Erneute Explosion von Corona-Fällen in Indien bedroht dutzende Millionen Menschen

Die neue, zunehmende Welle von Corona-Infektionen in Indien widerlegt die Lügen der rechtsextremen BJP-Regierung von Premierminister Narendra Modi, die Pandemie sei in Indien „erfolgreich unter Kontrolle“ gebracht worden. Die Zahlen lagen während der gesamten letzten Woche konstant bei über 10.000 Neuinfektionen pro Tag.

Pflegekräfte eines Krankenhauses in Mumbai bereiten sich auf einen Anstieg der Corona-Fälle vor, 10. April 2023 [AP Photo/Rafiq Maqbool]

Am 20. April verzeichnete Indien 12.580 neue Corona-Fälle, so viele wie seit über acht Monaten nicht mehr. Die Gesamtzahl der offiziellen Corona-Fälle ist damit auf 44,85 Millionen gestiegen. Derzeit werden 65.286 aktive Fälle verfolgt.

Da der gesamte Apparat zur Überwachung der Pandemie und der Meldung und Rückverfolgung von Infektionen abgebaut wurde, steht hinter diesen Zahlen eine kolossale Dunkelziffer. Selbst während früherer Corona-Wellen, als es noch eine beschränkte Testinfrastruktur gab, zeigten spätere serologische Erhebungen, dass die große Mehrheit der Fälle nie offiziell entdeckt wurde.

Der derzeitige Anstieg der Corona-Fallzahlen steht in direktem Zusammenhang mit der rapiden Ausbreitung der Omikron-Subvariante XBB.1.16. Diese Subvariante erregte erstmals Anfang des Jahres in Indien internationale Aufmerksamkeit. Am 22. März wurde sie von der WHO auf die Liste der „zu beobachtenden“ Varianten gesetzt. Außer in Indien wurde sie in mehr als 33 Staaten entdeckt.

Letzte Woche stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die neue Variante auf den Status „Variante von Interesse“ hoch, da sie infektiöser ist als andere Omikron-Subvarianten und in hohem Maße immunevasiv.

Die internationale Gesundheitsbehörde bemerkte: „Derzeit gibt es keine frühen Anzeichen auf einen schwereren Krankheitsverlauf. Die erste Risikobewertung ist noch nicht abgeschlossen und wird vermutlich in den kommenden Tagen veröffentlicht werden.“

Daten der Seito Labs über XBB.1.6 deuten auf eine höhere Rate von Todesfällen und schweren Erkrankungen bei dieser Variante hin. Doch aufgrund der hohen Impfquoten und früherer Infektionen werden die Folgen des Virus für einen Großteil der Bevölkerung abgeschwächt.

Für Ungeimpfte, Schwerkranke und Ältere besteht jedoch ein hohes Risiko für eine schwere Erkrankung. In Indien bedeutet das, dass hunderte Millionen Menschen gefährdet sind, überwiegend die extrem Armen, die in isolierten ländlichen Gebieten oder städtischen Slums leben und selbst zur grundlegendsten Gesundheitsversorgung kaum oder keinen Zugang haben.

Die steigenden Infektionszahlen in Indien bedrohen nicht nur die Bevölkerung des Subkontinents, sondern der gesamten Welt. Hunderte Millionen neue Fälle bedeuten auch hunderte Millionen neue Möglichkeiten für SARS-CoV-2, zu neuen, noch infektiöseren und noch tödlicheren Formen zu mutieren.

Die Delta-Variante entstand in Indien im Jahr 2021, genau zu dem Zeitpunkt, als die Modi-Regierung den Sieg über das Virus ausrief. Eine ähnliche Gefahr besteht jetzt bei XBB.1.16. Die große Zahl von Subvarianten des Coronavirus zeigt, dass es seine Fähigkeit beibehält, schnell zu mutieren und dass der natürliche evolutionäre Druck impfstoffresistente Mutationen begünstigt.

Genau wie in anderen Ländern haben sich die bürgerlichen Medien auch in Indien den offiziellen Regierungsverlautbarungen angeschlossen, welche die Bedeutung der XBB.1.16-Welle herunterspielen, um die Bevölkerung dazu zu bringen, die permanente Durchseuchung mit einem tödlichen und schädlichen Virus als harmlos hinzunehmen.

So berichtete India Today unter Berufung auf Quellen aus dem Gesundheitsministerium, XBB sei keine „gefährliche Variante“. Andere Medien wiederholen diese Behauptung und raten den Menschen „nicht in Panik zu verfallen“.

