Betroffene berichten über das Verbot der Palästina Solidarität Duisburg

Am 16. Mai verbot der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul die Gruppe Palästina Solidarität Duisburg (PSDU), die den israelischen Genozid in Gaza verurteilt und den palästinensischen Widerstand unterstützt. Die Verbotsverfügung ist, wie die WSWS aufgezeigt hat, „die Blaupause für einen Polizeistaat und knüpft an die Unterdrückungsmethoden des Kaiserreichs und der Nazi-Diktatur an“. Dietmar Gaisenkersting hat für die WSWS mit zwei Betroffenen, Leon Wystrychowski und Ahmad Othman, über das Verbot gesprochen.

Ahmad Othman und Leon Wystrychowski

WSWS: Bitte erklärt kurz, was die Palästina Solidarität Duisburg, die PSDU war. Was war das Selbstverständnis der Gruppe und welche Aktivitäten standen im Vordergrund?

Leon Wystrychowski: Die PSDU hat sich vor mittlerweile über einem Jahr gegründet und war eine lokale Initiative von Einzelpersonen. Sie war wie ein Verein, aber kein eingetragener Verein mit Mitgliedern, sondern eher wie eine Bürgerinitiative. Leute, die mitmachen wollten und sich aktiv eingebracht haben, konnten mitmachen. Es gab den Grundkonsens, der inhaltlich in Bezug auf Palästina selbst die Ein-Staaten-Lösung unterstützte und Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand in allen Formen ausdrückte.

Die anderen Punkte bezogen sich vor allem auf den Rassismus. Die PSDU hat sich gegen Rassismus, Antisemitismus, gegen Spaltung und für Internationalismus ausgesprochen. Das war alles auch öffentlich.

Am Anfang, im Frühjahr und Sommer letzten Jahres, waren wir noch eine kleine Initiative. Dann haben wir uns im Herbst zu einer relativ großen Gruppe entwickelt, bei der sehr viele unterschiedliche Leute waren mit verschiedensten nationalen, kulturellen, religiösen und nicht-religiösen Hintergründen. Wir waren auch politisch relativ heterogen. Man kann schon sagen, wir waren wirklich sehr bunt aufgestellt.

Ähnlich ist es bei den Aktivitäten. Angefangen haben wir mit Infoständen und kleinen Kundgebungen, dann kamen später Demonstrationen dazu und später auch weitere Aktionsformen wie Boykottaktionen, aber auch Veranstaltungen wie gemeinsames Fastenbrechen, kulturelle und Filmabende, Lesekreise usw.

WSWS: Das Verbot der PSDU vom 16. Mai wurde von Hausdurchsuchungen bei vier vermeintlichen Mitgliedern begleitet, auch bei euch beiden. Könnt ihr das schildern?

Ahmad Othman: Ja, uns Vieren wurde vorgeworfen, Funktionäre zu sein in der Gruppierung, und aufgrund dieser Eigenschaft wurden die Hausdurchsuchungen angeordnet. Bei einer Hausdurchsuchung ist das bereits als rechtswidrig eingestuft worden. Bei mir sind die Beamten in meine Wohnung reingekommen, ohne zu klingeln oder auch nur mal zu klopfen.

Ich war nicht zu Hause, aber ich hatte Besuch, ein Bekannter war bei mir. Gegenüber ihm hat sich die Polizei gesetzeskonform verhalten, aber die anderen wurden nicht einmal über ihre Rechte aufgeklärt. Sie haben bei uns alle elektronischen Geräte mitgenommen, auf denen Politisches sein könnte, Laptops, Handys, Festplatten usw.

Bei mir haben sie auch noch zwei T-Shirts mitgenommen. Auf dem einen stand einfach nur „Palästinenser“ und auf dem anderen war der Umriss Palästinas in den Landesfarben. Flyer haben sie auch mitgenommen.

