Bidens dritte Corona-Infektion und die anhaltenden Gefahren der Pandemie

US-Präsident Joe Biden behauptete in der öffentlichen Erklärung, in der er seinen Rücktritt von den US-Präsidentschaftswahlen 2024 bekanntgab: „Gemeinsam haben wir eine Pandemie überwunden, wie sie nur einmal in einem Jahrhundert vorkommt.“ Von allen wahnhaften Behauptungen über seine Präsidentschaft war dies die absurdeste, da Biden seine Erklärung abgab, während er sich noch mit seiner dritten Coronainfektion in Isolation befand.

Zweifellos hat Bidens Kampf mit Covid-19 eine Rolle bei seiner Entscheidung gespielt, seine Kandidatur zurückzuziehen. Laut offiziellen Erklärungen ist er zwar auf dem Weg der Besserung, allerdings ist das SARS-CoV-2 nach wie vor ein gefährlicher Erreger für jeden, insbesondere für über 65-Jährige.

Präsident Joe Biden hustet bei einer Veranstaltung mit dem Abgeordneten Steven Horsford (Demokraten, Nevada) in Las Vegas, 16. Juli 2024. Biden wurde positiv auf Covid-19 getestet [AP Photo/Susan Walsh]

Biden ist jetzt 81 Jahre alt, und sein Körper und Geist wurden durch seine erste Infektion und die spätere Genesung im Juli und August 2022 eindeutig beeinträchtigt. Zwar kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass sein geistiger Verfall direkt auf seine früheren Infektionen mit Corona zurückzuführen ist, allerdings ist es durchaus möglich, dass er Symptome von „Gehirnnebel“, Müdigkeit sowie andere neurologische Symptome zeigt, die allgemein mit Long Covid assoziiert werden.

Dass Biden, die am stärksten geschützte Person der Welt, sich letzte Woche erneut mit Covid-19 infizieren konnte, verdeutlicht die zunehmende Skrupellosigkeit und Selbsttäuschung der herrschenden Klasse Amerikas. Das Weiße Haus hatte im März die letzten verbliebenen Testmaßnahmen eingestellt, da die herrschende Klasse ihre eigenen Lügen glaubt, dass „die Pandemie vorbei ist“.

Biden wird mit großem Aufwand rund um die Uhr gepflegt. Ein Team hochqualifizierter medizinischer Fachkräfte prüft seine Vitalparameter, und er hat Zugang zu teuren antiviralen Medikamenten. Zudem orientiert sich Bidens Isolation nicht an den gegen die öffentliche Gesundheit gerichteten Richtlinien der Seuchenschutzbehörde CDC, sondern an aktuellen, wissenschaftlich fundierten Empfehlungen.

Es ist unübersehbar, dass hier im Vergleich zu der amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse mit zweierlei Maß gemessen wird. Antivirale Medikamente und Impfstoffe sind für die große Mehrheit der Weltbevölkerung unerschwinglich geworden oder nicht verfügbar. Arbeiter in den USA müssen tagelang auf einen Rückruf des Arztes warten, wenn sie versuchen, ein Rezept für das antivirale Medikament Paxlovid zu bekommen.

Gleichzeitig werden asymptomatische Patienten und solche mit milden Symptomen ohne Rücksicht auf die Ansteckungsgefahr durch den sich ständig weiterentwickelnden Virus gezwungen, an die Arbeit zurückzukehren, wodurch sie das Wohlergehen ihrer Kollegen gefährden. Ohne angemessene Ruhe und Behandlung, wozu die medizinische Fachwelt ausdrücklich rät, erhöhen Arbeiter ihr Risiko für Long Covid, das beträchtliche Auswirkungen auf ihre Fähigkeit haben kann, Geld zu verdienen und ihre Familien zu versorgen.

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Biden ist einer von Millionen Amerikanern, die sich in den letzten Wochen im Rahmen der wachsenden jährlichen Sommerwelle infiziert haben. Laut den jüngsten Abwasserdaten, die am Freitag veröffentlicht wurden, weisen die USA zum jetzigen Zeitpunkt die höchste Konzentration von Coronaviren im Abwasser auf – so hoch wie nie zuvor seit Beginn der Pandemie. Nach aktuellen Schätzungen liegt die Zahl der täglichen Infektionen zwischen 780.000 und 850.000 pro Tag. Am stärksten ist der Anstieg im Westen und Süden, es breitet sich aber auch auf alle anderen Regionen des Landes aus.

