Credit Suisse und die Macht des Geldes

Um von der zweitgrößten Bank des Landes nicht in den Abgrund gerissen zu werden, hat die Regierung in Bern das Schicksal der Schweiz auf Gedeih und Verderb an die größte Bank des Landes verpfändet. Darin besteht die Bedeutung ihrer Entscheidung vom Sonntag, die Credit Suisse von der UBS übernehmen zu lassen und das Risiko der Fusion zu tragen. Deutlicher hätte sie nicht demonstrieren können, dass nicht das Volk, sondern das große Geld die Politik bestimmt.

Pressekonferenz des Bundesrats zur Bankenfusion [Photo by Der Schweizerische Bundesrat / youtube]

Die Finanzinstitute stehen beide auf der Liste der 30 „global systemrelevanten Banken“ (G-SIBs), die als „too big to fail“ gelten. Durch die Fusion entsteht eine Monsterbank, deren Bilanzsumme mit 1,5 Billionen Franken fast doppelt so groß ist wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz, das sich 2022 auf 771 Milliarden Franken belief. Gerät sie ins Trudeln, löst sie einen Tsunami aus, der den Schweizer Staatshaushalt und Teile der Weltwirtschaft mit in den Abgrund zieht.

„Damit gehen die Schweizer Regierung und die Nationalbank ein enormes Risiko ein,“ schreibt die deutsche Wochenzeitung Die Zeit. „Gerät dieses Monsterinstitut in Schwierigkeiten, nimmt es das ganze Land und seine Bevölkerung in Geiselhaft.“

Der UBS verspricht die Übernahme ihrer Konkurrentin ein lukratives Geschäft. Sie zahlt für die Bank mit einer Bilanzsumme von 531 Milliarden Franken, die zur Zeit des Deals noch 7,4 Milliarden Franken wert war, 3 Milliarden Franken in Form von Aktien. 22,5 CS-Titel werden gegen eine UBS-Aktie eingetauscht.

Trotzdem sichern Nationalbank und Bundesregierung die Risiken der Fusion mit mehr als 200 Milliarden Franken öffentlichen Geldern ab. Zum Vergleich: Der Schweizer Bundeshaushalt beläuft sich 2023 auf rund 80 Milliarden Franken. Die Nationalbank gewährt außerordentliche Liquiditätshilfen im Gesamtvolumen von 200 Milliarden Franken, von denen 100 Milliarden vom Bund abgesichert werden. Dieser garantiert der UBS außerdem weitere 9 Milliarden Franken für allfällige Verluste, die sich aus der Übernahme bestimmter Geschäftsbereiche der CS ergeben.

Weder das Parlament noch die Bürger, die in der Schweiz ein weitgehendes Recht auf Volksentscheid haben, wurden befragt. Selbst die Aktionäre der beiden Banken konnten nicht mitbestimmen. Die Regierung entschied per Notrecht. Teilweise gab es noch nicht einmal eine gesetzliche Grundlage. So soll das Gesetz für die 100-Milliarden-Franken-Garantie an die Notenbank erst in den kommenden Monaten erlassen werden.

Während Vertreter der Regierung, der Notenbank und der Finanzaufsicht unablässig beruhigen und von „überschaubaren“ Risiken reden, sind diese in Wirklichkeit gewaltig. „Das Kernschmelze-Szenario ist freilich mitnichten vom Tisch,“ kommentiert Der Spiegel. „Noch ist völlig unklar, ob die Schweizer Notfusion der Endpunkt einer kurzen, zehntägigen Achterbahnfahrt an den Kapitalmärkten ist oder der Auftakt eines Höllenritts, der auch andere Institute in den Abgrund reißen wird, weil Panik um sich greift.“

Am Montag nach Bekanntgabe der Fusion reagierten die Börsen äußerst nervös. Vor allem Bankenkurse brachen ein. Der Kurs der Credit Swiss sank um 63 Prozent und fiel unter den vereinbarten Kaufpreis. Die UBS selbst verlor 13 Prozent, die Deutsche Bank, die Commerzbank und BNP Paribas büßten vorübergehend rund 8 Prozent ein.

