Der Nahe Osten steht am Rande eines schrankenlosen Krieges, nachdem Israel aggressiv auf die Tötung von 12 Kindern durch einen Raketenangriff am Samstag auf den besetzten Golanhöhen reagiert hat. Die israelische Regierung ist entschlossen, einen massiven Angriff auf den Libanon zu lancieren, den Premierminister Benjamin Netanjahu als „hart“ bezeichnete und der sich gegen die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz richten soll. Am Dienstagabend bombardierte die israelische Armee ein Wohnviertel in der libanesischen Hauptstadt Beirut, in dem sich ein Hisbollah-Kommandeur aufgehalten haben soll.
Netanjahus blutgetränktes genozidales Regime, das in den vergangenen neun Monaten schätzungsweise 186.000 Palästinenser abgeschlachtet hat, behauptet, dass die Todesopfer vom Samstag durch eine von der Hisbollah abgefeuerte Rakete aus iranischer Produktion verursacht wurden, während die libanesische Gruppe eine herabfallende israelische Luftabwehrrakete für den Vorfall verantwortlich macht. Wie dem auch sei, zwei Dinge sind bereits klar. Das rechtsradikale israelische Regime sucht seit langem nach einem Vorwand, um den Krieg im Gazastreifen auf seine Nordfront auszuweiten. Für diesen skrupellosen Kurs, der die gesamte Region in ein Blutbad zu stürzen droht, genießt es die volle Unterstützung des amerikanischen Imperialismus.
Bei seiner Rede vor der gemeinsamen Sitzung des amerikanischen Kongresses machte Netanjahu am 24. Juli vor einem begeisterten Publikum aus Demokraten und Republikanern keinen Hehl aus seinen Absichten.
... wenn Israel gegen die Hamas kämpft, kämpfen wir gegen den Iran. Wenn wir die Hisbollah bekämpfen, bekämpfen wir den Iran. Wenn wir die Houthis bekämpfen, kämpfen wir gegen den Iran. Und wenn wir gegen den Iran kämpfen, dann kämpfen wir gegen den radikalsten und mörderischsten Feind der Vereinigten Staaten von Amerika...
Wenn Sie sich an eine Sache erinnern, an eine Sache aus dieser Rede, dann erinnern Sie sich an dies: Unsere Feinde sind Ihre Feinde, unser Kampf ist Ihr Kampf, und unser Sieg wird Ihr Sieg sein.
Netanjahu führte auch Gespräche mit Präsident Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris, um die Zustimmung der USA zu erhalten, den Krieg zu gegebener Zeit auszuweiten. Beide erklärten, Israel in einem Konflikt mit dem Iran in der gesamten Region bedingungslos zu unterstützen. Harris wählte für ihr Statement gegenüber den Medien nach ihrem Treffen mit dem israelischen Premierminister Worte, in denen Netanjahus Rede nachklang: „Ich hatte soeben ein offenes und konstruktives Treffen mit Premierminister Netanjahu. Ich habe ihm gesagt, dass ich immer dafür sorgen werde, dass Israel in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, auch gegen den Iran und die vom Iran unterstützten Milizen wie die Hamas und die Hisbollah.“
Der amerikanische Imperialismus und sein israelischer Kampfhund eskalieren den Krieg in einer Region skrupellos, die ohnehin schon vor Spannungen brodelt. Als Reaktion auf die kriegerischen Äußerungen der Netanjahu-Regierung drohte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag damit, in Israel „reinzugehen“. „So wie wir in Karabach und in Libyen reingegangen sind, so können wir auch mit ihnen verfahren“, sagte er und bezog sich dabei auf die türkischen Interventionen zur Unterstützung Aserbaidschans in seinem Konflikt mit Armenien und auf den libyschen Bürgerkrieg. Erdogan und die türkische herrschende Klasse befürchten, dass ein Krieg im Libanon unweigerlich das benachbarte Syrien destabilisieren würde, in dem seit über einem Jahrzehnt ein von den USA angezettelter Bürgerkrieg wütet. In dem Land unterstützen iranische Kräfte das syrische Assad-Regime, und im Norden unterstützt die Türkei islamistische Milizen gegen die Kurden.
Im April lancierte der Iran seinen ersten direkten Angriff auf Israel als Vergeltung für Israels provokativen Bombenangriff auf das iranische Konsulat in Damaskus, bei dem sieben hochrangige Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden getötet wurden. Israel konnte die meisten der abgefeuerten Drohnen und Raketen mit Unterstützung der USA und seinem regionalen Verbündeter Jordanien abfangen.
Es gibt nur eine Erklärung für die Bereitschaft Netanjahus und der Biden-Regierung, unter diesen Bedingungen eine größere Militäroperation im Libanon loszutreten: Beide wollen einen totalen Krieg.
Washington hat Israels Völkermord an den Palästinensern im Gaza-Streifen im Oktober letzten Jahres von Anfang an voll und ganz gebilligt, weil Biden, Harris und Co. ihn als eine Schlüsselkomponente ihrer Vorbereitungen für einen regionalen Krieg gegen den Iran betrachteten. Sie entsandten zwei Flugzeugträger-Kampfgruppen mit bis zu 15.000 Mann und dutzenden Kampfflugzeugen in die Region. Sie haben 14.000 2.000-Pfund-Bomben an die mörderischen israelischen Verteidigungsstreitkräfte geliefert und ihnen geholfen, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und andere wichtige Infrastruktur im Gazastreifen zu zerstören. So schrecklich diese Verbrechen sind, so sind sie doch nur ein Vorgeschmack auf die Verwüstungen, die der US-Imperialismus dem gesamten Nahen Osten zufügen will, um seine Vorherrschaft über die energiereiche Region zu erhalten.
