Weitere Warnstreiks im öffentlichen Dienst

Am Montag und Dienstag fanden im öffentlichen Dienst in Berlin, Sachsen, Baden-Württemberg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern erneut Warnstreiks statt. Wie schon letzte Woche kam es in mehreren Bundesländern zu Streiks bei der Müllabfuhr, Krankenhäusern, Kitas und den Verkehrsbetrieben.

Ein Ausschnitt der Demo am Dienstag in Berlin

Während die Wut und die Kampfbereitschaft unter Beschäftigten enorm ist und sie nicht bereit sind, weitere Reallohnkürzungen hinzunehmen, tut die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi alles, um eine breite Mobilisierung zu unterbinden. Sie organisiert die Warnstreiks streng voneinander getrennt und in Form von Nadelstichen. Im Hintergrund arbeiten die Gewerkschaftsbürokraten längst an einem Deal mit den Arbeitgebern, der empfindliche Reallohnkürzungen bedeuten wird.

Das wurde etwa in Berlin deutlich, wo am Montag und Dienstag die Beschäftigten der Stadtreinigung (BSR), der Wasserbetriebe (BWB), vieler Krankenhäuser, der städtischen Kitas und der Arbeitsämter streikten. Verdi hatte die beiden zentralen Streikkundgebungen an den beiden Tagen jeweils vor die abgelegene BSR-Zentrale verlegt, wo niemand darauf aufmerksam wird und die die Arbeiter schlecht erreichen können.

Daher kamen am Montag nur 400 Beschäftigte (vor allem der BSR und der BWB) und am Dienstag sogar nur 250 auf die Kundgebungen. Auch wenn die Dichte an Verdi-Vertrauensleuten und Funktionären sehr hoch war, zeigten sich in Gesprächen mit einfachen Arbeitern die enorme Wut über die Reallohnkürzung, die Kampfbereitschaft und die Unzufriedenheit mit den beschränkten Aktionen Verdis.

„Das Angebot des Bundes und der Kommunen ist lachthaft“, sagt etwa ein 40-jähriger BSR-Beschäftigter. „Fünf Prozent auf drei Jahre, und die Auszubildenden sollen sogar nur die Hälfte bekommen.“ Das gleiche die Inflation nicht ansatzweise aus. „Beim Streik beteiligen sich jetzt mehr, viele Dienstleistungssegmente kommen jetzt zusammen.“

Krankenpflegerin Marianne

In der Pflege führen die niedrigen Löhne schon jetzt zur dauerhaften Unterbesetzung der Stationen, was die Arbeit für die verbliebenen Pflegerinnen und Pfleger unerträglich macht. „Wir haben im Moment eine Mindestbesetzung von einer examinierte Pflegekraft auf fünf Patienten, oft sind es noch mehr,“ sagt etwa Marianne, die als Pflegerin in der neurologischen Frühreha des Jüdischen Krankenhauses arbeitet. Eigentlich müsste es eine Kraft für drei Patienten sein, „dann könnte man sie auch wirklich patientengerecht pflegen, so wie sie es eigentlich brauchen“.

„Wir sind hier, um mehr Druck auf die kommenden Verhandlungen auszuüben, aber ich habe keine große Hoffnung, dass sich da was tut“, sagt eine andere Arbeiterin aus dem Gesundheitsbereich. „Ohne großen Streik wird man nichts erreichen. Obwohl wir hier nicht viele sind, ist es doch gut, dass wir jetzt Streikende von vielen Dienstleistungssektionen haben, Pfleger aus den Krankenhäusern, Müllwerker, Berliner Wasserbetriebe, Erzieher, Leute aus der Verwaltung.“

Vertreter der WSWS verteilten den Artikel „Das Angebot von Bund und Kommunen ist eine Provokation“ und diskutierten die Perspektive eines europäischen Streiks gegen Reallohnkürzungen und Kriegspolitik. In Frankreich streiken Millionen gegen die Rentenkürzungen, in Großbritannien hunderttausende gegen Lohnsenkungen und Angriffe auf das Streikrecht. „Es ist eigentlich richtig, dass man sich international zusammenschließen sollte“, erklärt daraufhin Matti, ein 25-jähriger Mitarbeiter der Wasserbetriebe.

„Ich bin auch nicht in der Gewerkschaft“, fährt fort, „aber ich streike heute trotzdem mit meinen Kollegen. Ich will keinen Vertreter, der bei den Verhandlungen auf dem Schoß des Arbeitgebers sitzt und uns dann vor vollendete Tatsachen stellt. Beim letzten Streik habe ich das gemerkt. Die Energien, die entstehen, verpuffen in kleinen Aktionen. Ich bin der Meinung, wenn man schon streikt, dann muss man seine ganze Kraft einsetzen.“

Ein Ausschnitt der Kundgebung am Montag

Sein Kollege Klaus (35) sieht auch eine klare Verbindung der Reallohnsenkungen und der Kriegspolitik: „Es ist richtig, wenn ihr sagt, dass die Stadtverwaltung jetzt versucht, im öffentlichen Dienst an Lohnkosten zu sparen, um die erhöhten Kosten für den Krieg in der Ukraine auszugleichen. Das ist in der Geschichte schon immer so gewesen, dass die Arbeiter für den Krieg zur Kasse gebeten werden. Das ist in jedem Land das Gleiche.“

Im Artikel der WSWS heißt es: „Dies alles zeigt, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst vor einem politischen Kampf stehen. Sie können ihre Interessen nur verteidigen, indem sie von Verdi unabhängige Aktionskomitees aufbauen.

Es geht nicht nur darum, die Existenzbedingungen der Arbeiterklasse zu verteidigen, sondern auch, die verheerende Entwicklung zu einem dritten Weltkrieg zu stoppen. Dies ist nur auf der Grundlage des Internationalismus und eines sozialistischen Programms möglich, das das Leben grundsätzlich höher bewertet als den Profit.“

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