Gerät auch die UBS in den Strudel der Bankenkrise, könnte dies für den Staatshaushalt und die Nationalbank aufgrund der Garantien und Hilfen Verluste bis zum Zweieinhalbfachen des jährlichen Bundeshaushalts bedeuten. Hinzu kämen die verheerenden wirtschaftlichen Folgen des Zusammenbruchs einer dominierenden Großbank. Das macht die Regierung zur Geisel der UBS.

Die Pressekonferenz, auf der die Regierung die Fusion am Sonntagabend bekanntgab, hatte in dieser Hinsicht etwas Surreales und wirkte wie ein Stück aus der Feder von Friedrich Dürrenmatt, des Autors von „Der Besuch der alten Dame“.

Die Präsidenten der beiden Großbanken, der Präsident der Nationalbank und die Chefin der Finanzaufsicht, die die Banken eigentlich kontrollieren sollen, sowie Bundespräsident Alain Berset (ein Sozialdemokrat) und Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) saßen einträchtig nebeneinander und versicherten sich in drei Sprachen gegenseitig ihre Hochachtung und ihr Vertrauen. Keller-Sutter war sich nicht zu schade, zu beteuern, dass sie bei beiden Banken ein eigenes Konto habe und ihr Geld nicht abziehen werde.

Kein Wort darüber, wie es zu dieser verheerenden Krise gekommen ist. Kein Wort darüber, wer dafür verantwortlich ist. Kein Wort, weshalb 15 Jahre nach der Finanzkrise von 2008, nachdem Politiker schworen, den Finanzsektor zu regulieren und Banken, die „to big to fail” sind, zu beschneiden, genau das Gegenteil geschieht.

Tatsächlich ist die Krise der Credit Suisse der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, in deren Verlauf sich die Finanzeliten auf Kosten der Mehrheit schamlos bereichert und Regierungen und Notenbanken gewaltige Summen in die Finanzmärkte gepumpt haben. Die Erhöhung der Leitzinsen durch die Zentralbanken bringt die Finanzblase nun zum Platzen. Die Krise ist Ausdruck der Sackgasse des kapitalistischen Systems, das alle Bereiche der Gesellschaft der Anhäufung von Profit unterordnet.

Die Credit Suisse erwies sich unter anderem deshalb als schwächstes Glied der reißenden Kette, weil sie es beim Absahnen besonders wild trieb. Zu ihren Kunden zählten mutmaßliche Drogendealer, Potentaten, korrupte Politiker und windige Hedgefonds. In 20 Jahren genehmigte sich das Management 42 Milliarden Franken an Boni. Erst kürzlich beschloss sie die Ausschüttung von 354 Millionen Euro für 500 Top-Manager, sofern sie die Rettung der Bank – inklusive des Abbaus von 9000 Stellen – aus eigener Kraft schaffen. Auch nach der Fusion mit der UBS sollen die Boni wie geplant ausbezahlt werden.

Die Kosten der Krise werden dagegen der arbeitenden Bevölkerung in Form von Sparmaßnahmen, Sozialabbau und Arbeitsplatzverlust aufgebürdet. Schon jetzt gehen allein in der Schweiz voraussichtlich 10.000 Arbeitsplätze verloren, wenn die beiden Banken ihre Aktivitäten zusammenlegen. Derzeit beschäftigen sie weltweit 123.000 Menschen. Die UBS plant, die Kosten der kombinierten Bank bis 2027 um 8 Milliarden Franken jährlich zu senken.

Die Bankenkrise ist ein untrügliches Zeichen, dass auch in der Schweiz der Klassenkampf zurückkehrt, nachdem er jahrzehntelang durch unterwürfige Gewerkschaften und Regierungen, in denen alle Parteien von der Sozialdemokratie bis zur rechtsextremen SVP zusammenarbeiten, erstickt wurde. Er wird und muss eine sozialistische Richtung einschlagen.

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