Die neunte Welle von Masseninfektionen in den USA wird von den Subvarianten KP.3 und KP.2 angetrieben sowie deren Töchtern, die zusammen mehr als 75 Prozent aller neu sequenzierten viralen Genome ausmachen. Vor allem die Entstehung von KP.3.1.1 – mit hoher ACE2-Bindungsaffinität und beträchtlichen immunevasiven Eigenschaften – und seine Fähigkeit, seine jüngsten Nachkommen zu verdrängen, verdeutlicht die beträchtliche Fähigkeit dieses Virus, sich weiterzuentwickeln und die Menschheit zu infizieren.

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Die Rate der positiven Tests in den gesamten USA liegt jetzt bei sehr hohen 12,6 Prozent, im Südwesten sogar bei 16,4 Prozent. Sowohl die Zahl der Hospitalisierungen als auch der Besuche in Notaufnahmen wegen Corona steigt wieder, obwohl versucht wird, diese Daten zu vertuschen. Die offizielle wöchentliche Todesrate ist in zwei Wochen um 31 Prozent auf fast 400 Tote pro Woche gestiegen. In den ersten sechs Monaten des Jahres sind mehr als 25.000 Menschen an Corona gestorben.

Diese begrenzten Statistiken, die in den Medien nicht mehr erwähnt werden, entlarven die Behauptungen Bidens und des ganzen Staatsapparats, die Pandemie sei vorbei, als Lüge.

Im gegenwärtigen fünften Jahr der Pandemie, während die Welt mit einer weiteren massiven Infektionswelle konfrontiert ist, veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im vergangenen Monat einen Bericht, laut dem die Nutzung von Coronaimpfungen weltweit allem Anschein nach zum Erliegen gekommen ist.

Angesichts der bekannten Wirksamkeit der Impfstoffe, die die Schwere des Krankheitsverlaufs und das Risiko von Long Covid nachweislich verringert haben, sind diese Entwicklungen vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheit zutiefst beunruhigend.

Im ersten Quartal des Jahres 2024 wurden in den 73 Mitgliedsstaaten der WHO nur 9,8 Millionen Impfdosen verabreicht, was 0,12 Prozent der Bevölkerung entspricht. Nur 4,9 Millionen ältere Erwachsene aus 60 Mitgliedsstaaten (0,42 Prozent) – Menschen mit einem höheren Risiko für schwere Erkrankungen, Krankenhausaufenthalte und Tod – haben Impfstoffe erhalten. Am ungeheuerlichsten ist, dass nur 0,17 Prozent der Arbeitskräfte im Gesundheitswesen in 40 Mitgliedsstaaten im ersten Quartal 2024 angaben, gegen Corona geimpft worden zu sein.

Die Grafik zeigt den drastischen Rückgang der weltweiten Impfungen gegen das Coronavirus pro Quartal [Photo: World Health Organization]

Der Abwärtstrend bei den Immunisierungen wurde nach dem 5. Mai 2023 festgeschrieben. An diesem Tag erklärte der Generaldirektor der WHO, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, den globalen Gesundheitsnotstand wegen Corona für beendet. Die WSWS schrieb damals: „Diese Entscheidung entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Sie dient vielmehr als nachträgliche Rechtfertigung dafür, dass alle kapitalistischen Regierungen seit dem Auftreten der Omicron-Variante im November 2021 die Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid im Gesundheitswesen eingestellt haben.“

Dr. Nilufar Ahmed, Sozialpsychologin an der Universität Bristol, machte für den Rückgang der Impfungen die fehlende Berichterstattung über das Virus in den Medien und die unklaren Richtlinien der Gesundheitspolitik verantwortlich, die den falschen Eindruck erweckt haben, die Pandemie sei vorüber. Weiter erklärte sie: „Die öffentliche Kommunikation darüber ist sehr gering. Wir sehen nur sehr wenige Leute mit Masken, und wenn man jemanden sieht, der eine Maske trägt, geht man davon aus, dass er Covid hat – und nicht, dass er sie zur Vorbeugung trägt.“

