Razzia bei Deutschlands größtem Wohnungskonzern Vonovia

Anfang vergangener Woche durchsuchten Ermittler die Zentrale des größten deutschen Wohnungskonzerns Vonovia. Die Staatsanwaltschaft Bochum und das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen ermitteln gegen Mitarbeiter des Konzerns und andere Beteiligte wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung, der Untreue und des Betrugs.

Berliner Mieter demonstrieren im September 2021 für die Enteignung der Wohnkonzerne

In Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen wurden über 40 Privat- und Geschäftsräume durchsucht. Dabei wurden vier Haftbefehle gegen Mitarbeiter, ehemalige Mitarbeiter und Geschäftspartner des Unternehmens vollstreckt. Details wurden mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft nicht mitgeteilt.

Einer der Beschuldigten soll nach seinem Weggang von Vonovia auch bei der in Stuttgart ansässigen GWG-Gruppe Auftragsausschreibungen manipuliert haben. Das zu R+V-Versicherungen gehörende Wohnungsunternehmen besitzt rund 15.000 Wohnungen und ist deutlich kleiner als der börsennotierte Branchenriese Vonovia.

Vonovia besitzt in Deutschland, Österreich und Schweden 565.000 Wohnungen, die meisten davon in Deutschland. Allein in Berlin und Brandenburg verfügt das Unternehmen nach der Übernahme der Deutsche Wohnen 2021 über rund 150.000 Wohnungen. Der Börsenwert liegt derzeit bei fast 18 Milliarden Euro.

Nach Recherchen des Westdeutschen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung sollen mindestens zwei Mitarbeiter über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg Schmiergelder von rund einer halben Millionen Euro erhalten haben. Im Gegenzug sollen sie Bau- und Handwerksfirmen Aufträge in Millionenhöhe zugeschanzt haben, die wiederum überhöhte Preise oder erst gar nicht erbrachte Leistungen in Rechnung stellten.

2021 begannen aufgrund eines anonymen Schreibens die Ermittlungen. „Je mehr die Ermittler herausbekamen, desto mehr zeigte sich das Bild eines mutmaßlichen Schmiergeldsystems, das inmitten des Dax-Konzerns über Jahre agiert haben soll“, berichtete die Tagesschau. Seither wird gegen mindestens 20 Personen ermittelt, laut den ermittelnden Behörden könne diese Zahl aber weiter steigen, da man zahlreichen Spuren nachgehe.

Vonovia reagierte auf die Durchsuchungen, indem es sich als Opfer darstellte, das alles daransetzt, die Vorgänge aufzuklären. Vorstandschef Rolf Buch erklärte: „Wir sind erschüttert. Offenbar haben sich einzelne Mitarbeiter bei unseren Tochterunternehmen zum Schaden von Vonovia bestechen lassen.“ Dies sei „nicht akzeptabel“. Der Immobilienkonzern hat mittlerweile die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte mit einer internen Prüfung beauftragt.

Die Behauptung, Vonovia habe über zehn Jahre lang nichts von den Vorfällen gewusst und sei selbst das Opfer, ist absurd. Wie andere große Immobiliengesellschaften ist auch der Bochumer Konzern für seine maßlose Profitgier und seine undurchsichtigen Methoden berüchtigt, mit denen die Mieter geschröpft werden.

Bereits in den 1990er Jahren gab es ähnliche Vorwürfe gegen den Konzern Veba-Immobilien, aus dem nach mehreren Übernahmen Vonovia hervorgegangen ist.

Im vergangenen Jahr kündigte Vonovia-Chef Rolf Buch in einem Interview mit dem Handelsblatt an, dass die Mieten aufgrund der Inflation deutlich ansteigen würden. Mieterverbände wiesen empört darauf hin, dass die Inflation kein gesetzlich vorgesehener Grund sei, Mieten anzuheben.

Auch als der rot-rot-grüne Senat in der letzten Legislaturperiode in Berlin den „Runden Tisch“ mit Vertretern der Immobilienwirtschaft organisierte, wies Vonovia die Forderung nach einem Stopp oder zumindest einer Begrenzung von Mieterhöhungen strikt zurück.