Die herrschenden Eliten Indiens haben bereits oft in der Vergangenheit Warnungen vor drohenden Katastrophen ignoriert, u.a. die verheerende zweite Welle der Pandemie im Frühjahr 2021, die durch die hochgradig ansteckende Delta-Variante von SARS-CoV-2 ausgelöst wurde.

Von Anfang April 2021 bis zum Höhepunkt der zweiten Welle um den 30. April meldete Indien täglich 400.000 Neuinfektionen und über 4.000 Tote. Die Bilder von auf Scheiterhaufen aufgetürmten brennenden Leichen schockierten die Welt und zeigten, dass die Zahl der Todesopfer weitaus höher war, als offiziell zugegeben wurde.

Später zeigten die Zahlen zur Übersterblichkeit, dass die Corona-Welle 2021 eine der tödlichsten Gesundheitskatastrophen in der Geschichte des Landes war. Reuters berichtete damals, ein Forum von wissenschaftlichen Beratern habe die indischen Behörden Anfang März gewarnt, dass sich eine neue und noch ansteckendere Variante des Coronavirus im Land ausbreitet. Doch die Modi-Regierung ignorierte diese Warnungen völlig. Als die Delta-Variante sich Mitte April im ganzen Land ausbreitete und die Medien bereits umfassend über fehlende Intensivpflegebetten und einen Mangel an wichtigen Medikamenten, Sauerstoff und medizinischem Personal berichteten, versprach Modi im Fernsehen, er werde das Land vor dem Lockdown „retten“ – nicht vor dem tödlichen Virus.

Auf die derzeitige Corona-Krise reagiert die Regierung mit einer ähnlichen Weigerung, offensichtliche Tatsachen zuzugeben, um keine „Angst“ zu verbreiten. Der tägliche Positiv-Testanteil in Indien liegt derzeit bei 5,46 Prozent und der wöchentliche Positivanteil bei 5,32 Prozent. Beide Zahlen deuten darauf hin, dass sich die Infektionen wieder ausbreiten, doch ihre Auswirkungen werden bei weitem unterschätzt.

In der Hauptstadt Delhi und in Maharashtra, wo sich die Finanzmetropole Mumbai befindet, sind die Raten weitaus höher. Beide Gebiete waren auch die Zentren des Delta-Ausbruchs von 2021.

Delhi meldete letzten Dienstag 1.537 Neuinfektionen, was einem atemberaubenden Anstieg von 430 Prozent in nur drei Wochen entspricht. Der Positivanteil von 26,54 Prozent deutet auf eine hohe Dunkelziffer bei Ansteckungen hin, d.h. ohne eine schnelle Wiederaufnahme der Schutzmaßnahmen könnte sich ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung erneut infizieren. Maharashtra verzeichnete letzten Mittwoch 1.100 Neuinfektionen und 1.113 am Donnerstag.

Letzten Donnerstag wurden 29 neue Todesfälle durch Covid-19 gemeldet, wobei jedoch klar ist, dass es sich nur um einen Bruchteil der tatsächlichen Zahlen handelt. Ohne ordnungsgemäße Tests und die Bestätigung früherer Covid-Infektionen, die die Gesundheit des Patienten geschädigt haben, werden Todesfälle durch Atemwegs- und Kreislaufkollaps ausschließlich als Folge der früheren Gesundheitsprobleme der Toten abgetan. Der Anteil, den die grob fahrlässige Reaktion der Regierung auf die Pandemie an diesen Todesfällen hat, wird ausgeblendet.

Insgesamt hat Covid-19 in Indien seit 2020 die astronomische Zahl von offiziell über einer halben Million Todesfälle verursacht, die vermeidbar gewesen wären. Doch laut einem Bericht des US-amerikanischen Center for Global Development vom Juli 2021 lag die tatsächliche Zahl der Toten durch Covid-19 in Indien bereits damals bei drei bis fünf Millionen, d.h. zehnmal höher als die offizielle Zahl.

Weder Premierminister Modi noch irgendein anderer führender indischer Politiker hat auch nur einen Funken Besorgnis über die hohe Zahl an Toten geäußert, was ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von Millionen indischen Arbeitern offenbart. Sie zeigen lediglich öffentlich die wahre Haltung der kapitalistischen Regierungen weltweit, welche die Pandemie offiziell für beendet erklärt haben, um sicherzustellen, dass die Arbeiterklasse mit voller Kapazität Profite erarbeitet – ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Bedingungen vor Ort.

Indien hat schon vor langer Zeit selbst die begrenzten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus aufgegeben, aber versucht mit seiner Rhetorik angesichts der Sorgen der Bevölkerung das Gesicht zu wahren.

