Der Schuldspruch für Trump und die Krisenwahl 2024

Donald Trump ist in allen 34 Anklagepunkten wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen schuldig gesprochen worden. Das Ereignis kennzeichnet ein Wahljahr, das von beispiellosen politischen Krise und Fraktionskämpfen innerhalb der herrschenden Klasse geprägt ist.

Ex-Präsident Trump bei seiner Pressekonferenz im Trump Tower am 31. Mai 2024 [AP Photo/Julia Nikhinson]

Am Freitag äußerte sich Präsident Joe Biden im Weißen Haus zu dem Verfahren. Der Schuldspruch, so Biden, bestätige „das amerikanische Prinzip, dass niemand über dem Gesetz steht“. Damit bewähre sich das Justizsystem“ das seit fast 250 Jahren als „Eckpfeiler Amerikas“ Bestand habe.

Die New York Times bezeichnete als das „größte Verdienst dieses schmuddligen Falls, dass er beweist, dass die Rechtsstaatlichkeit für alle gilt, auch für ehemalige Präsidenten“.

Das ist reiner Betrug. Trump wurde nicht für seine schweren, grundlegenden Verbrechen gegen die amerikanische Bevölkerung verurteilt – vor allem nicht für seinen Versuch, die Verfassung und die Ergebnisse der Wahlen von 2020 durch einen faschistischen Staatsstreich zu stürzen. Die Verurteilung bezieht sich vielmehr auf die Fälschung von Geschäftsunterlagen zur Vertuschung eines Sexskandals im Vorfeld der Wahl 2016.

Was Bidens Versuch anbelangt, sich als Verteidiger der „Rechtsstaatlichkeit“ aufzuspielen, so hat der derzeitige Bewohner des Weißen Hauses internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte aufgekündigt und den Internationalen Strafgerichtshof sowie den Internationalen Gerichtshof beschimpft, um Israels Völkermord in Gaza zu verteidigen.

In Teilen der Bevölkerung mag die Hoffnung bestehen, dass der faschistische Ex-Präsidenten durch seine Verurteilung zumindest ansatzweise zur Rechenschaft gezogen wird. Aber so einfach kann die Todeskrise der amerikanischen Demokratie, deren Ursachen viel tiefer liegen, nicht gelöst werden.

Es ist nicht klar, wie sich der Schuldspruch auf Trumps persönliches Schicksal auswirken wird. Jedenfalls ging der Ex-Präsident sofort in die Gegenoffensive. Direkt im Anschluss bezeichnete Trump das Verfahren in einer faschistisch anmutenden Tirade als „manipuliert“ und nannte den Vorsitzenden Richter einen „Teufel“.

Praktisch die gesamte republikanische Parteiführung stellte sich hinter Trump und behauptete, mit dem Urteil werde das Rechtssystem als politische Waffe missbraucht. Von so genannten Gemäßigten wie den Senatoren Mitch McConnell und Susan Collins bis hin zu Faschisten wie dem christlich-nationalistischen Sprecher des Repräsentantenhauses Mike Johnson und der QAnon-Anhängerin Marjorie Taylor Greene stanen die Republikaner regelrecht Schlange, um den Prozess zu verurteilen.

Es zeichnet sich bereits ab, dass die Republikaner Vergeltungsmaßnahmen gegen die Demokraten ergreifen werden. Dazu gehören auch Versuche, Biden in den von ihnen kontrollierten Bundesstaaten nicht zur Wahl zuzulassen.

Hintergrund der diesjährigen US-Präsidentschaftswahl ist eine globale und nationale Krise von enormen Ausmaßen. In den USA haben beide rivalisierenden Parteien der Konzern- und Finanzoligarchie Kurs auf Weltkrieg und Diktatur genommen.

Wenn die Demokraten versuchen, Trump ins Abseits zu drängen, dann nicht wegen seiner Verbrechen gegen die Demokratie, sondern weil bedeutende Teile der herrschenden Klasse der Ansicht sind, dass man ihm die imperialistische Außenpolitik der USA nicht anvertrauen kann.

Die nächsten fünf Monate bis November werden im Zeichen eines eskalierenden Kriegs gegen Russland in der Ukraine stehen, der die Welt einem nuklearen Holocaust näher bringt als je zuvor. Dieser Krieg war die Hauptpriorität der Regierung Biden. Sie hat sich dabei stets um eine Allianz mit eben den Führern der Republikanischen Partei bemüht, die sich jetzt hinter Trump stellen.

Noch am Tag des Urteils gegen Trump hob das Weiße Haus das Verbot auf, dass amerikanische Waffen nicht von der Ukraine aus auf russisches Territorium abgeschossen werden durften – eine massive Eskalation, die zum totalen Krieg führen wird.

