Podemos distanziert sich von spanischer PSOE/Sumar-Regierung, um sich als Gegner des Völkermords in Gaza zu inszenieren

Am 5. Dezember gaben fünf Abgeordnete der pseudolinken Podemos ihren Austritt aus der Parlamentsfraktion der Sumar-Bewegung bekannt und damit ihren Bruch mit der Regierung aus der sozialdemokratischen PSOE (Partido Socialista Obrero Español) und Sumar. Sie taten das angeblich, um damit ihre Ablehnung des Völkermords im Gazastreifen zu bekunden. Allerdings umgibt das ganze Manöver ein überwältigender Gestank von politischem Zynismus.

Das Wahlbündnis Sumar wurde im Vorfeld der vorgezogenen Neuwahlen im letzten Juli von der Arbeitsministerin und stellvertretenden Ministerpräsidentin, Yolanda Díaz, gegründet. Damit wurde Podemos quasi ersetzt, und nachdem Podemos-Gründer Pablo Iglesias zurückgetreten war, nominierte Podemos Díaz als seine Nachfolgerin und De-facto- Vorsitzende.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez (PSOE), Wirtschaftsministerin und erste stellvertretende Ministerpräsidentin Nadia Calvino und Arbeitsministerin und zweite stellvertretende Ministerpräsidentin Yolanda Díaz im spanischen Parlament in Madrid am 29. September 2023 [AP Photo/Bernat Armangue]

Bald kam es jedoch zu Spannungen zwischen Sumar und Podemos. Doch wie schon bei früheren Spaltungen innerhalb von Podemos hatten diese Differenzen keinen prinzipiellen Charakter. Sie sind ein Ausdruck der materiellen Interessen von Schichten des begüterten Kleinbürgertums innerhalb der Gewerkschaftsbürokratie und deren akademischer Peripherie. Sie spiegeln Streitigkeiten um die Frage wider, wie man am besten sein Gewicht im kapitalistischen Staatsapparat stärken und den Widerstand der Arbeiterklasse unterdrücken kann.

Vor den Wahlen am 23. Juli setzte Podemos eher auf feministische und kritische „linke“ Rhetorik gegenüber der PSOE, um zu versuchen, ihren deutlich schwindenden Rückhalt zu stärken. Zuvor hatte sie zusammen mit der PSOE Kürzungsmaßnahmen umgesetzt und den Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine unterstützt. Sumar hingegen wollte einen neuen Deal mit der PSOE aushandeln und gab dafür alle radikal klingenden Phrasen und jede Konfrontation mit der PSOE auf. Als Rechtfertigung für diesen Kurs nannte sie die Gefahr, die von der extremen Rechten ausgeht.

Die stark geschrumpfte Podemos erklärte sich dennoch bereit, ein Wahlbündnis mit Díaz' Gruppierung einzugehen, die von bewährten Nato-freundlichen Ministern und Politikern angeführt wurde, die den Kurs der PSOE/Podemos-Regierung – imperialistischer Krieg gegen Russland und Klassenkrieg gegen die Arbeiter – umgesetzt hatten. Sie akzeptierte sogar die Forderungen von Sumar, führende Persönlichkeiten wie die damals amtierende Gleichheitsministerin Irene Montero von ihren Wahllisten zu streichen.

Als Dank dafür wurde Podemos von Díaz wie ein geprügelter Hund behandelt. In den Regierungsverhandlungen zwischen PSOE und Sumar nach den Wahlen blieb Podemos ohne jegliche Vertretung im Kabinett.

Dennoch beschloss Podemos, in der von Sumar geführten Parlamentsfraktion zu bleiben, in der Hoffnung, gelegentlich alibihafte Kritik an der PSOE/Sumar-Regierung machen zu können und sie gleichzeitig loyal zu unterstützen. Trotzdem nahm die „Feindseligkeit“ gegenüber Podemos kein Ende, wie Quellen aus der Partei gegenüber Diario Red erklärten, das von Iglesias kontrolliert wird. „Sie blockten alles ab, was wir tun wollten, von der größten bis zur kleinsten Angelegenheit. Von einem Gesetz über Feuchtgebiete bis zu einem anderen zur Verteidigung der Menschenrechte im Senegal.“

Laut dem Informanten brachte der Völkermord im Gazastreifen „das Fass zum Überlaufen.“

Seit dem 7. Oktober haben sich in Madrid, Barcelona und weiteren spanischen Großstädten Hunderttausende an Demonstrationen beteiligt. Sie schlossen sich Millionen von Menschen in der ganzen Welt an, um ihre internationale Unterstützung für die Palästinenser zu demonstrieren. Auch die Arbeiterklasse begann zu intervenieren: In Barcelona weigerten sich 1.200 Hafenarbeiter, Schiffe mit Kriegsgütern nach Israel zu beladen. In der Navantia-Werft in Ferrol verurteilten die Arbeiter die Entsendung von Kriegsschiffen durch die PSOE-Sumar-Regierung zu einer von den USA geführten Kampfgruppe, die jetzt vor der Küste Israels und des Gazastreifens patrouilliert. Sie forderten die sofortige Rückkehr der Schiffe und den Abbruch aller wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu Israel.