Sie waren auch bei mir auf der Arbeit und haben dort meinen Arbeitsplatz durchsucht. Sie haben aber nichts Privates dort gefunden.

LW: Da geht es natürlich auch um die Arbeitsfähigkeit. Eine Betroffene hat Prüfungen, alle ihre Notizen und ihre Arbeit sind mit dem Laptop weg. Sie braucht ihn. Und das Perfide war: Die Polizei hat gesagt, wenn du uns das Passwort gibst, geht es schneller. Da hat sie sich leider drauf eingelassen. Und nun kriegt sie ihre Sachen nicht schneller, das war natürlich gelogen.

Sie haben auch angebliches PSDU-Vermögen beschlagnahmt. Bei uns allen. Mit der Folge, dass wir alle pleite sind. Das Geld fehlt jetzt an allen Ecken und Enden. Wir haben allein schon wegen unserer Klage gegen das Verbot Kosten von mehreren Tausend Euro, und da kommt noch mehr. Das wird aktuell aus eigener Tasche vorgestreckt. Man muss sich halt behelfen, irgendwie. Man lässt sich von Genossen oder Freunden oder Familie Sachen schenken, leiht sie sich usw.

WSWS: Welche unmittelbaren Folgen haben das Verbot oder auch die Beschlagnahmung von Geld und elektronischen Geräten?

AO: Ich persönlich bin von meinem Arbeitgeber suspendiert worden. Ich war unmittelbar nach der Hausdurchsuchung im Urlaub. Als ich dann wiederkam, haben sie mir gesagt, ich solle Überstunden abbauen, und nach drei Wochen haben sie mir schriftlich mitgeteilt, dass ich suspendiert bin.

Bis jetzt haben sie keine offizielle Aussage gemacht, es heißt, ich würde demnächst zu einem Gespräch eingeladen. Ich habe geschrieben, dass ich zu einem Gespräch über Angelegenheiten der Arbeit bereit bin. Über die politischen Dinge kann ich gerne schriftliche Fragen beantworten. Also ob sie wirklich ein Gespräch führen wollen oder nicht, ist unklar, mal gucken.

LW: Politisch ist es für uns alle so, dass wir nicht mehr als Gruppe aktiv sein dürfen. Wir können weder zusammenarbeiten noch unserem gemeinsamen Willen zum Ausdruck bringen. Vor allem dürfen wir nicht gegen den Genozid in Palästina protestieren.

Wir können überhaupt die ganze Palästina-Frage nicht mehr thematisieren. Wir können keine Demos organisieren, wir dürfen uns nicht treffen, wir dürfen nicht diskutieren. Sie haben uns und unserem Umfeld die Demokratie, unsere Demokratie als Organisation genommen.

Darüber hinaus betrifft das Verbot nicht nur uns, sondern sozusagen alle, die in Duisburg jetzt Palästina-Arbeit machen. Denn diese stehen jetzt immer sofort unter dem Verdacht, eine „Nachfolgeorganisation“ der PSDU zu sein.

Das ist weitreichend, zumal die PSDU ja vor allem lokal aktiv war und viele Aktivitäten organisiert hatte, von ganz klassischen politischen Sachen über Bildungsangebote bis hin zu Kultur. Das heißt, egal, was man jetzt an Veranstaltungen macht, einen Lesekreis zu Palästina oder eine Demonstration, alles wird jetzt von den Behörden unter die Lupe genommen unter dem Verdacht, es handle sich um eine Fortsetzung der verbotenen Tätigkeiten.

Das trifft nicht nur die unmittelbar Betroffenen, es betrifft jeden. Wir haben mitbekommen, dass die Meinungsfreiheit in Bezug auf dieses Thema von anderen angegriffen wird. In Jena wurde das Kürzel PSDU in den Auflagen zu einer Demonstration verboten. Allein das zeigen des Logos und Protest gegen das Verbot gelten nun bereits als Werbung für die Organisation.