In Berlin und anderen Großstädten ist der Wohnraum inzwischen dermaßen knapp, dass astronomische Mieten gefordert werden. In dieser Situation erklärte Vonovia in diesem Jahr, in Berlin, Potsdam und Dresden keine Neubauten mehr in Angriff zu nehmen. Allein in Berlin stoppte der Konzern den Bau von 1500 geplanten Wohnungen. Ein Unternehmenssprecher begründete dies mit der hohen Inflation und den gestiegenen Zinsen. Gleichzeitig erhöhte der Konzern seinen operativen Gewinn 2022 um 35 Prozent auf knapp 1,6 Milliarden Euro.

Doch nicht nur mit den reinen Mietkosten macht der Konzern Kasse. Seit Jahren nutzt er die Nebenkosten, um satte Profite einzustreichen. Eine Recherche des Nachrichtenmagazins Der Spiegel fand bereits 2018 heraus, dass der Konzern zu diesem Zweck zahlreiche Tochterfirmen gegründet hat, mit denen er Dienstleistungen – wie die Reinigung der Wohnanlagen oder den Winterdienst – zu stark erhöhten Preisen selbst betreibt.

Als Beispiel führte Der Spiegel eine Hamburger Wohnanlage an, in der sich die Kosten für den Winterdienst um sage und schreibe 1900 Prozent erhöhten. Gleichzeitig war für Mieter nicht mehr nachvollziehbar, welche Leistungen tatsächlich erbracht wurden und welche nicht. Der Artikel berichtet von „fehlerhaften“ und „dubiosen“ Nebenkostenabrechnungen.

Selbst wenn Vonovia nichts von den offen kriminellen Machenschaften einzelner Mitarbeiter gewusst haben sollte, passt es ins Bild, dass diese in einem solchen Unternehmen auftreten.

Der Deutsche Mieterbund hat bereits gewarnt, dass die Mieter Leidtragende der Bestechungen seien. Ein großer Teil des Schadens werde direkt oder indirekt von den Mietern bezahlt. Über die Nebenkostenabrechnung werde er auf die Mieter umgelegt.

Zudem bereitet der Konzern offenbar massive Einsparungen vor. Meldungen zufolge soll der Vorstand verkleinert werden. Es ist davon auszugehen, dass auch weiter an Personal und Dienstleistungen für die Mieter gespart wird. Nach Bekanntwerden der Razzia in der vergangenen Woche gab der Aktienkurs um bis zu fünf Prozent nach. Er hat sich seither nicht erholt.

Der Fall macht einmal mehr deutlich, dass es dringend notwendig ist, die Miethaie entschädigungslos zu enteignen und den Wohnungsbestand in öffentliches Eigentum zu überführen. Wohnen darf kein Luxusgut bleiben, an dem sich profitorientierte Konzerne massiv bereichern.

2021 stimmte in einem Volksbegehren in Berlin eine deutliche Mehrheit dafür, große Immobilienkonzerne wie Vonovia zu enteignen. Trotz dieses Votums der Bevölkerung weigerten sich SPD, Grüne und Linke, den – ohnehin beschränkten – Entscheid umzusetzen. Stattdessen richteten sie einen „Runden Tisch“ mit der Immobilienlobby ein, um deren Profite weiterhin zu sichern.

Alle drei Regierungsparteien, die zuletzt bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus empfindliche Verluste einstecken mussten, hatten die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen ausdrücklich unterstützt. Dabei war ihnen bewusst, dass sie die Lage Tausender Haushalte weiter verschärft.

Um das Ergebnis des Volksentscheids zu umgehen, hatten SPD, Grüne und Linke eine Expertenkommission einberufen, die seit Monaten berät, ob Enteignungen juristisch und finanziell überhaupt zulässig seien oder gar gegen das Grundgesetz verstießen. Die CDU, die voraussichtlich den nächsten Regierenden Bürgermeister der Hauptstadt stellen wird, hat ihrerseits angekündigt, juristisch gegen jedes Rahmengesetz für eine Vergesellschaftung vorzugehen.

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