Deutsche Post DHL: Nehmt den Streik selbst in die Hand

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir rufen euch auf: Schließt euch unserem gewerkschaftsunabhängigen Post-Aktionskomitee an, um die kommende Streik-Auseinandersetzung vorzubereiten. Verdi kämpft nicht für unsere berechtigten Forderungen, sondern bereitet einen Ausverkauf vor.

Unser Streik ist Teil einer europaweiten Bewegung von Arbeiterinnen und Arbeitern gegen die Folgen von Krieg, Inflation, Sozial- und Arbeitsplatzabbau. Derzeit kämpfen 2,5 Millionen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen genauso wie wir gegen die Senkung ihrer Reallöhne. Im März stoßen über 200.000 Eisenbahner hinzu. In Frankreich protestieren Millionen gegen die „Rentenreform“, und im Vereinigten Königreich streiken Hunderttausende gegen Lohnraub, Arbeitsplatzabbau und die Einschränkung des Streikrechts.

Unsere Reallöhne sinken seit Jahren. Erst die Verdi-Mitglieder haben in der Befragung vor der Tarifrunde die 15-Prozent-Forderung durchgesetzt. Hätten wir Verdi machen lassen, hätten sie wie im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen rund 10 % gefordert und würden jetzt das Angebot der Post mit ein paar Korrekturen annehmen.

Denn der Konzern rechnet sein Angebot zu einer durchschnittlich 11,5-prozentigen Lohnerhöhung schön. Dabei bezieht er die steuerfreie Einmalzahlung von 3000 Euro, die er auf die Laufzeit von 24 Monaten verteilen möchte, ausdrücklich mit ein. Doch wenn das Geld verbraucht ist, sind unsere Löhne immer noch niedrig, die gestiegenen Preise bleiben.

Tabellenwirksam sollen wir in diesem Jahr nicht einen Cent mehr bekommen. Im nächsten Jahr sollen dann 150 Euro pro Monat (oder 5 % bis 7 % mehr) mehr gezahlt werden. Im Dezember 2024 soll es dann eine weitere Erhöhung von 190 Euro geben. An die Post-Aktionäre werden auch in diesem Jahr über 2 Milliarden Euro an Dividenden ausgeschüttet, aber für die Bezahlung unserer Mieten und Lebensmittel soll kein Geld da sein.

Wir haben mit unseren Warnstreiks und Protesten in den letzten Wochen klargemacht, dass wir für unsere Forderungen kämpfen wollen. Doch wir müssen uns bereits jetzt darauf vorbereiten, dass Verdi alles tun wird, um einen Arbeitskampf zu verhindern. Die Verdi-Funktionäre sind gekaufte Handlanger der Post.

Zehn Verdi-Vertreter sitzen im Aufsichtsrat der Post und werden dafür gut bezahlt. Sie erhalten jährlich weit über eine Million Euro. Allein die Verdi-Tarifverhandlungsführerin Andrea Kocsis kassierte 2021 als Stellvertretende Vorsitzende 264.000 Euro. Im letzten Jahr hat sich die Grundvergütung für alle zehn Aufsichtsräte um weitere 30.000 Euro erhöht. Die Verdi-Vertreter streichen davon mindestens 5000 bis 7000 Euro im Jahr ein – ohne die Sitzungsgelder, von denen Kocsis allein im Jahr 2021 19.000 Euro erhielt.

Kocsis, die auch noch im Aufsichtsrat der KfW Bankengruppe sitzt, hat zudem in der Vergangenheit faktisch bewiesen, dass sie und Verdi auf der Seite der Post stehen.

Den Älteren von uns ist der vierwöchige Streik von 2015 noch gut in Erinnerung. Auch damals waren wir kampfbereit. Wir wollten verhindern, dass die Post mit den 49 Filialen ihrer Tochter DHL Delivery das gesamte Lohniveau senkt und die Arbeitsbedingungen verschärft.

Verdi hatte damals unseren Streik schändlich ausverkauft. Die Regionalgesellschaften der DHL Delivery mit ihren extremen Niedriglöhnen blieben bestehen. Dennoch sagte Kocsis damals: „Wir sind mit dem Abschluss sehr zufrieden.“ Vier Jahre später, 2019, senkte Verdi dann die Einstiegslöhne für Zusteller rapide ab, so dass die Post ihre Billigtochter gar nicht mehr nötig hatte. Kocsis verkaufte das als „riesigen gewerkschaftlichen Erfolg“.

Aktuell erhalten Neueinsteiger bei uns nur einen Stundenlohn von 12,60 Euro, das ist etwas mehr als der Mindestlohn. Anfangs erhielten sie die ersten drei Jahre auch nicht die Jahreszuwendungen und die Stufensteigerungen. Bis heute erhalten neue Kolleginnen und Kollegen nicht sofort die gleichen Zusatzleistungen wie die Altbeschäftigten.

