Stadt Frankfurt zensiert Roger Waters-Konzert unter falschem Vorwurf des Antisemitismus

In einem massiven Akt der politischen und künstlerischen Zensur beschloss der Magistrat der Stadt Frankfurt am Freitag, das für den 28. Mai geplante Konzert von Roger Waters zu stoppen. So wies der von einer Koalition der Berliner Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP und der pro-EU-Partei Volt geführte Magistrat die Frankfurter Messe an, das Konzert von Waters „unverzüglich aus wichtigem Grund außerordentlich zu kündigen“.

Roger Waters auf der Bühne (Foto: Vala Jeyhani)

Die Anweisung richteten die Frankfurter Regierungsparteien de facto an sich selbst. Die Festhalle gehört zu 60 Prozent der Stadt und zu 40 Prozent dem Land, dessen Gesellschafter von der schwarz-grünen Landesregierung Hessen dem Beschluss ebenfalls zugestimmt haben. Man werde die Anweisung umsetzen, betonte der Pressesprecher der Messe Frankfurt, Markus Quint, gegenüber der Frankfurter Rundschau.

Begründet wird das aggressive Vorgehen mit dreisten und jeder Grundlage entbehrenden Antisemitismus-Vorwürfen gegen Waters. „Hintergrund der Absage ist das anhaltend israelfeindliche Auftreten des früheren Pink-Floyd-Frontmanns, der als einer der reichweitenstärksten Antisemiten der Welt gilt“, heißt es in einer Meldung auf der offiziellen Website der Stadt Frankfurt vom Freitag.

Die Denunziation von Waters als Antisemit ist eine dreiste Lüge, die dieser wiederholt scharf zurückgewiesen hat. „Ich bin nichts von alledem. Ich war es nie und werde es nie sein“, schrieb er bereits im vergangenen Herbst auf Facebook, als die Kampagne gegen seine Konzerte in Deutschland – neben Frankfurt stehen Hamburg, Köln, München und Berlin auf dem Programm – an Fahrt aufnahm. Er sei „als leidenschaftlicher Unterstützer von Friedensbewegungen im Allgemeinen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ... im Besonderen bekannt“ und setze sich „für gleiche Menschenrechte für alle meine Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt ein, ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität“.

In einem aktuellen Interview mit der Berliner Zeitung weist Waters auch die vom Frankfurter Magistrat erneut aufgetischte Verleumdung zurück, er hätte bei einer früheren Tour antisemitische Symbolik verwendet. Dass während des Songs „Goodbye Blue Sky“ in der „The Wall“-Show ein aufblasbares Schwein mit einem Davidstern über die Bühne geflogen sei, habe „nichts Antisemitisches beabsichtigt oder ausgedrückt“.

Die wirkliche Botschaft sei im Kontext der Show absolut klar gewesen. „Damit der Zusammenhang erkennbar wird, sieht man auf einem runden Bildschirm hinter der Band B52-Bomber“, erklärt der ehemalige Pink Floyd Frontmann. „Aber sie werfen keine Bomben ab, sondern Symbole: Dollarzeichen, Kruzifixe, Hammer und Sichel, Stern und Halbmond, das McDonald’s-Zeichen - und den Stern Davids.“

Dies sei „eine theatralische Satire, ein Ausdruck meiner Überzeugung, dass die Entfesselung dieser Ideologien oder Produkte auf die Menschen vor Ort ein Akt der Aggression ist, das Gegenteil von Menschlichkeit, das Gegenteil von Liebe und Frieden unter uns Brüdern und Schwestern.“ Er wolle damit sagen, „dass in den falschen Händen alle Ideologien, die diese Symbole repräsentieren, böse sein können.“

Auch Waters Unterstützung für die BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen Israel) hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Dem Musiker geht es um den Kampf für die Rechte der unterdrückten Palästinenser und für Demokratie in Israel selbst. „Israel könnte seine Gesetze ändern. Sie könnten sagen: Wir haben unsere Meinung geändert, es ist erlaubt, dass Menschen Rechte haben, auch wenn sie keine Juden sind. Das wäre es dann. Dann bräuchten wir BDS nicht mehr“, erklärt Waters.