Tatsächlich gab Ghebreyesus, noch während die Tinte trocknete, zu, dass alle drei Minuten ein Mensch an Covid-19 stirbt, „und das sind nur die uns bekannten Todesfälle“. In seinen Äußerungen gegenüber der Presse vor etwas mehr als einem Jahr erklärte er, dass Corona nicht verschwinden werde: „Vielmehr ist es immer noch tödlich, und es verändert sich weiter. Das Risiko besteht nach wie vor, dass neue Varianten entstehen, die zu neuen Wellen von Infektionen und Todesfällen führen.“

Die Beendigung der Impfkampagnen ist nicht nur ein Nebenprodukt der Kampagne gegen öffentliche Gesundheitsmaßnahmen und der Nachrichtensperre in den Medien, die den falschen Eindruck vermittelt, die Pandemie sei vorbei. Es geht auch um die Profitinteressen der Pharmamonopole, deren Vorstände kalkulieren, dass die Gewinne, die ihre Aktionäre erwarten können, ihre Herstellung und ihren Vertrieb nicht mehr lukrativ machen.

Wie kriminell die kapitalistische Verleumdung und Verweigerung von Impfstoffen ist, zeigt die jüngste Studie von Dr. Ziyad Al-Aly und seinen Kollegen, laut denen die Inzidenz von Long Covid in der Ära von Omikron auf 3,5 Prozent verringert werden kann, wenn genug Menschen geimpft sind. Ohne Impfung steigt das Risiko für Long Covid auf 7,76 Prozent, wenn jemand mit einer Omicron-Subvariante des Virus infiziert ist. Angesichts der stagnierenden Impfraten und der hohen Übertragbarkeit, die derzeit zu beobachten sind, wird dies unabsehbare Folgen für die Weltbevölkerung haben.

Laut einer Schätzung auf Grundlage von Abwasserdaten werden sich dieses Jahr zwei Drittel aller Amerikaner infizieren. Wenn man diese Raten auf den Rest der Welt überträgt und die Inzidenz von Long Covid aufgrund von Infektionen berücksichtigt, wie es Al-Aly tut, würde das bedeuten, dass allein in diesem Jahr mehr als 200 Millionen Menschen in irgendeiner Form Schädigungen davontragen, unabhängig vom Schweregrad ihrer akuten Infektion. Im Jahr 2020 wurde die Zahl der Long-Covid-Fälle auf mindestens 65 Millionen weltweit geschätzt.

Die Coronapandemie war ein auslösendes Ereignis der Weltgeschichte. Sie hat gezeigt, dass der Kapitalismus keine progressive Lösung für die umfassenderen Probleme hat, die sich durch Klimawandel und ungeplante Globalisierung ergeben, die beide die Gefahr durch Pandemie-Pathogene erhöhen. Die Finanzoligarchie setzt auf imperialistischen Krieg, um ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen und macht dabei alle Errungenschaften der öffentlichen Gesundheitsinfrastruktur zunichte, die in mehr als einem Jahrhundert aufgebaut wurden.

In diesem Jahr sind nicht nur die Infektionskrankheiten international in die Höhe geschnellt, sondern es fand laut Dr. Katherine O’Brien – Direktorin der Abteilung für Immunisierung, Impfstoffe und Biologika bei der WHO – auch ein historischer Rückschritt bei den routinemäßigen Impfungen von Kindern statt. Die weltweiten Ziele für Diphterie-, Tetanus- und Keuchhustenimpfungen sind von 2022 bis 2023 um zwei Prozentpunkte zurückgegangen und liegen bei 84 Prozent – deutlich unter dem für 2030 gesetzten Ziel von 90 Prozent.

Diese Rückschläge sind Teil der allgemeinen Beeinträchtigung von Gesundheitsdienstleistungen und der zunehmenden logistischen Herausforderungen – besonders an Orten wie dem Gazastreifen, wo der Völkermord ausgeweitet wird. Sie gehen zu einem beträchtlichen Teil auf wissenschaftsfeindliche Kampagnen gegen das öffentliche Gesundheitssystem zurück, die dazu dienen, Perspektiven auf der Grundlage von Wissenschaft und Sozialismus zu diskreditieren. Sie sind Teil der zunehmenden Propagierung faschistischer Politik, laut der wissenschaftliche Wahrheit und Sozialismus eine Gefahr für das kapitalistische Profitsystem darstellen.

Biden, der sich im Dienst für den kapitalistischen Staat buchstäblich verausgabt hat, ist Opfer seiner eigenen Politik der „Herdenimmunität“ geworden und wird jetzt in den Ruhestand versetzt.

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