am 23. Januar.

Am 18. und 19. Januar werden die Pflegekräfte des RCN in den Krankenhäusern von London, acht britischen Regionen und bei zwei nationalen NHS-Unternehmen (NHS Resolution und NHS Blood and Transplant) streiken. Weitere Streiks der Sanitäter bei Unison werden am 11. und am 23. Januar stattfinden. Die Sanitäter der GMB werden am 11. Januar ebenfalls streiken.

Die Arbeiter sind nicht nur mit einer Regierung konfrontiert, die ihre Streiks unterdrücken will, sondern auch mit einer Gewerkschaftsbürokratie, die hundertprozentig hinter der herrschenden Elite steht. Ihre Aufgabe besteht darin, alle Forderungen nach breiteren Aktionen gegen die Regierung zu unterdrücken und jeden Kampf zu verhindern.

Die Arbeiter müssen Aktionskomitees als eigene Kampforganisationen gründen, die unabhängig vom Gewerkschaftsapparat sind. Wir rufen Arbeiter auf, sich mit der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) in Verbindung zu setzen und diesen Kampf voranzubringen.

Loading