WSWS: Welche Rolle hat eurer Meinung nach der Verfassungsschutz in dem gesamten Ablauf gespielt? Der Anstoß zum Verbot kam ja vom Verfassungsschutz, er tritt hier sozusagen als Polizei und Geheimdienst in einer Institution auf.

LW: Ja, [NRW-Innenminister Herbert] Reul hat selber gesagt, dass das Verbot vom Verfassungsschutz angestoßen worden sei. Aufgrund der Akteneinsicht haben wir die ganze Verbotsverfügung mit dem Stempel „VS [Verschlusssache] – Nur für den Dienstgebrauch“. Wir können nur mutmaßen, ob der Verfassungsschutz in die Verbotsverfügung maßgeblich mit einbezogen war oder ob er sie vielleicht selber geschrieben hat.

Wie wir mitbekommen haben, waren auch Leute vom Verfassungsschutz bei den Hausdurchsuchungen dabei, das geht aus den Berichten hervor. Die Staatsschutzabteilung der Polizei war auf jeden Fall involviert.

Was der Verfassungsschutz vor allem beigesteuert hat, ist der „spektakuläre“, achtseitige Geheimdienstbericht. Er enthält eine Liste von 15 mutmaßlichen Mitgliedern und berichtet über angebliche „konspirative“ Treffen, die aber alle öffentlich beworben wurden, und liefert so „spannende“ Details, wie dass wir Tagesordnungen und Chatgruppen hatten.

WSWS: Das heißt aber, der Landesverband für Verfassungsschutz NRW muss einen Spitzel gehabt haben, zumindest einen Informanten.

LW: Ja, es ist komisch, was die da berichtet haben. Wir wissen ja nicht, was sie sonst noch alles an Infos haben, die nicht in der Verbotsverfügung stehen. Aber wir waren keine geheime Gruppe, und dass wir uns in Gruppenchats austauschen, ist auch nicht verboten. Wir haben natürlich keine kriminellen Sachen gemacht. Sie haben aus der Nachrichten-Chatgruppe einfach Nachrichten, die weitergeleitet wurden, rausgenommen und das dann Propaganda genannt. Die Verbreitung von Propaganda oder Nachrichten im privaten Rahmen und geschlossenen Gruppen oder zur Informationsgewinnung ist aber nicht verboten.

Ansonsten arbeiten sie die ganze Zeit mit dem falschen Vorwurf des Antisemitismus, den sie in wirklich allem erkennen. So in der Forderung nach dem Rückkehrrecht der vertriebenen Palästinenser, die von der UN selber beschlossen wurde. Die einseitige Parteinahme für Palästina sei antisemitisch usw.

Auch ein Repost von uns vom 9. November, in dem jemand angesichts des Völkermords in Gaza über das Wegschauen 1938 und heute nachdenkt, wird als antisemitisch gedeutet und uns zur Last gelegt. Die Aussage „Kindermörder Israel“ wird mit den alten, christlich geprägten anitjudaischen Vorwürfen der „Ritualmorde“ in Verbindung gesetzt.

Leider können wir nur mutmaßen, ob das alles vom Verfassungsschutz kommt. Es liest sich auf jeden Fall bis zum Ende so.

WSWS: Der Antisemitismus ist ja einer der zentralen Vorwürfe. Sie benutzen in der Verbotsverfügung ausdrücklich die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die viel Raum lässt, Kritik an Israel und seiner Regierung als antisemitisch zu bezeichnen.

Es gibt noch zwei weitere bemerkenswerte Vorwürfe, die „Gefährdung des Gedankens der Völkerverständigung“ und die Ablehnung des Existenzrechts Israels.

Der Vorwurf der „Gefährdung des Gedankens der Völkerverständigung“ ist zumindest in diesem Zusammenhang relativ neu. Bislang ist dieser Vorwurf gegen Rechtsextremisten und ausländische Terrororganisationen erhoben worden, aber noch gegen keine inländische und erst recht nicht gegen eine linksgerichtete, mit anderen Völkern solidarische Bewegung.

