London: Durchbrecht die Isolation des Abellio-Busfahrerstreiks durch Unite!

Ein Streik gegen Niedriglohnarbeit bei der Busgesellschaft Abellio in London geht in den dritten Monat. An dem Arbeitskampf beteiligen sich fast 2.000 Busfahrer in sechs Betriebshöfen im Süden und Westen der Stadt. Sie fordern für alle Fahrer 20 Pfund pro Stunde (22,80 Euro), eine bessere Vergütung der Überstunden und ein Ende der katastrophalen Arbeitszeiten.

Am Donnerstag, den 19. Januar, fand der neunzehnte Aktionstag statt, und 60 Buslinien in der Hauptstadt wurden bestreikt. Die Abellio-Fahrer sind entschlossen, eine Bezahlung oberhalb der Inflationsrate zu erstreiten, nachdem die Gewerkschaft Unite ihnen seit Jahrzehnten Lohnzurückhaltung verordnet hat. Der Streik wird am 25. und 26. Januar fortgesetzt, und für die erste Februarwoche ist ein dreitägiger Streik vorgesehen.

Streik am Busdepot Beddington Cross (London) [Photo: courtesy of Beddington driver]

Am 31. Dezember hat das Unternehmen eine bescheidene Lohnerhöhung gewährt, aber die Busfahrer blieben standhaft und lehnten diese als ungenügend ab. Der neue Tarif sah eine Erhöhung für Neueinsteiger (bis zu zwei Jahren Betriebszugehörigkeit) unter der Inflationsrate vor, indem ihre Löhne von 13,09 Pfund auf nur 14,71 Pfund pro Stunde anstiegen.

Für die länger beschäftigten Fahrer stieg der Stundensatz von 15,22 Pfund auf 18,00 Pfund, was rund 18 Prozent entspricht. Dies bezieht sich jedoch nur auf den Pauschaltarif, der von Montag bis Freitag gilt, während die prozentualen Erhöhungen für Wochenendarbeit, Überstunden und die Arbeit an Ruhetagen nicht berücksichtigt werden. Diese liegen alle unter der Inflationsrate.

Nachdem Abellio diese Lohnerhöhung einseitig eingeführt hatte, bot das Unternehmen den Fahrern eine Prämie von 500 Pfund an, um den Streik zu brechen. Dann bot Abellio für die neuen Fahrer eine beleidigende Erhöhung des Stundenlohns auf 15,05 Pfund an – ein weiterer Versuch, den Arbeitskampf zu unterlaufen.

Bei der Urabstimmung, die am 13. Januar auf den Betriebshöfen Battersea, Beddington, Southall, Twickenham, Walworth und Hayes stattfand, stimmten 1.137 Fahrer gegen das Angebot, nur 126 stimmten dafür.

Abellio versprach außerdem eine „vollständige Überprüfung der Fahrplanvereinbarung von 2018“ durch eine „Arbeitsgruppe“, die aus Vertretern des Unternehmens und der Gewerkschaft Unite bestehen soll. Dabei sollen neue Fahrpläne „ab Januar 2024“ vereinbart und umgesetzt werden. Diesem Vorschlag begegnen die Fahrer zu Recht mit Misstrauen. Schon die Vereinbarung für 2018 wurde von der Gewerkschaft Unite mitverfasst.

Vor der Urabstimmung warnte Abellio-Geschäftsführer Jon Eardley die Fahrer in einem Schreiben, dass das überarbeitete Angebot „unsere finanziellen Möglichkeiten überschritten“ habe, und setzte sie mit folgender Drohung unter Druck: „Nur eine sofortige Beilegung dieses Streits wird verhindern, dass diesem Unternehmen erheblicher und langfristiger Schaden zugefügt wird und Betriebshöfe, Strecken und Arbeitsplätze gefährdet werden.“ Dies wiesen die Busfahrer zurück.

Nach der Abstimmung wandte sich Eardley erneut an die Fahrer und erklärte: „Wir sind zutiefst enttäuscht, dass nach den konstruktiven Gesprächen mit Unite am Donnerstag das den Mitgliedern unterbreitete Angebot bei der gestrigen Abstimmung nicht angenommen wurde.“ Dieser Angriff Eardleys auf die Fahrer spricht Bände. Der Hinweis auf die „konstruktiven Gespräche“ des Unternehmens mit Unite zeigt das Ausmaß der Absprachen zwischen dem Busunternehmen und der Gewerkschaft, deren Funktionäre sich ausdrücklich geweigert hatten, zu einem „Nein“-Votum aufzurufen.

