Hysterische Flüchtlings- und Migrantenhetze nach dem Messerangriff von Mannheim

Seit dem Messerangriff vom vergangenen Freitag auf dem Mannheimer Marktplatz, bei dem ein Polizist getötet wurde, reißt die islamfeindliche Medienkampagne nicht ab. Führende Parteipolitiker, allen voran Sahra Wagenknecht, überschlagen sich in hysterischer Hetze gegen Muslime, fordern ein „Ende der Toleranz“ und gnadenlose Abschiebungen, auch nach Afghanistan. Kurz vor der Wahl tun sie alles, um das Klima in Deutschland zu vergiften und nach rechts zu rücken.

Am Freitagvormittag, dem 31. Mai, griff ein junger Afghane eine Kundgebung der islamfeindlichen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) mit einem Messer an. Ein Polizist, der dazwischen ging, wurde so schwer verletzt, dass er zwei Tage später starb, und mehrere Teilnehmer wurden teils schwer verletzt.

Auch der Angreifer, durch Polizeischüsse niedergestreckt, liegt sechs Tage nach dem Vorfall noch im Krankenhaus und ist nicht ansprechbar. Der 25-jährige Sulaiman A. war vor zehn Jahren mit seinem Bruder aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Er ist mittlerweile verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Heppenheim (Hessen). Er galt lange als gut integriert, legte seinen Hauptschulabschluss ab und unterstützte aktiv die Flüchtlingshilfe. Immer wieder übernahm er Jobs als Hilfsarbeiter. Aber er konnte keine unbefristete Arbeit bekommen, nicht zuletzt, weil ihm das Ausländeramt trotz seiner Heirat mit einer Deutschen einen unbefristeten Aufenthaltstitel verweigerte.

Laut Aussagen seiner Nachbarn soll A. sich in letzter Zeit radikalisiert haben, ehe er am Freitag Michael Stürzenberger, den BPE-Vorsitzenden, und mehrere seiner Unterstützer angriff und einen Polizisten tödlich verletzte.

Die Art und Weise, wie dieser Fall seither politisch vereinnahmt wird, ist beispiellos. Spitzenpolitiker fordern härtere Strafen und Abschiebungen, auch nach Afghanistan und Syrien. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete A.s Angriff auf einen Polizisten als einen „Angriff auf uns alle“, und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) versprach, die Sicherheitsbehörden finanziell besser auszurüsten. „Schluss mit der falschen Toleranz!“ rief Lindner. Die CDU/CSU forderte eine „Aktuelle Stunde“ im Bundestag mit dem Ziel, die Polizei „besser zu schützen“ und die Möglichkeit von Abschiebungen nach Afghanistan zu prüfen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte harte Strafen an: „Der Täter muss mit maximaler Härte des Gesetzes für seine mörderische Tat bestraft werden“, so die SPD-Politikerin. Die Sicherheitsbehörden hätten „die islamistische Szene fest im Visier“. Am Dienstag ging Faeser noch einen Schritt weiter und betonte: „Für mich ist klar, dass Personen, die eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit Deutschlands sind, schnell abgeschoben werden müssen. … Die Sicherheitsinteressen Deutschlands überwiegen hier eindeutig gegenüber den Bleibeinteressen von Betroffenen.“

Youtube-Video von Sahra Wagenknecht [Photo by screenshot]

Besonders nationalistisch und abstoßend äußerte sich Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der nach ihr benannten Linken-Abspaltung BSW. Im Stil der AfD hetzte Wagenknecht in einem Wahlkampf-Video über das „ernste Problem mit der gescheiterten Integration: Es gibt sich verfestigende islamistische Parallelgesellschaften.“ Die Lage habe sich „durch die nicht-integrierte Zuwanderung zugespitzt“.

Den Täter von Mannheim denunzierte Wagenknecht indirekt als Sozialschmarotzer, der „zehn Jahre lang Leistungen erhalten“ habe. Im Grunde könne „jeder nach Deutschland kommen, der halbwegs den Begriff ‚Asyl‘ aussprechen kann“. Sie forderte eine „Kehrtwende in der Asyl- und Migrationspolitik“ und bezeichnete es als „dringend notwendig“, dass Asylverfahren „an den europäischen Außengrenzen oder in Drittstaaten“ durchgeführt würden. Sie forderte auch „konsequente Ausweisung“, die „selbstverständlich“ auch nach Afghanistan erfolgen sollten.

Wagenknechts Worte stehen beispielhaft für die Hysterie der Regierungs- und Oppositions-Politiker, die sich damit nicht von den Faschisten der AfD unterscheiden. Die Lautstärke und Allgegenwärtigkeit, mit der sie die Hetze vortragen, weist darauf hin, wie wichtig sie ihnen ist. Angesichts von Aufrüstung, Kriegseskalation und des damit verbundenen sozialen Kahlschlags, soll die unzufriedene arbeitende Bevölkerung gespalten, aufgehetzt und damit gelähmt werden.

Der Hintergrund des Geschehens in Mannheim wird dabei konsequent ausgeblendet.

Michael Stürzenberger, das erste Opfer des Attentats vom Freitag, ist ein rechter, islamfeindlicher Hetzer. Der Journalist und frühere CSU-Pressesprecher hat sich als Vorreiter der rechtsextremen PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) hervorgetan. Er reist als Wanderprediger für Hasspropaganda mit dem Ziel, Muslime aus Deutschland zu vertreiben, durch das ganze Land. Seine jetzige Organisation, die Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), wurde ursprünglich von Udo Ulfkotte gegründet, einem anderen rechtsextremen Journalisten, der seinen islamfeindlichen und verschwörungstheoretischen Schmutz im Kopp-Verlag verbreitete.