In einer Erklärung, die am 9. Oktober 2023 – nur zwei Tage nach dem blutigen Angriff Israels – veröffentlicht wurde, warnte das Internationale Komitee der Vierten Internationale:
Die imperialistischen Führer und ihre Sprachrohre in der Presse stellen sich nicht gegen „Terrorismus“, sondern gegen den Massenwiderstand gegen die Besatzung und den Terror, der täglich von Israel ausgeübt wird. Und sie werden so weit gehen, dass sie auch einen Völkermord an den Palästinensern und eine Ausweitung des Konflikts auf einen regionalen Krieg gegen Iran, Syrien und Libanon unterstützen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die Entschlossenheit des amerikanischen Imperialismus, im gesamten Nahen Osten Krieg zu führen, ist in seinem rapiden wirtschaftlichen Niedergang begründet, der ihn zu mehr als drei Jahrzehnten ununterbrochener Kriege getrieben hat. Er nutzte die stalinistische Auflösung der Sowjetunion, um den relativen Verlust seiner wirtschaftlichen Hegemonie durch den Einsatz seiner unübertroffenen militärischen Macht in einer Reihe von vernichtenden Konflikten zu kompensieren, angefangen mit dem ersten Golfkrieg im Irak, über Serbien, Afghanistan, den zweiten Irakkrieg, Libyen und den anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien. Diese Kriege haben im Nahen Osten, in Nordafrika und in Zentralasien Millionen Menschen das Leben gekostet und weitere Millionen zur Flucht gezwungen.
Diese Kriege haben ihr Ziel nicht erreicht. Die Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten hat sich weiter verschärft, wobei die Verschuldung und die soziale Ungleichheit in Verbindung mit den enormen Ausgaben für weltweite Militäreinsätze und die Bereicherung der Milliardäre immer weiter zunehmen. Die amerikanische herrschende Klasse hat zu immer offeneren diktatorischen Formen der Herrschaft gegriffen, um ihre Agenda des imperialistischen Kriegs einer Bevölkerung aufzuzwingen, die ihr überwältigend feindlich gegenübersteht. Getrieben von der gleichen unlösbaren Krise des Weltkapitalismus haben sich die anderen imperialistischen Mächte in Europa und Japan bis an die Zähne bewaffnet, um in der Neuaufteilung der Welt ihre eigenen Interessen zu verfolgen, die sie mit Hilfe des Weltkriegs durchsetzen wollen.
Der Nahe Osten ist für den US-Imperialismus eine Front in diesem globalen Brandherd. Zu den anderen gehören die Ukraine und Osteuropa, wo die US-Nato-Achse einen Krieg gegen Russland führt, um das Land in den Status einer Halbkolonie zu versetzen und sich seiner natürlichen Ressourcen zu bemächtigen, sowie der asiatisch-pazifische Raum, wo Washington und seine regionalen Verbündeten die Weichen für einen Krieg gegen China stellen, um dessen Aufstieg zum wichtigsten wirtschaftlichen und geopolitischen Konkurrenten Washingtons zu verhindern. Aus diesem Grund wurde Netanjahus Rede, in der er den Völkermord verteidigte und Krieg im gesamten Nahen Osten befürwortete, von den Vertretern der herrschenden Klasse der USA mit Begeisterung aufgenommen.
Während Netanjahu dem Kongress seinen Plan für einen Krieg mit dem Iran präsentierte, stellte die Socialist Equality Party auf einer nahe gelegenen Kundgebung den einzig gangbaren Weg vor, wie die Arbeiterklasse in den USA und weltweit ihn stoppen kann. Dieselben kapitalistischen Widersprüche, die die Imperialisten in Richtung des Weltkriegs treiben, radikalisieren weltweit Millionen Arbeiter und treiben sie in Kämpfe mit revolutionären Implikationen. Die Kundgebung war ein bewusster Ausdruck dieses Prozesses und wurde gemäß den folgenden Grundsätzen einberufen:
Die wesentliche Ursache des Kriegs liegt im kapitalistischen Nationalstaatensystem, den globalen Finanzinteressen der Großkonzerne und dem unerbittlichen Streben der amerikanischen herrschenden Klasse nach Weltherrschaft.
Der Kampf gegen Krieg erfordert die Mobilisierung der immensen Macht der amerikanischen Arbeiterklasse und ihre politische Unabhängigkeit von den Demokraten und Republikanern, den Parteien des imperialistischen Kriegs und der herrschenden Klasse.
Die Bewegung gegen Völkermord und Krieg muss international sein und Arbeiter auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Klasseninteressen weltweit vereinen.
Die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten unterstreichen einmal mehr, wie dringend es ist, für den Aufbau einer globalen Antikriegsbewegung zu kämpfen, die von der Arbeiterklasse geführt wird und auf diesen Prinzipien beruht. Wir appellieren an alle, die damit übereinstimmen, heute die Entscheidung zu treffen, an der sozialistischen Opposition gegen imperialistischen Krieg teilzunehmen und sie aufzubauen.