Das wurde zum Beispiel der kurdischen PKK, der Hamas und zuletzt auch Samidoun vorgeworfen. Aber dabei ging es immer um materielle, finanzielle oder organisatorische Unterstützung. Bei Samidoun unterstellen sie zumindest die „Mittelbeschaffung“ für die PLFP.

Der PSDU haben sie noch nicht einmal das unterstellt. Es geht einzig und allein um geistige, ideelle Unterstützung. Wir von der Sozialistischen Gleichheitspartei haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Wir sind 2018 vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft worden, weil wir für eine „egalitäre, demokratische und sozialistische Gesellschaft“ und gegen „vermeintlichen Militarismus“ eintreten. Wir haben das als Gesinnungsjustiz bezeichnet und mit dem Willensstrafrecht der Nazis verglichen.

Nun wird der PSDU eine falsche Gesinnung vorgeworfen. Wer nicht mit der Gesinnung des deutschen Staates, des Verfassungsschutzes oder der Regierung übereinstimmt, wird kriminalisiert und verboten. Wie seht ihr das?

LW: Ja, das ist so. Ich würde auch von einer neuen Qualität ausgehen. Ich glaube, dass sie da ein Stück weit vorpreschen und gucken, wie weit sie gehen können.

Wie du selber gesagt hast, es gibt bei Samidoun diese Konstruktion mit der Verbindung zur PFLP und ihrer Unterstützung. Das können sie bei uns nicht machen. Deshalb haben sie den Begriff der „geistigen Unterstützung“ der Hamas kreiert. Was aber bedeutet „geistige Unterstützung“? Du kannst dich nicht mehr hinstellen und sagen: ‚Ich bin nicht für die Bundesregierung, sondern ich bin für ihre Gegner.‘

Im Moment kann ich sagen: ‚Ich will, dass die israelische Armee im Gazastreifen militärisch verliert.‘ Dafür kann mich keiner belangen. Aber wenn sie daraus konstruieren, ich wolle, dass die Hamas gewinne, ist das „geistige Unterstützung“ und verboten. Dann kann man quasi nichts mehr machen, außer jeden Krieg anfeuern, den der Westen führt. Oder man kann die Klappe halten.

Genau darin liegt eine neue Qualität, und deswegen ist es umso wichtiger, dass wir gegen das Verbot ankämpfen. Das betrifft eben am Ende nicht nur uns, sondern akut sind dadurch erstmal alle Palästina-solidarischen Gruppen bedroht. Für einige von ihnen stehen dann auch bundesweit Verbotsforderungen im Raum. Daher denke ich, dass das Verbot eine Blaupause für weitere Verbote ist. Am Ende ist es ein großer Schritt in eine sehr schlechte Richtung, in der alle, die zum gesellschaftlichen System oder auch nur zu dessen Auswüchsen, wie zum Beispiel Kriegen, in Opposition stehen, bedroht sind.

AO: Der Vorwurf, dass wir Hass zwischen den Israelis und den Palästinensern geschürt hätten, wurde als Unterstützung der Hamas interpretiert, weil die Hamas diesen Hass angeblich schürt. Aber dass wir Hass zwischen den Völkern schüren ist falsch, der Hass ist schon da.

Wir versuchen, den Hass zu überwinden. Wie gesagt, wir sind eine bunte Truppe. Wir haben den Kampf zusammen mit allen Völkern der Welt geführt, wir waren bzw. sind die Völker. Wir sind gegen Krieg, gegen Genozid, gegen Besatzung, gegen Kolonialismus auf die Straße gegangen. „Völkerverständigung“? Sie haben das in ihrem Sinne interpretiert. Wenn du gegen die Regierung bist, bist du gegen Völkerverständigung.