Die Eskalation dieses globalen Krieges setzt immer heftigere Angriffe auf demokratische Rechte im eigenen Land voraus. Biden steht an der Spitze von Polizeieinsätzen gegen friedliche Hochschulproteste in den ganzen USA, die sich gegen die Unterstützung für den Völkermords Israels in Gaza richten.

Am Morgen des Trump-Urteils riss die Polizei ein Protestcamp an der Wayne State University in Detroit nieder und nahm 12 Studenten fest. Am Freitagmorgen griff die Polizei ein Zeltlager an der University of California Santa Cruz an und nahm mehr als 30 Personen fest.

Mit der aktuellen politischen Lage erreicht eine langwierige Krise der demokratischen Herrschaftsformen in den USA ihren Höhepunkt.

Vor fast genau 50 Jahren musste Richard Nixon zurücktreten, nachdem ein Einbruch in das Watergate-Hotel, den Sitz der Demokratischen Parteiführung, im Zuge seines Wahlkampfs eine tiefe politische Krise ausgelöst hatte. Das offen kriminelle Verhalten des Weißen Hauses veranlasste damals den Kongress, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Nixon vorzubereiten. Der Oberste Gerichtshof unterstützte dies, indem er anordnete, dass Nixon Aufnahmen der Gespräche mit seinen Mitverschwörern freigeben musste.

Doch Nixons Rücktritt löste das Problem nicht, sondern bereitete die Bühne für eine Serie weiterer politischer Krisen – vom Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton wegen einer einvernehmlichen sexuellen Beziehung über die Manipulation des Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 durch einen Rechtsblock im Obersten Gerichtshof bis hin zum Putschversuch Trumps vom 6. Januar 2021.

Hauptursache ist die Zuspitzung der internationalen und nationalen Widersprüche des amerikanischen Kapitalismus, für die es innerhalb des bestehenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmens keine fortschrittliche Lösung gibt. Insbesondere setzt der US-Imperialismus auf Krieg, um die Verschlechterung seiner Stellung in der Weltwirtschaft auszugleichen. Diese Politik hat zu 30 Jahren ununterbrochener Angriffs- und Eroberungskriege geführt, die heute in die Anfangsphase eines neuen Weltkriegs münden.

Parallel dazu hat die soziale Ungleichheit kolossale Ausmaße angenommen, der Reichtum konzentriert sich wie nie zuvor an der Spitze der Gesellschaft, und de facto regiert eine Unternehmens- und Finanzoligarchie. In ihrer Neujahrserklärung dokumentierte die Socialist Equality Party in den USA ein Ausmaß an sozialer Ungleichheit, das mit demokratischen Herrschaftsformen unvereinbar ist. Wir schrieben:

Die Vereinigten Staaten beherbergen die höchste Konzentration von Milliardären auf der Welt, deren kollektives Vermögen nach Angaben von Americans for Tax Fairness im November 2023 auf 5,2 Billionen Dollar gestiegen ist, den höchsten jemals verzeichneten Wert. Im dritten Quartal 2023 besaßen die oberen zehn Prozent der US-Bevölkerung zwei Drittel des gesamten Vermögens, während die untere Hälfte nur 2,6 Prozent besaß.

Diese Oligarchie übt effektiv eine diktatorische Herrschaft aus. In einem Land mit 333 Millionen Einwohnern wird das gesamte politische System von zwei reaktionären Parteien beherrscht, von denen die eine zunehmend faschistische Züge annimmt und die andere sich auf eine Frage konzentriert: die Eskalation des Kriegs.

In den verbleibenden fünf Monaten bis zu den Wahlen im November kann noch viel passieren. Es ist möglich, dass am Ende weder Trump noch Biden die Kandidaten der beiden vom Kapital kontrollierten Parteien sein werden. Aber eines steht fest: Das politische System als Ganzes wird weiter nach rechts rücken.

Für die Arbeiterklasse besteht die zentrale Frage darin, mit einem eigenen Programm und einer eigenen Politik in diese Krise einzugreifen. Kein einziges Problem, mit dem die Arbeiter konfrontiert sind, kann ohne einen Frontalangriff auf den Reichtum und die Privilegien der kapitalistischen Oligarchie gelöst werden. Eine Krise, wie sie jetzt die Vereinigten Staaten und die ganze Welt erfasst, lässt sich nicht durch Halbheiten lösen. Notwendig ist eine grundsätzliche Neuordnung des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens.

Dies erfordert ein Programm gegen Krieg und Oligarchie und für Gleichheit, Frieden und echte Demokratie, d. h. ein sozialistisches Programm für den Sturz des Kapitalismus, der eigentlichen Ursache der Krise.

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