Socialist Workers Party: PR-Agentur für Gewerkschaftsbürokraten

Der Streik bei Abellio ist der am längsten andauernde in einer Reihe von Lohnkämpfen, die die Londoner Busfahrer im letzten Jahr geführt haben. Bei Arriva, RATP und Metroline haben Tausende von Busfahrern für einen Arbeitskampf gestimmt, um gegen niedrige Löhne und die zügellose Ausbeutung zu kämpfen. Die Fahrer forderten einen gemeinsamen Arbeitskampf in ganz London. Aber die Gewerkschaft Unite lehnte diese Forderungen ab und setzte Lohnabschlüsse unterhalb der Inflationsrate durch: 3,5 Prozent bei Arriva London South, 11 Prozent bei Arriva London North, 9,25 Prozent bei London United (RATP) und 10,25 Prozent bei Metroline.

Mit dem Tarifkonflikt bei Abellio ging das Jahr 2022 zu Ende. Angesichts einer Inflation, die einen 40-Jahres-Rekord erreicht hat, sind die Beschäftigten nicht mehr bereit, Kompromisse einzugehen. Die Generalsekretärin Sharon Graham und andere Spitzenfunktionäre, die für eine lange Reihe fauler Absprachen verantwortlich sind, haben versucht, den Abellio-Konflikt zu nutzen, um den ramponierten Ruf der Gewerkschaft Unite wieder aufzupolieren. Die pseudolinke Socialist Workers Party (SWP) sprang ihnen dabei zu Hilfe.

Unite-Chefin Sharon Grant auf der Kundgebung des Trades Union Congress in London am 18. Juni 2022

Am 16. Dezember besuchte die Unite-Funktionärin Graham einen Streikposten von Abellio-Fahrern und versicherte ihnen, dass sie die volle Unterstützung von Unite hätten. Aber seit dem 20. Dezember hat die Gewerkschaft auf ihrer nationalen Website keine Aktualisierungen mehr über den Arbeitskampf publiziert. Offensichtlich ist er für sie begraben.

Am 13. Januar veröffentlichte die SWP in ihrem Organ Socialist Worker einen Artikel mit der Überschrift „Abellio-Streik zeigt den Weg zum Sieg der Busfahrer“. Darin lobt sie Unite auf geradezu lächerliche Weise. Vor allem verschweigt sie die Tatsache, dass Unite den Abellio-Streik isoliert, und welche Rolle die Gewerkschaft während des ganzen letzten „Sommers und Winters der Unzufriedenheit“ gespielt hat. Als die Arbeitskämpfe im letzten Jahr immer wieder in einen Generalstreik zu münden drohten, ermöglichte Unite ihre Unterdrückung und weitere niedrige Lohnabschlüsse.

Ein Screenhot von der Socialist Worker-Titelseite mit Sam Ords Artikel [Photo: Socialist Worker, January 14, 2023]

Der SWP-Artikel beginnt damit, dass Autor Sam Ord den Kampf für 20 Pfund pro Stunde zu Unrecht auf Unite zurückführt. In Wirklichkeit haben hochrangige Unite-Funktionäre unter Leitung von Guy Langston im Dezember dem Unternehmen ein Gegenangebot von 18,50 Pfund für ältere Fahrer und 15,05 Pfund für Neueinsteiger vorgeschlagen, um den Streik zu beenden.

Ord unternimmt dann den unehrlichen Versuch, Unite mit der Ablehnung des Lohnangebots, das unter der Inflationsrate lag, in Verbindung zu bringen. Voller Bewunderung schreibt er: „In der Stimme des Unite-Gewerkschaftsvertreters lag Stolz und Freude“, als er das Abstimmungsergebnis vom 13. Januar bekanntgab. Ord hüllt sich in diplomatisches Schweigen über die Absprachen von Unite mit Abellio, einschließlich der Aufnahme von Verhandlungen über einen neuen Fahrplanvertrag, dessen Bedingungen den Fahrern vor Vertragsabschluss unbekannt bleiben sollten. Um diesen Ausverkauf zu vertuschen, bietet er folgende wohlwollende Erklärung an: „Die Gewerkschaft hat keine Abstimmungsempfehlungen gegeben, obwohl einige Vertreter sicherlich mit den Mitgliedern gesprochen und auf Ablehnung gedrängt haben.“