WSWS: Ich glaube, sie sind da vor allem auf die Formulierung „Wir verteidigen den Widerstand in all seinen Formen“ eingegangen. Sie deuten das als Unterstützung der Hamas, die vom deutschen Staat als „Terrororganisation“ verboten wurde.

LW: Es ist sehr interessant, wenn man sich genauer anschaut, welche Quellen von uns sie nutzen. Es sind interessanterweise meistens solche, die zur Hamas gar nichts sagen, wie unsere Gründungscharta. Angeblich sollen wir gesagt haben, wir unterstützten alle Formen des Widerstands, einschließlich des bewaffneten Kampfs, und damit auch die Hamas. In der dazugehörigen Fußnote, die auf unser Programm verweist, steht dazu aber gar nichts. Da steht einfach nur: Wir sind solidarisch mit dem Widerstand in allen Formen. Das ist eine unlautere Argumentation.

Wir haben tatsächlich einen etwas längeren Beitrag zur Hamas verfasst, der kommt in der Verbotsverfügung aber gar nicht vor. Warum? Weil es ein total sachlicher Text ist. Wir schreiben, dass es sich um eine Bewegung und Partei handelt, die 2006 von den Palästinensern gewählt worden war, die in einigen westlichen Ländern als Terrororganisation gelistet ist, überall sonst auf der Welt aber nicht, die sogar offen für eine Zwei-Staaten-Lösung ist. Und dass die Hamas aus unserer Sicht nicht antisemitisch ist. Wir haben das sachlich und unkommentiert beschrieben. Das zitieren sie gar nicht.

Das andere ist das „Existenzrecht“. Das war auch schon Thema der Anzeige gegen mich. Es gibt da ein Interview, in dem ich begründe, warum ich gegen das „Existenzrecht“ Israels bin. Darauf stützen sie sich aber auch wieder nicht. Stattdessen nutzen sie einen Post, in dem wir berichten, dass uns bei einer Demo auferlegt wurde, das „Existenzrecht Israels nicht in Frage zu stellen“. Daraus interpretieren sie im Umkehrschluss, dass wir gegen das Existenzrecht Israels auftreten. Da in dem Post aber nicht argumentiert wird, laufen sie nicht Gefahr, unsere fundierte Argumentation ins Spiel bringen zu müssen.

Denn sie wollen keine Argumentation über diese Frage, wie wir das die ganze Zeit gemacht haben. Das „Existenzrecht Israels“ ist ja nicht unser Begriff. Wir haben offengelegt, was die Existenz Israels bedeutet. Wir gehen nicht auf die Straße und erklären, Israel habe kein Existenzrecht, das ist Quatsch. Wir arbeiten nicht so. Wir sind für die Befreiung Palästinas.

Aber was bedeutet es, das „Existenzrecht“ Israels zu verteidigen? Das heißt doch nur, dass man Israel, so wie es jetzt existiert, verteidigt. Dass man Apartheid, Kolonialismus, Besatzungsmacht verteidigt; und das tun wir nicht. Wir haben ein Interesse daran, das zu diskutieren. Aber das wird von der anderen Seite komplett abgelehnt.

Die Argumentation mit dem Rückkehrrecht der Palästinenser ist auch interessant: Sie sagen, das sei antisemitisch, dann wäre der Staat Israel nicht mehr der Staat, der er jetzt ist. Das haben sie richtig erkannt, ziehen aber daraus nicht die Schlussfolgerung, die wir ziehen. Denn das heißt ja im Umkehrschluss, dass es jetzt ein exklusiver Staat für die jüdische Bevölkerung, ein ethnischer Staat ist. Die Ein-Staaten-Lösung, wie wir sie uns vorstellen, bedeutet ein Staat für alle, säkular und demokratisch…

AO: … mit gleichen Rechten für alle.