Gleichzeitig hat sich die Arbeitsbelastung ins schier Unerträgliche gesteigert. Früher hatten wir im Jahresverlauf im Sommer stets etwas weniger Brief- und Paketaufkommen. Wir erholten uns in diesem „Sommerloch“ von den Hochzeiten im Herbst und Winter. Nun wird die Belegschaft im Sommer einfach reduziert, so dass die Arbeitsbelastung durchgehend hochgehalten wird. Im Herbst/Winter werden aber in Relation zum steigenden Brief- und Paketaufkommen nicht mehr so viele Neueinstellungen getätigt wie im Sommer abgebaut wurden – mit der Folge der ständigen Erhöhung der Arbeitsbelastung.

Der Personalabbau im Sommer wird dem Konzern durch die erhöhte Fluktuation erleichtert. Die meisten unserer neuen, jungen Kolleginnen und Kollegen machen unseren Knochenjob für 12,60 Euro in der Stunde nicht lange mit. Viele bleiben nur Wochen oder Monate.

Diese Situation haben wir der engen Zusammenarbeit von Vorstand und Verdi zu verdanken. Die Vorstandsposten bestellt der Präsidialausschuss des Aufsichtsrates, in dem für Verdi u. a. Kocsis sitzt. Seit Klaus Zumwinkel 1989 die Leitung der privatisierten Post übernahm, kommen die Vorstandsvorsitzenden von der Unternehmensberatung McKinsey. Auch wenn im Mai Tobias Meyer, bis jetzt Chef des Brief- und Paketgeschäfts, den Posten von Frank Appel übernimmt, bleibt das so. Meyer kommt – genauso wie Finanzvorständin Melanie Kreis – ursprünglich von McKinsey. Die Post: eine „McKinsey-Filiale“.

Verdi und Kocsis werden alles tun, um einen Vollstreik zu verhindern. So wurde die Urabstimmung auf zwei Wochen ausgedehnt, um im Hintergrund inoffizielle Gespräche stattfinden zu lassen. So soll ein Ausverkauf vorbereitet werden. Welchen „gewerkschaftlichen Erfolg“ hecken sie diesmal aus?

Wir schlagen vor, dass wir uns bereits jetzt unabhängig in allen Verteilzentren in Aktionskomitees organisieren, um die Urabstimmung zu kontrollieren, den Streik vorzubereiten und unsere Forderungen durchzusetzen. Diese Aktionskomitees müssen sich bundesweit zentral vernetzen und unabhängig von den Gewerkschaften sein. Das gilt nicht nur für Verdi, sondern auch für die anderen Gewerkschaften. Sie sind keine Alternative. Die DPVKOM etwa hatte eine Entgelterhöhung um 12 Prozent gefordert und sich jetzt positiv zum Post-Tarifangebot geäußert.

Die Aktionskomitees müssen alle Beschäftigten der Post organisieren und sich gleichzeitig als Teil der europäischen Streik- und Protestbewegung verstehen. Wir müssen uns an unsere rund 450.000 Kolleginnen und Kollegen in den anderen Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP) wenden, bei Amazon, Hermes, UPS, Fedex, DPD, GLS usw. Sie sind durch die Beibehaltung der Subunternehmerschaft meist noch schlimmer dran als wir. Viele von ihnen werden selbst um den Mindestlohn betrogen.

Unsere Verbündeten sind auch die 2,5 Millionen Beschäftigten, die sich gerade im öffentlichen Dienst im Tarifkampf befinden, die 210.000 Eisenbahner, die im März in die Tarifauseinandersetzungen gehen und schließlich all die Beschäftigten, die in ganz Europa gegen die Folgen der Nato-Kriegseskalation sowie die gestiegenen Verbraucherpreise kämpfen. In Europa liegt die Inflation bei über 10 %, bei Lebensmittel und Energie bei einem Vielfachen.

Die europäischen Regierungen geben Hunderte Milliarden Euro für Aufrüstung und Krieg aus, und wir sollen dafür zahlen – mit Sozialkürzungen wie in Frankreich bei den Renten, mit Arbeitsplätzen und Lohnsenkungen wie im Vereinigten Königreich, Italien, Spanien, hier in Deutschland und vielen anderen Ländern.

Uns bleibt nicht viel Zeit. Das Ergebnis der Urabstimmung soll am 9. März bekanntgegeben werden. Nur indem wir jetzt selbst aktiv werden und uns unabhängig zusammenschließen, können wir unsere Reallöhne und Arbeitsbedingungen verteidigen.

Hängt diesen Aufruf in den Zustellstützpunkten und Verteilzentren aus, verbreitet ihn über Social Media und Messenger in euren Gruppen. Schließt euch unserem Aktionskomitee an und baut selbst in euren Verteilzentren Aktionskomitees auf. Kontaktiert uns dazu und schickt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340

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