Die Provokation von Amsterdam: ein Vorwand für Angriffe auf die demokratische Rechte

Die hysterische internationale Pressekampagne, die die Amsterdamer beschuldigt, Pogrome gegen Juden entfesselt zu haben, beginnt bereits zu bröckeln. Nun kommen weitgehende Pläne der niederländischen Regierung ans Licht.

Die rechtsextreme niederländische Regierung unter dem Ministerpräsidenten Dick Schoof, dem ehemaligen Chef des Nachrichten- und Sicherheitsdienstes (AIVD), und dem Neofaschisten Geert Wilders arbeitet eng mit dem faschistischen Regime in Tel Aviv zusammen. Sie benutzt den falschen Vorwurf des „Antisemitismus“ als Vorwand für beispiellose Angriffe auf demokratische Rechte.

Ein propalästinensischer Demonstrant wird während einer Demonstration von der Polizei festgenommen, Amsterdam, 13. November 2024 [AP Photo/Bram Janssen]

Am 8. November gab es in Amsterdam keine „Jagd auf Juden“, keine Pogrome und keine „Kristallnacht“. Es gab keinen Massenmord an Juden durch schwerbewaffnete faschistische Banden wie in den Novemberpogromen 1938 im nationalsozialistischen Deutschland. Im Gegenteil existieren in der Arbeiterklasse der Stadt nach wie vor tief verwurzelte demokratische Gefühle, die Völkermord und politischem Rassismus entgegenstehen.

Stattdessen gab es an diesem Freitag einen gezielten Versuch, Nato-Gegner und Menschen, die Netanyahus „Endlösung“ der Palästinenserfrage ablehnen, zu provozieren und zu kriminalisieren.

Tatsächlich wären die Ereignisse der letzten Woche bezüglich der politischen Pläne der Behörden eher mit dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 als mit der Reichspogromnacht zu vergleichen. Die Nazis hatten den Reichstagsbrand ausgenutzt, um eine gut vorbereitete und beispiellose Verfolgung von Arbeitern, Jugendlichen und Intellektuellen einzuleiten und das NS-Regime zu etablieren. Die niederländische herrschende Klasse versucht ihrerseits, die rechte Schoof-Regierung zu stärken und ihr autoritäre Vollmachten zu verleihen, um die wachsende Wut der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

Am 8. November erließ die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema eine „Notstandsverordnung“, in der sie die Stadt zum „Sicherheitsgebiet mit hohem Risiko“ erklärte. Damit erhielt die Polizei die volle Befugnis, präventive Durchsuchungen bei Amsterdamer Einwohnern vorzunehmen und alle Demonstrationen in der Stadt zu verbieten. Ursprünglich als Wochenendverbot angekündigt, wurde es schnell bis zum 14. November verlängert.

Am 10. November forderte Schoof während seiner Pressekonferenz nach einem Ministertreffen ein noch härteres Vorgehen gegen diejenigen, die angeblich für „antisemitische Gewalt“ verantwortlich sind. Die Regierung Schoof hat nach dem Vorbild ihrer deutschen Amtskollegen mit der Ausarbeitung einer „umfassenden Strategie“ zur Bekämpfung von „Antisemitismus“ begonnen.

Nach einem harten Niederschlagen der Proteste am Wochenende verhaftete die Polizei am Mittwochabend 281 Teilnehmer einer verbotenen Demonstration. In den sozialen Medien kursieren mehrere Videos, die zeigen, wie Bereitschaftspolizisten Demonstrierende anschreien und mit Schlagstöcken traktieren.

Schoof droht Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, die der „antisemitischen Gewalt“ beschuldigt werden, die niederländischen Pässe zu entziehen, was zu ihrer Ausweisung oder Abschiebung aus dem Land führen würde. Die Zeitung The European Conservative berichtete, dass Schoof „Wilders’ Ansichten teilt“, und zitiert ihn nach einem Treffen mit jüdischen Gemeindevorstehern mit den Worten: „Es gibt eine Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund, die der Gesellschaft den Rücken gekehrt hat und ihre westlichen Werte nicht teilt.“

In den Niederlanden besitzen schätzungsweise 1,3 Millionen Bürger (von 18 Millionen) eine doppelte Staatsbürgerschaft. Jeder vierte von ihnen hat einen marokkanischen und ein weiteres Viertel einen türkischen Pass. Sie stellen einen bedeutenden Anteil der Menschen, die gegen den Gaza-Krieg auf die Straße gehen. Noch während der Provokationen in Amsterdam forderte Wilders’ anti-muslimische Freiheitspartei (PVV) die Einziehung der Pässe dieser Menschen.

