Ukrainisches Parlament weitet Einberufungen aus, um mehr junge Menschen an die Front zu zwingen

Am 11. April verabschiedete das ukrainische Parlament (Rada) ein neues Gesetz, das die Zahl der Einberufungen ins Militär erhöhen soll. Schätzungen zufolge wurden in dem imperialistischen Stellvertreterkrieg gegen Russland bereits mindestens 400.000 Ukrainer getötet. Nachdem letztes Jahr eine „Gegenoffensive“ katastrophal gescheitert ist, verliert die ukrainische Armee in der Region Donbas immer mehr Gebiete.

Ein ukrainischer Soldat in einem Schützengraben an der Front nahe Bachmut (Region Donezk). Aufgenommen am Dienstag, den 4. Juli 2023 [AP Photo/Libkos]

Millionen Einwohner der Ukraine sind aus dem Land geflohen – viele von ihnen, um der Einberufung zu entgehen. Da an der Front in gravierendem Ausmaß Soldaten fehlen, ist das ukrainische Militär dazu übergegangen, Menschen von der Straße, in Einkaufszentren und anderen öffentlichen Orten zu entführen und zwangsweise in die Armee einzuziehen. In seiner Rede zum Jahreswechsel 2023/24 kündigte Selenskyj einen Plan an, zusätzliche 500.000 ukrainische Soldaten einzuziehen; die Kosten sollen bei 13,3 Milliarden Dollar liegen.

Alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren sollen verpflichtet werden, innerhalb von 60 Tagen ihre persönlichen Angaben bei den Wehrbehörden zu aktualisieren. Diese Vorgabe gilt auch für ukrainische Männer im Ausland. Das neue Gesetz wird es den ukrainischen Behörden leichter machen, Einberufungen zu verschicken, u.a. durch ein elektronisches System. Zudem verpflichtet es die Kommunalverwaltungen und die Polizei dazu, das Militär bei der Aushebung von Soldaten zu unterstützen.

Die Endfassung des Gesetzesentwurfs beinhaltet keine Vorgabe zur Demobilisierung von Männern nach dreijähriger Dienstzeit. Seit letztem Herbst protestieren die Frauen und Familien von Soldaten, von denen viele seit mehr als zwei Jahren durchgehend an der Front kämpfen, regelmäßig in den großen ukrainischen Städten für die Rückkehr ihrer Partner, Väter und Brüder. Das Vorhaben hat bereits eine Gegenreaktion der Bevölkerung in den sozialen Netzwerken ausgelöst, u.a. von Soldaten.

Nur eine Woche zuvor hatte Selenskyj einen Gesetzesentwurf unterzeichnet, durch den das Wehrdienstalter von 27 auf 25 Jahre abgesenkt wird. Dieser in der Bevölkerung hochgradig unpopuläre Schritt war von Kiews imperialistischen Hintermännern offen eingefordert worden. So hatte US-Senator Lindsay Graham letzten Monat bei einem Besuch in Kiew die Regierung lächerlich gemacht, weil sie nicht genug der Jugend des Landes in den Kampf schicke: „Ich kann nicht glauben, dass es bei 27 steht“, erklärte er gegenüber der Presse. „Ihr kämpft um Leben und Tod, also solltet ihr dienen – nicht mit 25 oder mit 27. Wir brauchen mehr Männer an der Front.“

Am Mittwoch bewilligte die ukrainische Rada außerdem eine Maßnahme, die die Mobilisierung von bestimmten Kategorien von Sträflingen erlaubt. Diese Entscheidung verdeutlicht das Ausmaß der Knappheit an Soldaten beim ukrainischen Militär. Aktuelle Haftinsassen können außerdem begnadigt werden, wenn sie dem Militär beitreten, und vermutlich wird die Zahl der Kategorien von Kriminellen, die mobilisiert werden können, auch auf schwerere Verbrechen ausgeweitet werden.

Obwohl sich Kiew mitten in einer neuen Mobilisierungswelle befindet, hat es gleichzeitig seine provokanten Angriffe auf zivile- und Energieinfrastruktur im Inneren Russlands mit Drohnen, Raketen und Artillerie ausgeweitet. Am Mittwoch berichtete der Gouverneur der Oblast Kursk in Russland, bei einem ukrainischen Drohnenangriff seien ein Vater und seine zwei Töchter in ihrem Auto getötet worden.

Diese Drohnenangriffe, die Terroranschläge und Vorstöße auf russisches Staatsgebiet wären ohne westliche Technologie und Finanzierung nicht möglich.

Die Financial Times veröffentlichte am 2. April einen Bericht, laut dem US-Regierungsvertreter die Ukraine dazu gedrängt hatten, von Drohnenangriffen auf russische Ölraffinerien abzusehen, da hohe Ölpreise soziale Unruhen in der Bevölkerung auslösen könnten. Doch am Mittwoch machte die stellvertretende Verteidigungsministerin Celeste Wallander die Position der USA deutlich, indem sie erklärte, das Weiße Haus habe die Angriffe eindeutig bewilligt und nur danach vage „Bedenken“ geäußert, um sich vor negativen Reaktionen ihrer Nato-Verbündeten zu schützen, die nicht an der Entscheidung zu verstärkten Angriffen auf das russische Inland beteiligt waren.