Demonstranten mit palästinensischen Flaggen in Madrid bei einer Solidaritätsveranstaltung für den Gazastreifen am 15. Oktober

Der Widerstand gegen den Völkermord entwickelt sich gleichzeitig mit den Streiks gegen niedrige Löhne und die globale Krise der Lebenshaltungskosten und zeigt das Potenzial der Arbeiterklasse, eine eigene politisch unabhängige Intervention in die grassierende Krise des spanischen und weltweiten Imperialismus zu organisieren. In ganz Spanien beteiligen sich Zehntausende von Arbeitern aus über dreißig Branchen an Arbeitskämpfen, darunter 55.000 Pflegekräfte, die in Katalonien einen unbefristeten Streik führen, 9.000 Beschäftigte des Beratungsunternehmens Tecnological, 3.000 Beschäftigte des Bodenpersonals von Iberia und 1.500 Beschäftigte des riesigen Amazon-Logistikzentrums in Sevilla, die bessere Löhne und Arbeitsbedingungen fordern. Nächste Woche steht ein Streik von 150.000 Beschäftigten des Gastgewerbes in der Region Madrid bevor.

Podemos kam zu dem Schluss, dass es aufgrund ihres Bündnisses mit der PSOE und Sumar in der politischen Versenkung verschwinden würde, da die große Mehrheit seiner Anhänger sich an pro-palästinensischen Protesten beteiligten und sich der Klassenkampf immer weiter verschärft. Deshalb entschloss sich die Partei zu dem parlamentarischen Manöver und verlangte, dass ihre Vorsitzende Ione Belarra in einer Debatte über Palästina im Namen von Sumar sprechen dürfe.

Stattdessen entschied sich Sumar für den ehemaligen UN-Botschafter Agustín Santos, der nur erklärte, die PSOE/Sumar-Regierung würde einen palästinensischen Staat anerkennen, aber Israels Völkermord nicht einmal erwähnte. Da sie somit kein Mitspracherecht hatten, weigerten sich die fünf Podemos-Abgeordneten, an der Sitzung teilzunehmen.

Podemos-Sprecher Javier Sanchez Serna jammerte: „Das Ergebnis dieses Vetos ist, dass heute die Stimme, die den Völkermord Israels im Gazastreifen am nachdrücklichsten verurteilt hat, [d.h. Podemos] im Kongress fehlt. Die Stimme, die den Ministerpräsidenten der [PSOE/Sumar]-Regierung am deutlichsten dazu aufgefordert hat, den Worten Taten folgen zu lassen.“

Das ist lächerlich. Die Regierung verschärft lediglich die Politik der brutalen Angriffe auf die Arbeiterklasse, welche die frühere PSOE/Podemos-Regierung bereits in den letzten vier Jahren umgesetzt hat: Rentenkürzungen, die das Rentenalter auf 67 Jahre anheben, Lohnerhöhungen unter der Inflationsrate für breite Teile der Arbeiterklasse und eine Reform des Arbeitsrechts, die den Rechtsschutz der Arbeiter am Arbeitsplatz beschneidet. Um Streiks im Pflegebereich und der Luftfahrt zu brechen, hat sie drakonische Gesetze für einen Minimalbetrieb benutzt, und gegen streikende Metallarbeiter und Lastwagenfahrer hat sie Zehntausende von Polizisten mobilisiert. Darüber hinaus hat sie für den größten Militärhaushalt in der Geschichte Spaniens gestimmt.

Am wichtigsten ist jedoch, dass unter Podemos Spaniens Handelsbeziehungen mit Israel auf ein Rekordvolumen von 3,1 Milliarden Euro angewachsen sind. Auch der Waffenhandel blühte. Zwischen 2020 und 2022 importierte Israel Waffen im Wert von 140 Millionen Euro, und Spanien kaufte „kampferprobte“ Waffen aus Israel im Wert von hunderten Millionen. Ihr bewährter Einsatz gegen die Palästinenser macht sie für die spanischen Streitkräfte wertvoller und zuverlässiger.

