Macrons Staatsbesuch in Deutschland: Kriegspolitik im Namen von Europa und Demokratie

Der dreitägige Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Deutschland hat anschaulich die Politik des kleineren Übels widerlegt – die Vorstellung, man könne das Anwachsen der extremen Rechten durch die Unterstützung „gemäßigterer“, angeblich demokratischerer Parteien stoppen.

Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz in Meseberg [Photo by Bundesregierung / Gaertner]

Der Staatsbesuch – der erste seit 24 Jahren mit allem Prunk und Pomp, die damit einhergehen – war als Wahlkampagne angelegt. Zwei Wochen vor der Europawahl vom 9. Juni liegt Macrons Parteienbündnis Ensemble in den Umfragen weit abgeschlagen hinter dem rechtsextremen Rassemblement National (RN). Letzteres kann mit knapp einem Drittel der Stimmen rechnen, Ensemble nur mit halb so vielen. RN-Führerin Marine le Pen betrachtet die Europawahl außerdem als Testlauf für die Präsidentenwahl 2027, bei der sie nach drei gescheiterten Versuchen als Nachfolgerin Macrons ins höchste französische Staatsamt einziehen will.

In Deutschland kommen die Grünen auf 15, die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz auf 14 und die FDP auf 4 Prozent. Zusammen erreichen die drei Regierungsparteien, die bei der Bundestagswahl 2021 noch 52 Prozent auf sich vereinten, weniger als ein Drittel der Stimmen. Die rechtsextreme AfD liegt mit 17 Prozent an zweiter Stelle hinter der konservativen CDU/CSU (30 Prozent), obwohl sie in den letzten Wochen durch mehrere Skandale erschüttert wurde.

Macron präsentierte sich in seinen sorgfältig inszenierten Auftritten als Vorkämpfer gegen die extreme Rechte und als Vertreter eines fortschrittlichen, prosperierenden und friedliebenden geeinten Europas. Doch die Politik, für die er dabei eintrat – Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland, militärische Aufrüstung und massive Subventionen für die Rüstungsindustrie – ist nicht nur Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten, sie macht diese für die herrschende Klasse unentbehrlich, um die wachsende soziale und politische Opposition zu unterdrücken.

Zum Auftakt besuchte Macron am Sonntag gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein „Demokratiefest“ zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes. Am Montag hielt er vor der Kulisse der wiederaufgebauten Dresdner Frauenkirche, die im Krieg völlig zerbombt worden war, eine europapolitische Rede.

„Der Rechtsextremismus ist eine Realität, wir müssen aufwachen“, rief er dem eigens zu diesem Zweck versammelten jugendlichen Publikum zu. Die Europäische Union sei ein „einzigartiges Projekt in der Welt“, das vom Krieg zerstörte und wieder aufgebaute Dresden „ein Zeichen der Hoffnung“.

Nun gefährdeten rechtsextreme Ideen und Krieg Europa. „Unser Frieden, Wohlstand, unsere Demokratie steht jetzt auf dem Spiel“, sagte Macron. Zur Wahrung des Friedens brauche es eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitsstrategie für Europa. „Wir müssen geschlossen als Europäer handeln.“

Nach einem Zwischenstopp in Münster, wo ihm der Preis des Westfälischen Friedens verliehen wurde, reiste Macron weiter nach Meseberg, wo im Gästehaus der Bunderegierung eine Sitzung des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrates stattfand, an der neben Bundeskanzler Olaf Scholz auch die Außen- und Verteidigungsminister sowie die militärischen Oberbefehlshaber beider Länder teilnahmen.

Das Treffen war ein Kriegsrat. Es beschloss eine massive Eskalation des Kriegs gegen Russland in der Ukraine, eine Beschleunigung der europäischen Aufrüstung und massive Subventionen, um die europäische Rüstungsindustrie zu stärken und unabhängiger zu machen.

Er und Macron seien sich einig, dass die Unterstützung der Ukraine oberste Priorität und ein zentrales gemeinsames Anliegen bleibe, erklärte Bundeskanzler Scholz auf der anschließenden Pressekonferenz. „Wir müssen jetzt den nächsten Schritt gehen, um diese Unterstützung auf eine neue Grundlage zu stellen.“

Macron machte deutlich, was der nächste Schritt bedeutet: Grünes Licht für ukrainische Angriffe auf Ziele innerhalb Russlands. Er zog eine Karte aus der Tasche, auf der Raketenabschussrampen auf russischem Territorium verzeichnet waren und erklärte: „Wir brauchen die Möglichkeit, diese Raketenabschussanlagen zu treffen.“

Scholz, der früher Vorbehalte gegen Angriffe auf innerrussische Ziele geäußert hatte, stimmte Macron zu. „Die Ukraine hat völkerrechtlich alle Möglichkeiten für das, was sie tut“, erklärte er und wies Medienberichte zurück, dass Deutschland dies für gelieferte Waffensysteme untersage. Entsprechende Erklärungen habe es niemals gegeben „und wird es auch nicht geben“, sagte er.