Am 22. März erklärte Modi als Vorsitzender eines „hochrangigen Überprüfungstreffens“, die Pandemie sei „noch lange nicht vorbei“ und wies die Behörden an, die Genomsequenzierung von Covid-positiven Proben zu verstärken. Er betonte auch, man müsse „die Verfügbarkeit der benötigten Medikamente und Logistik für Grippe- und Corona-Fälle in den Gesundheitseinrichtungen gewährleisten“. Dazu forderte er die Behörden auf, „Probeübungen“ in Krankenhäusern durchzuführen, um „sicherzustellen, dass unsere Krankenhäuser bereit sind“.

Er sagte jedoch keinerlei zusätzliche Gelder für diese Gesundheitseinrichtungen zu. In Wirklichkeit hat sich die Modi-Regierung sehr bemüht, das nationale Gesundheitsbudget zu kürzen, das bereits zu den niedrigsten der Welt zählt. Gleichzeitig hat sie die indischen Militärausgaben massiv erhöht. Im Jahr 2022 waren die Militärausgaben Indiens weltweit die drittgrößten.

Laut dem National Council of Applied Economic Research (NCAER), der ältesten und größten non-profit-Denkfabrik für indische Wirtschaftspolitik, lag der Anteil der Gesundheitsausgaben an den Bundes- und Bundesstaatshaushalten 2022–23 bei 2,4 Prozent des BIP. Dies ist ein starker Rückgang gegenüber 3,6 Prozent im Jahr 2021–22. Indiens Gesundheitsausgaben in Prozent des BIP liegen deutlich unter dem Durchschnitt der restlichen Welt und anderer Entwicklungsländer.

Und trotz des jüngsten Anstiegs der Corona-Infektionen und der Besorgnis der WHO über die Eigenschaften von XBB.1.16 führt die Regierung keine Maskenpflicht und keine Schulschließungen ein und bietet keine kostenlose Massentests zur Verfolgung und Erfassung neuer Infektionen an. Gesundheitsminister Mansukh Mandaviya wandte die übliche Verzögerungstaktik an und forderte die Bundesstaaten auf, Hotspots zu identifizieren und dort die Tests zu verstärken, sodass die Welle den Schutzmaßnahmen zuvorkommen wird. Bei einem sich schnell ausbreitenden Virus ist eine sofortige und möglichst breite Reaktion von entscheidender Bedeutung.

Dr. Randeep Guleria, der ehemalige Direktor des All India Institute of Medical Science (AIIMS) in Delhi, missachtete die staatliche Aufforderung, „nicht in Panik zu verfallen“, und erklärte am 17. April auf India Today TV, die Menschen sollten in geschlossenen Räumen mit schlechter Belüftung und in überfüllten öffentlichen Bereichen Masken tragen.

Dr. Guleria unterstützte die Äußerungen der Fernsehmoderatorin Sneha Mordani, die derzeitige Zahl von 10.000 Fällen pro Tag sei eine „deutliche Unterschätzung“, und erklärte: „Wir unterschätzen die Zahl der Fälle wirklich... Sie könnte um ein Vielfaches höher sein als das, was wir derzeit registrieren, weil viele Leute nicht getestet werden. Wir wissen nicht wirklich, wie viele Leute positiv sind.“ Er schlug eine Ausweitung der Tests vor, um die „tatsächliche Lage“ zu ermitteln. Wie Medienberichte zeigen, wird in Indien, einem Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern, nur ein winziger Bruchteil getestet, etwa 200.000 pro Tag.

Dr. Guleria wies auch die Behauptungen zurück, man müsse sich nicht zu sehr kümmern, wenn es milde Fälle gebe: „Wenn die Fallzahlen zunehmen, ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass das Virus weiter mutiert, was zu einer neuen Variante führen könnte.“

Er fügte hinzu, die schnelle Mutation des Virus bedeute, dass die Entstehung einer neuen, tödlicheren Mutation möglich und sogar wahrscheinlich sei: „Ich glaube nicht, dass wir wirklich vorhersagen können, wie sich dieses Virus in Zukunft verhalten wird.“

Die Gleichgültigkeit der Modi-Regierung gegenüber den Auswirkungen von Covid-19 auf die Bevölkerung Indiens in den letzten drei Jahren sollte der Arbeiterklasse eine nachdrückliche Warnung sein: Sie dürfen nicht davon ausgehen, dass die herrschenden Eliten sie und ihre Familien vor der künftigen Gefahr durch Covid-19 und andere Gesundheitskatastrophen schützen werden.

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