Die Methode, die der Frankfurter Magistrat mit Unterstützung der Landes- und Bundesregierung gegen Waters anwendet, ist so schmutzig wie bekannt. Unter dem falschen Vorwurf des Antisemitismus soll jede Opposition gegen die brutale und im Kern faschistische Politik der israelischen Regierung, in der offen rechtsextreme Kräfte den Ton angeben, mundtot gemacht werden.

Die World Socialist Web Site hat immer wieder klargestellt, dass Kritik an der Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch Israel nichts mit Antisemitismus zu tun hat. Ganz im Gegenteil hat die Behauptung, das gewaltsame Vorgehen des zionistischen Regimes gegen eine größtenteils wehrlose Bevölkerung geschehe im Namen des Judentums, einen dezidiert antisemitischen Charakter.

Hinzu kommt, dass der Vorwurf des Antisemitismus allen voran in Deutschland von den gleichen extrem rechten und militaristischen Kräften benutzt wird, von denen die wirkliche faschistische und antisemitische Gefahr ausgeht. Bezeichnenderweise wurden die sogenannten „Antisemitismusresolutionen“, die der Deutsche Bundestag in den letzten Jahren verabschiedet hat, allesamt von der faschistischen AfD unterstützt – einer Partei, deren führende Vertreter den Holocaust verharmlosen und die Nazi-Wehrmacht verherrlichen.

Wenn die Stadt Frankfurt in ihrer Mitteilung gegen Waters daran erinnert, dass „nach der Pogromnacht 1938 3000 jüdische Männer aus Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet in die Festhalle gebracht, misshandelt und später in Konzentrationslager deportiert“, ist das der Gipfel des Zynismus. Nicht Waters knüpft mit seiner Kunst an die faschistischen Traditionen und Verbrechen der Nazi-Zeit an, sondern die herrschende Klasse in Deutschland.

90 Jahre nach der Machtergreifung Hitlers verfolgt sie das erklärte Ziel, Deutschland wieder zur führenden Militärmacht zu machen und schickt deutsche Kampfpanzer gegen Russland. Dabei hofiert und stärkt sie nicht nur in der Ukraine offen faschistische Kräfte, sondern auch in Deutschland selbst. Den Regierungsparteien ist Waters vor allem auch deshalb ein Dorn im Auge, weil er als einer der wenigen Künstler dieser gefährlichen Entwicklung mutig entgegentritt.

Waters aktuelle Tour „This Is Not a Drill“, die nach einem erfolgreichen ersten Teil in Nordamerika nun nach Europa und Deutschland kommt, ist nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein starkes politisches Statement. Wie die WSWS in ihrer Besprechung kommentierte, befasst sich nahezu jeder Song „mit den drängenden Fragen unserer Zeit: imperialistischer Krieg, Faschismus, das Gift des Nationalismus, die Not der Flüchtlinge, die Opfer staatlicher Unterdrückung, weltweite Armut, soziale Ungleichheit, der Angriff auf demokratische Rechte und die Gefahr der nuklearen Vernichtung“.

Vor allem den Kampf gegen den eskalierenden Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine stellt Waters ins Zentrum seines aktuellen Schaffens. Gegenüber der Berliner Zeitung betont er:

Alles, was ich mit meinen neuen Musikaufnahmen, meinen Statements und Auftritten zu erreichen versuche, ist, dass unsere Brüder und Schwestern an der Macht den Krieg beenden – und dass die Menschen verstehen, dass unsere Brüder und Schwestern in Russland nicht unter einer repressiven Diktatur leben, genauso wenig wie Sie in Deutschland oder ich in den USA. Ich meine, würden wir uns dafür entscheiden, weiterhin junge Ukrainer und Russen abzuschlachten, wenn wir die Macht hätten, es zu beenden?

Die Absage von Waters’ Konzert in Frankfurt ist eine ernsthafte Warnung. Die Hinwendung der herrschenden Klasse zu Krieg und Militarismus geht wie in der Vergangenheit mit massiven Angriffen auf demokratische und soziale Rechte und der Unterdrückung jeder Opposition im Inneren einher. Die WSWS, die Sozialistische Gleichheitspartei und die International Youth and Students for Social Equality verurteilen das Vorgehen gegen Waters auf das Schärfste und werden eine Kampagne zu seiner Verteidigung führen. Der Kampf gegen Zensur ist ein elementarer Bestandteil des Aufbaus einer neuen mächtigen Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse und Jugend.

Loading