Die SWP behauptet: „Die Unterstützung durch andere Beschäftigte war für die Aufrechterhaltung des Streiks von zentraler Bedeutung“ und zitiert einen Unite-Vertreter mit den Worten: „Andere Gewerkschaften – Usdaw, Unison und andere – haben uns besucht.“ Ord fährt fort: „Die Fahrer hupen und jubeln aus dem Fenster, wenn sie an den Streikposten vorbeikommen, ebenso wie die Sanitäter in den Krankenwagen und die Busfahrer von Go Ahead, die ähnliche Strecken bedienen.“

Der Verweis auf Go Ahead ist besonders zynisch. Bei den beiden Verkehrsunternehmen überschnitten sich die Tarifkonflikte in 2022, wobei Unite dafür sorgte, dass die Fahrer der beiden größten Busunternehmen voneinander getrennt blieben. Die Fahrer von Go Ahead konnten nur hupend abstimmen, da ihnen eine Urabstimmung verweigert wurde. Sie hatten ein Lohnangebot von 9 Prozent abgelehnt. Aber Unite sorgte dafür, dass keine Urabstimmung über einen Arbeitskampf stattfand, und setzte sich dann dafür ein, dass der überarbeitete Tarifvertrag von 10,5 Prozent angenommen wurde, der weit unterhalb der Inflationsrate liegt.

Ords Artikel ist reinste Schönfärberei. Über andere Gewerkschaften schreibt er tadelnd: „Während der landesweiten Bahnstreiks hat die Bahngewerkschaft Streiks unterbrochen, wieder aufgenommen und erneut kurzfristig abgesagt.“ Aber genau dieselbe Taktik wendet Unite bis heute im gesamten Londoner Busnetz an, mit zeitweiligen Warnstreiks, die einseitig abgesagt werden, um Lohnabschlüsse unterhalb der Inflationsrate durchzudrücken.

Die Abellio-Fahrer können ihren Kampf nicht allein gewinnen. In seinem Schreiben von letzter Woche versuchte Eardley, das Lohnangebot des Unternehmens in Höhe von 12,9 Prozent mit dem Hinweis zu rechtfertigen, dass die Löhne, die weit unter der Inflationsrate liegen, doch „wesentlich höher sind als die Löhne, die anderswo geboten werden, z.B. bei der Eisenbahn, bei den Postangestellten und im Gesundheitswesen“.

Notwendig ist eine koordinierte politische Offensive in den Betrieben, um die Busfahrer in ganz London zusammenzuschließen und sie mit Zehntausenden von Eisenbahn-, U-Bahn- und anderen Beschäftigten im Vereinigten Königreich und in ganz Europa zu vereinen, die ebenfalls den Kampf aufnehmen. In jedem Betrieb müssen unabhängige Aktionskomitees gegründet werden, um diesen Kampf zu führen. Dafür ist der Aufbau einer neuen sozialistischen Massenpartei notwendig.

Der jüngst veröffentlichte Oxfam-Bericht über die weltweite soziale Ungleichheit beweist, dass Lohnunterdrückung und die Explosion der Lebenshaltungskosten ein globales Phänomen sind. Es hat seine Wurzeln im Kapitalismus und in der Diktatur einer Finanz- und Unternehmensoligarchie, die staatliche Unterstützung genießt. Die Gewerkschaftsbürokratie hält dieses System aufrecht, und ihre Funktionäre fungieren als Betriebspolizisten, um die wachsende Rebellion der Arbeiterklasse zu unterdrücken. Sie verteidigen ihre eigene korporatistische Allianz mit den Großkonzernen und dem Staat.

Während Abellio mit Unite zusammenarbeitet, um den Ausverkauf der Fahrer auszuhandeln, arbeitet das Unternehmen auch hinter den Kulissen daran, den Streik zu brechen. Abellio hat seine Bemühungen um die Einstellung von Leihfahrern verstärkt und bietet einen einmaligen Bonus von 2.000 Pfund. Ohne Zweifel setzt das Busunternehmen auf die Unterstützung durch die neuen drakonischen Anti-Streik-Gesetze der Tory-Regierung.

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