Die PSOE/Podemos-Regierung hat außerdem 646 Soldaten im Südlibanon stationiert, die Teil der imperialistischen „Friedens“-Mission der 11.000-köpfigen UN-Interims-Truppe im Libanon (UNIFIL) sind. Hierbei handelt es sich um die größte spanische Beteiligung an einer UN-Mission. Die Truppe wird von dem spanischen Generalmajor Aroldo Lázaro Sáenz geleitet und soll Israels Nordgrenze gegen die vom Iran unterstützte Hisbollah schützen, die im Gazastreifen mit der Hamas verbündet ist.

Nach dem Aufstand der Palästinenser am 7. Oktober erklärte die PSOE/Sumar-Regierung, an der Podemos beteiligt war, Israel habe das „Recht auf Selbstverteidigung“, und schickte die spanische Fregatte Méndez Núñez sowie das militärische Versorgungsschiff Patiño als Unterstützung für die Kampfgruppe des atomgetriebenen Flugzeugträgers USS Gerald R. Ford. Der Flugzeugträger mit 4.000 Seeleuten und acht Flugzeugstaffeln ist derzeit im östlichen Mittelmeer im Einsatz, um den israelischen Krieg im Gazastreifen zu unterstützen, der sich insbesondere gegen die Hisbollah richtet.

Ione Belarra (offizielles Porträt von 2021) [Photo: Ministry of the President. Government of Spain]

Madrid hat sich jetzt bereit erklärt, der von den USA angeführten Koalition im Roten Meer und dem Golf von Aden beizutreten, die sich gegen die Huthi-Rebellen und den Iran richtet. Spanien wird dies im Rahmen der von der EU angeführten Operation Atalanta tun, die im Jahr 2008 vom Europäischen Rat angeblich zur Bekämpfung der Piraterie genehmigt wurde, in Wirklichkeit aber darauf abzielt, eine Seeroute zu kontrollieren, über die der Großteil des Handels zwischen Europa und Asien abgewickelt wird. Das Hauptquartier der Mission befindet sich in der südspanischen Stadt Rota und wird von Vizeadmiral Ignacio Villanueva geleitet. Momentan befindet sich die spanische Fregatte Victoria vor der Küste von Somalia.

Das ist die wirkliche Bilanz von Podemos: Als Mitglied einer Regierung, die Beihilfe zu Israels Völkermord im Gazastreifen leistet, haben sich erst Podemos und jetzt Sumar zu Komplizen gemacht.

Podemos legt einen atemberaubenden Zynismus an den Tag. Sie verlässt die PSOE/Sumar-Regierung nicht, weil sie deren Unterstützung für Israel und die übrige Politik ablehnt, die sie gegen die Arbeiterklasse plant – Kürzungen und Steuererhöhungen im Höhe von zwanzig Milliarden Euro und eine Erhöhung der Militärausgaben auf Rekordniveau. Ihr einziger wirklicher Kritikpunkt ist, dass Sumar sie ihrer Fähigkeit beraubt hat, durch gelegentliche kritische Töne im Parlament ihre Rolle als wichtige Stütze der PSOE/Sumar-Regierung zu vertuschen.

Dennoch hat Podemos der PSOE und Sumar ihre weitere politische Loyalität zugesichert. Ihr Parlamentssprecher Javier Serna erklärte gegenüber dem Sender Onda Regional: „Sánchez‘ Mehrheit ist nicht in Gefahr.“ Am Mittwoch forderte Podemos Ministerpräsident Pedro Sánchez auf, das Wort „Völkermord“ zu benutzen, wenn er von israelischen Angriffen auf den Gazastreifen spricht. Podemos-Chefin Belarra sprach von den „tausenden Menschen, die vom Staat Israel brutal ausgelöscht werden“ und erklärte pathetisch: „Herr Präsident, ich bitte Sie, den Völkermord im Gazastreifen zu stoppen. Treffen Sie konkrete Maßnahmen. Sie können auf Podemos, auf unsere fünf Sitze, zählen.“ Sie versicherte Sánchez erneut die Loyalität von Podemos: „Die demokratischen Kräfte [Podemos, PSOE und Sumar] müssen zusammenarbeiten“, um die extreme Rechte in Spanien zu stoppen.

Damit die Arbeiter erfolgreichen Widerstand gegen den Völkermord im Gazastreifen leisten können, müssen sie einen politischen Kampf gegen Israels Komplizen aufnehmen – vor allem gegen imperialistische Regierungen wie die spanische und ihre politischen Lakaien wie Podemos. Dies erfordert vor allem den Aufbau einer neuen revolutionären Führung, d.h. von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), der trotzkistischen Weltbewegung, in Spanien und international.

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