Eine Kundgebung dieser islamfeindlichen Hetzer ausgerechnet am Mannheimer Marktplatz war eine skrupellose Provokation. In der Innenstadt Mannheims steht der Marktplatz in einem Gebiet, in dem vorwiegend Migranten leben. Er ist von zahlreichen internationalen, vielen türkischen Restaurants, Bäckereien und Obst- und Gemüseläden eingerahmt.

Hier leben alteingesessene Mannheimer mit Arbeitern ausländischer Herkunft friedlich zusammen. Hier führte am 24. Februar 2024 auch die große Mannheimer Demonstration gegen den Genozid im Gazastreifen durch, und viele Bewohner des Stadtviertels, egal ob Deutsche oder Migranten, unterstützten das Anliegen der Demo aktiv.

Hier wird auch immer wieder gegen brutale Polizeigewalt demonstriert. In letzter Zeit endeten auffällig viele solcher Fälle tödlich, doch die Polizei kommt fast immer straflos davon. Allein in den letzten zwei Jahren gab es in Mannheim mindestens vier Fälle von Polizeigewalt mit Todesfolge.

Immer wieder griffen die Täter in Uniform dabei psychisch Kranke an, vor allem, wenn es sich um Menschen ausländischer Herkunft handelte. So hatten am 2. Mai 2022 mehrere Beamte den 47-jährigen Ante P. getötet, der sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Sie warfen ihn zu Boden, fixierten ihn und schlugen ihm mit voller Gewalt gegen den Kopf. Anfang März 2024 wurde das Urteil gegen die Verantwortlichen gesprochen: sie kamen mit einer milden Geldstrafe davon.

Am 23. Dezember 2023 hatten Polizisten den ebenfalls psychisch kranken Ertekin Ö. erschossen. Sie wurden erst am 29. Mai, nur zwei Tage vor der jüngsten Messerattacke, vom Gericht freigesprochen. Ertekin Ö.s Familie reagierte auf den Freispruch „erschüttert und schockiert“, und eine „Initiative 2. Mai“ kündigte für den 1. Juni eine Kundgebung an.

Die Kundgebung gegen Polizeigewalt wurde aufgrund der jüngsten Ereignisse auf dem Markplatz bis auf weiteres storniert. Der verletzte Pax-Europa-Funktionär Stürzenberger hat sich derweil aus dem Krankenhaus gemeldet. Er vergleicht sich öffentlich mit dem niederländischen Regisseur Theo van Gogh, der 2004 in Amsterdam ermordet wurde.

Theo van Gogh hatte damals unablässig gegen den Islam provoziert und unter anderem Koranverse auf nackte Frauenkörper projiziert. Sein Tod erfolgte, wie die WSWS damals schrieb, in „einem Klima steigender Fremdenfeindlichkeit von Seiten der etablierten Parteien und eines Großteils der öffentlichen Medien. (…) Mit seinen provokativen Angriffen auf den Islam goss van Gogh Öl ins Feuer.“

Auf den Mord an van Gogh reagierten die Herrschenden, indem sie den Polizeistaat ausbauten und die Abschiebe- und Abschottungspolitik verschärften. Geert Wilders, der starke Mann hinter der zukünftigen niederländischen Regierung, hat seine Partei zum Teil auf das Vermächtnis Theo van Goghs gegründet und selbst den Koran als ein „faschistisches Buch“ denunziert.

In Deutschland hat die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, auf die Messerattacke am Marktplatz reagiert, indem sie am Tatort des Geschehens in Mannheim zu einer Kundgebung unter dem Motto aufrief: „Remigration hätte diese Tat verhindert.“ Provokativ zitiert sie damit die Kernaussage des Potsdamer Treffens, das vor wenigen Monaten Massenkundgebungen gegen die AfD auslöste.

Auf diese jüngste Provokation hat jedoch kaum ein Politiker oder eine große Zeitung reagiert. Stattdessen stimmen sie, wenige Tage vor der Europawahl, in die rechte Migrantenhetze ein und stärken so die AfD. Sie zeigen damit erneut, dass ihre Lippenbekenntnisse gegen Rechtsextremismus nichts als Propaganda sind. In Wirklichkeit setzen sie das Programm der AfD in die Tat um und fördern die Partei. Sie benutzen sie, um den Widerstand gegen Krieg, den Genozid in Gaza und Sozialabbau einzuschüchtern und einen Polizeistaat aufzubauen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hat den Kampf gegen Krieg ins Zentrum ihres Europawahlkampfs gestellt. Sie tritt für die Einheit der europäischen und internationalen Arbeiterklasse im Kampf gegen Krieg und Kapitalismus und für ein sozialistisches Programm ein.

Sie ruft Arbeiterinnen und Arbeiter dazu auf, ihre muslimischen Kolleginnen und Kollegen zu verteidigen. In ihrem Wahlaufruf zur Europawahl schreibt die SGP:

Um die wachsende Opposition gegen ihre verhasste Kriegspolitik zu unterdrücken, greift die Ampel-Koalition in die Mottenkiste des Faschismus. Sie hetzt in übelster Weise gegen Geflüchtete und Migranten, schafft demokratische Grundrechte ab und errichtet einen regelrechten Polizeistaat.

Die SGP verteidigt die demokratischen Grundrechte und fordert gleiche Rechte für Migranten und Flüchtlinge.

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