Die Denkfabrik Atlantic Council, die enge Beziehungen zur Nato unterhält, gab vor kurzem zu:

„Die Partner der Ukraine haben auch Kiews Konzentration auf Drohnenkriegsführung unterstützt. Das Vereinigte Königreich versprach im Januar 2024, mindestens 250 Millionen Dollar für die schnelle Beschaffung, Produktion und Lieferung von 1.000 Einweg-Angriffsdrohnen für die Ukraine auszugeben. Genaue Details zu den Drohnenbeständen der Ukraine sind zwar noch unbekannt, doch die Rhetorik hoher ukrainischer Regierungsvertreter und die anhaltenden Angriffe deuten darauf hin, dass sich die derzeitigen Luftangriffe auf Russland vermutlich verschärfen werden.“

Anfang letzter Woche deutete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem gemeinsamen Interview mit der Bild-Zeitung und der amerikanischen Politico an, die Ukraine werde bald eine weitere Gegenoffensive einleiten.

Er erklärte: „Ja, wir planen eine Gegenoffensive. Das erfordert aber auch Waffen, auch von den USA. Wir werden definitiv gewinnen. Wir haben keine Alternative. Aber ich kann nichts versprechen und kein Datum nennen.“

Ende Juni wurden nach monatelanger Propaganda über eine bevorstehende Gegenoffensive zur Rückeroberung verlorener Gebiete zehntausende von ukrainischen Soldaten getötet, nachdem sie gegen stark befestigte und verminte russische Abwehrstellungen getrieben wurden. Entlang der ganzen Front starben die ukrainischen Soldaten noch bevor sie auch nur die erste Linie der russischen Abwehr durchbrechen konnten. Trotz der massiven Todesopfer führte die Gegenoffensive nur zu minimalen Geländegewinnen und erschöpfte die Munitionsbestände der Ukraine und der Nato.

Die tatsächliche Zahl der Toten wird möglicherweise nie bekannt werden, doch laut dem russischen Militär hat die Ukraine zwischen Anfang Juni und Ende Oktober letzten Jahres fast 90.000 Soldaten, 600 Panzer und 1.900 gepanzerte Fahrzeuge verloren.

Gleichzeitig verbreitet die Selenskyj-Regierung die absurde Behauptung, sie habe in zwei Jahren Krieg nur 31.000 Soldaten verloren. Allerdings kann sie nicht erklären, wie in ihren Streitkräften offenbar 700.000 Soldaten fehlen.

Wie üblich machte Selenskyj ausbleibende westliche Waffenlieferungen für das militärische Versagen verantwortlich. Das Interview, das in Charkiw (Charkow) stattfand, wo die Ukraine angesichts zunehmender russischer Luftangriffe neue Verteidigungsstellungen aufbaut, zielte offensichtlich darauf ab, den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern zu drängen, die er bisher abgelehnt hat.

Selenskyj nutzte das Interview zudem als Gelegenheit, um allen Plänen über einen möglichen Frieden als Gegenleistung für Gebietsverluste, der Berichten zufolge vom US-republikanischen Präsidenschaftskandidaten Donald Trump bevorzugt wird, eine Absage zu erteilen.

Er äußerte zwar die Bereitschaft, mit Trump zusammenzuarbeiten, machte aber deutlich, dass die ukrainische Regierung keine Gebiete aufgeben wird, die sie während des Krieges verloren hat.

Er erklärte: „Wenn der Deal beinhaltet, dass wir unsere Gebiete einfach aufgeben, und das steckt dahinter, ist es eine sehr primitive Idee.“

Als Trump im März letzten Jahres ankündigte, den von der Nato unterstützten Krieg „innerhalb von 24 Stunden“ zu beenden, lud die Selenskyj-Regierung ihn in die Ukraine ein, um den Krieg mit eigenen Augen zu sehen.

Selenskyj erklärte, offensichtlich mit Blick auf die Wahl im November: „Wir haben unser Verlangen ausgedrückt, Donald Trump in der Ukraine zu begrüßen, damit er mit seinen eigenen Augen sehen und bestimmte Schlüsse ziehen kann. Ich bin definitiv bereit, mich mit ihm zu treffen.“

Im Vorfeld dieser Äußerungen Selenskyjs hatte der britische Außenminister und ehemalige Premierminister David Cameron Trump in seinem Anwesen in Florida besucht und Berichten zufolge bekniet, die imperialistischen Kriegsanstrengungen gegen Russland zu unterstützen.

Innerhalb der herrschenden Klasse und der Nato herrscht große Sorge, dass Trump als neuer Präsident die seit Jahrzehnten vorbereiteten Kriegsanstrengungen gegen Russland aufgeben würde, um sich auf den Krieg gegen China zu konzentrieren.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte vorletzte Woche in Brüssel den Aufbau eines Fonds im Wert von 107 Milliarden Dollar für die ukrainische Kriegskasse in den nächsten fünf Jahren angekündigt. Stoltenberg machte deutlich, dass es der Zweck des Fonds sein würde, die langfristigen Kriegspläne der Nato vor Beeinträchtigungen durch innenpolitische Probleme in den 32 Mitgliedsstaaten zu schützen.

Stoltenberg erklärte: „Wir müssen die Dynamik unserer Unterstützung ändern. Wir müssen langfristig zuverlässige und vorhersehbare Sicherheitsunterstützung für die Ukraine gewährleisten. Statt kurzfristiger Angebote mehrjährige Zusagen.“ Der US-Kongress debattiert derzeit noch über Hilfsgelder in Höhe von 60 Milliarden Dollar.

Doch unabhängig von den Konflikten innerhalb der herrschenden Klasse und den Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten verdeutlichen das neue Mobilisierungsgesetz und die zunehmenden Angriffe auf russisches Staatsgebiet, dass eine gefährliche Eskalation des imperialistischen Kriegs gegen Russland bereits stattfindet.

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