WSWS: Ja, korrekt. Jeder der gleiche Rechte für alle Bewohner Israels fordert, verstößt gegen das Existenzrecht Israels und damit gegen die Staatsräson. Der Begriff kommt ja auch vor in der Verbotsverfügung.

LW: In der Verbotsverfügung wird unser Eintreten für einen demokratischen, säkularen Staat als unglaubwürdig beiseite gewischt. Das wird uns nicht abgenommen, weil wir ja angeblich die Hamas unterstützen. Die Hamas ist aber gegen einen säkularen Staat, sie ist ja eine religiös-nationale Partei. Auch unter Demokratie versteht sie bestimmt etwas anderes als ich.

Aber die Hamas könnte sich nicht einfach so mit ihrem Programm durchsetzen. Es gibt in Palästina Christen, Juden, säkulare Kräfte. Seit 100 Jahren kämpft diese Bevölkerung für ihre Rechte. Selbst im Gazastreifen kann die Hamas nicht machen, was sie möchte, auch dort hat sie Zugeständnisse machen müssen. Sie ist da in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr pragmatisch geworden.

WSWS: Das wird dann alles auch noch rechtlich gewertet werden müssen. Ihr habt ja Klage erhoben. Könnt ihr dazu noch etwas sagen?

LW: Es gibt neben der Verbotsverfügung einen Beschluss, dass das Verbot sofort vollzogen wird. Die Klage richtet sich gegen das Verbot und das Eilverfahren richtet sich gegen den Beschluss des sofortigen Vollzugs. Es ist ein Antrag zur Wiederherstellung des Rechtsschutzes oder anders formuliert, wir fordern die „Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage“.

Im Eilverfahren müssen wir sehr stark formal argumentieren, mit Fehlern, die sie gemacht haben. Wir verweisen auch auf so etwas wie die Verhältnismäßigkeit. Wenn dieser Antrag abgelehnt wird, dann sind wir weiterhin verboten. Dann werden wir widersprechen und weiter gegen das Verbot klagen.

Es bestand die Gefahr, dass auch andere unmittelbar verboten worden wären, wenn wir keine Klage eingereicht und kein Eilverfahren angestrengt hätten. Kann sein, dass wir so jetzt anderen im besten Sinne eine Galgenfrist eingeräumt haben. Ein Sieg von uns im Hauptsacheverfahren kann zwei oder drei Jahre dauern, und dann ist die Situation wieder eine andere.

WSWS: Es hat sich gegen das Verbot der PSDU ein Solidaritätskomitee gegründet. Was hat es damit auf sich?

AO: Die Arbeit dieses Komitees liegt darin, Unterstützung gegen das Verbot der PSDU zu organisieren. Die Freundinnen und Freunde, die sich darin zusammengeschlossen haben, versuchen, so breit wie möglich die Hintergründe und Konsequenzen des Verbots an die Öffentlichkeit zu bringen.

So gibt es immer wieder bundesweite Aktionen und Solidaritätserklärungen gegen das Verbot. Es gibt Kurz-Videos von Personen, die uns unterstützen und solidarisch sind. Veranstaltungen sind auch geplant. Wir beide werden hin und wieder eingeladen, um zu berichten. Wir waren zum Beispiels auf mehreren Protestcamps.

Wichtig ist auch die Sammlung von Spenden durch das Komitee, um die Prozesskosten zusammenzubekommen. Schon jetzt haben wir an die 10.000 Euro Anwalts- und Gerichtskosten, und da werden auch noch einige Tausend hinzukommen.

Die Solidarität, die Spenden, die brauchen wir, damit wir weitermachen können. Die bisherigen Aktionen waren ein guter Anfang, man kann das alles auf der Website des Komitees anschauen und nachlesen. Aber wir wollen da noch mehr in die Öffentlichkeit. Und ich hoffe, da wird dann noch etwas kommen. Wir machen auf jeden Fall weiter.

WSWS: Ahmad, Leon, vielen Dank!

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