Dass Russland auf eine derartige militärische Eskalation reagieren wird, ist sicher. Macron, Scholz und die Nato setzen eine Spirale in Gang, die in einen Atomkrieg und die Zerstörung ganz Europas zu münden droht, wenn sie nicht rechtzeitig gestoppt wird.

Die beiden kündigten einen weiteren Ausbau der Zusammenarbeit im Sicherheits-, Verteidigungs- und Rüstungsbereich an. Macron schlug vor, den EU-Haushalt zu verdoppeln, um die Aufrüstung und andere Projekte zu finanzieren, was Deutschland aber aus fiskalpolitischen Gründen bisher ablehnt.

Die beiden Regierungen waren sich aber einig, „die Unterstützung der Ukraine so lange wie nötig und so intensiv wie notwendig fortzusetzen“ und „starke und glaubhafte europäische Verteidigungsfähigkeiten“ zu entwickeln, um die Europäische Union „zu einem wahren geopolitischen Akteur“ zu machen, wie es in der Schlusserklärung des Treffens heißt.

Die Erklärung betont „die zentrale Bedeutung der nuklearen Abschreckung für die Sicherheit Europas und der NATO sowie die Abschreckungsrolle der unabhängigen strategischen französischen Nuklearstreitkräfte“. „Wir sind uns bewusst,“ heißt es weiter, „dass unser Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv auf einer geeigneten Mischung aus nuklearen, konventionellen und Raketenabwehrfähigkeiten, ergänzt durch Weltraum- und Cyberfähigkeiten, beruht.“

Es ist offensichtlich, dass diese Kriegs- und Aufrüstungspolitik, deren gigantische Kosten auf die arbeitende Bevölkerung abgewälzt werden, auf massiven Widerstand stoßen wird und bereits stößt. Vor allem der Genozid an den Palästinensern in Gaza, den sowohl Berlin wie Paris unterstützen, hat in beiden Ländern heftige Proteste ausgelöst.

Da alle etablierten Parteien, auch die angeblich linken, die Politik von Krieg, Aufrüstung und Sozialabbau unterstützen, ist die extreme Rechte teilweise in der Lage, die Frustration und Wut darüber auszuschlachten. Vor allem aber wird sie gezielt aufgebaut und in die Regierungen eingebunden, um jede wirkliche – also linke – Opposition gegen Aufrüstung und Sozialabbau zu unterdrücken.

Nachdem die Neofaschistin Giorgia Meloni seit eineinhalb Jahren die Regierung des drittgrößten EU-Staats führt, sind nun auch die Niederlande dabei, eine Regierung zu bilden, in der die ultrarechte, islamophobe Freiheitspartei von Geert Wilders den Ton angibt.

Auch die Europäische Union bereitet sich darauf vor, nach der Europawahl Rechtsextreme in höchste Ämter aufzunehmen. Ursula von der Leyen, die ihre Wahl zur Kommissionspräsidentin vor fünf Jahren maßgeblich Emmanuel Macron verdankte, umwirbt jetzt Giorgia Meloni, damit ihr die Neofaschistin zu einer zweiten Amtszeit verhilft.

Auch Marine Le Pen, die einer konkurrierenden rechten europäischen Fraktion angehört, will sich mit Meloni zusammenschließen. Le Pen sorgte kürzlich für den Ausschluss der deutschen AfD aus der Fraktion Identität und Demokratie (ID). Grund war nicht die Verharmlosung von Hitlers SS durch den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, wie es offiziell hieß, sondern die Haltung der AfD zum Ukrainekrieg.

Krah und die Nummer zwei auf der AfD-Europaliste, Petr Bystron, werden verdächtigt, russische Gelder entgegengenommen zu haben. Krah soll außerdem einen chinesischen Agenten in seinem Europabüro beschäftigt haben, der mittlerweile in Untersuchungshaft sitzt.

Die Unterstützung des Nato-Kriegs gegen Russland ist die unumstößliche Bedingung, auf der die europäische Bourgeoisie beharrt, bevor sie einen Politiker an die Schalthebel der Macht lässt. Das haben sowohl Meloni wie Wilders und auch Le Pen akzeptiert. Im Gaza-Genozid stehen sie aufgrund ihrer Islamophobie ohnehin auf der Seite Israels.

Macron, der seinen Wahlsieg 2017 und 2022 vor allem dem Umstand verdankte, dass viele Wähler in der zweiten Runde für ihn stimmten, um Le Pen zu verhindern, hat dieser mit seiner Politik im Interesse der Reichen, seinem Polizeiterror gegen Gelbwesten, Rentenproteste und streikende Arbeiter und seiner Kriegspolitik den Weg gebahnt.

Die einzige Möglichkeit, den Aufstieg der Rechtsextremen zu stoppen und einen dritten Weltkrieg zu verhindern, ist die Mobilisierung der europäischen und internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Dafür kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) in der Europawahl. Sie stellt der Europäische Union der Konzerne, Banken und Kriegstreiber die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegen.

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