Am vergangenen Freitag twitterte Wilders: „Sieht aus wie eine Judenjagd in den Straßen von Amsterdam. Verhaftet und deportiert den multikulturellen Abschaum, der die Fans von Maccabi Tel Aviv auf unseren Straßen angreift. Schande, dass dies in den Niederlanden passieren kann. Völlig inakzeptabel.“

Jimmy Dijk, der Vorsitzende der ehemals maoistischen Sozialistischen Partei (SP), schloss sich dem an und twitterte: „Schreckliche Bilder von letzter Nacht in Amsterdam. Gewalt und Hass gegen Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Abstammung oder ihrer Herkunft sind inakzeptabel und dürfen in unserer Gesellschaft nicht geduldet werden. Nicht in Amsterdam, nicht in den Niederlanden. Die Täter müssen hart bestraft werden.“

In voller Übereinstimmung mit Wilders und Schoof äußerte sich auch Dilan Yesilgöz, Vorsitzender der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), die der Schoof-Regierung angehört. „Was die VVD betrifft, so entziehen wir eine Aufenthaltserlaubnis noch schneller, wenn jemand eine Straftat begeht“, sagte Yesilgöz. „Indem wir auch die niederländische Staatsbürgerschaft nach einer Straftat schneller entziehen, stellen wir sicher, dass das Kabinett dem deutschen Vorschlag folgt und die niederländische Staatsbürgerschaft vollständig entzieht, wenn eine Verurteilung wegen Antisemitismus vorliegt.“

In ähnlicher Weise kündigte der VVD-Minister für Justiz und Sicherheit, David van Weel, an, dass die niederländische Regierung ihre „Antisemitismus-Strategie“ so schnell wie möglich umsetzen werde.

Die rechtsextreme niederländische Regierung kündigte am Montag außerdem ihre Pläne an, Anfang Dezember Kontrollen an den Landesgrenzen einzuführen, um die „illegale Einwanderung“ zu bekämpfen, nachdem Deutschland im September einen ähnlichen Schritt unternommen hatte. Dies steht im Einklang mit der Agenda, die die Regierung im Mai vorgelegt hatte, welche eine Verschärfung der Einwanderungskontrolle und die Begrenzung der Zahl der Asylbewerber vorsieht.

Während das ganze niederländische Establishment unter dem betrügerischen Vorwand eines Kampfs gegen „Antisemitismus“ diejenigen, die Widerstand gegen den Völkermord in Gaza leisten, hysterisch bekämpft, verfolgt es eine extrem rechte Agenda, die mit der Nato-Politik zu Gaza und zum Ukrainekrieg übereinstimmt. Angesichts einer neuen Welle von Protesten und Streiks in der Arbeiterklasse in den Niederlanden und ganz Europa greift es auf antidemokratische, kolonialistische Traditionen zurück.

Die beiden größten niederländischen Gewerkschaftsverbände, FNV und CNV, haben am Dienstag, dem 12. November, gemeinsam zu einem Streik aufgerufen. Insgesamt 12.000 Apothekenhelferinnen und -helfer legten für einen Tag im ganzen Land die Arbeit nieder, um eine Lohnerhöhung von 6 Prozent, einen Mindeststundenlohn von 16 Euro und bessere Arbeitsbedingungen zu erstreiten. Dieser Streik folgte auf einen ersten Warnstreik von Apothekenmitarbeitern im September.

Aufgrund des jahrelangen Verrats der Gewerkschaftsbürokratien und ihrer Politik, die Interessen der Beschäftigten den Profiten der Apothekenbesitzer unterzuordnen, gehören die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich in den Niederlanden zu den schlechtesten aller Beschäftigten im Gesundheitswesen. Kaum je hat man ihre Löhne an die Inflation und an Steuererhöhungen angepasst, obwohl die Niederlande eine der höchsten Inflationsraten der Eurozone aufweisen.

Parallel zum Streik der Apothekenbeschäftigten finden auch Streiks von Beschäftigten der Eisenbahnverkehrskontrolle, der Eisenbahnnetzwartung und der Bahningenieure am 11., 13., 15., 18., 20. und 22. November statt, um höhere Löhne zu fordern. Offizielle Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft FNV und der staatlichen ProRail sind gescheitert. Die FNV ist jedoch berüchtigt dafür, dass sie die Streiks isoliert und ausverkauft. So hat sie auch diesen Arbeitskampf von Tausenden ProRail-Mitarbeitern auseinandergerissen und auf sechs verschiedene Tage und auf sechs verschiedene Strecken verteilt, um ihn zu entschärfen. Zwischen jedem Streiktag liegt ein weiterer Tag Pause, und jeder Streik wird auf nur drei Stunden begrenzt.

Darüber hinaus wurde ein weiterer Streik in letzter Minute abgesagt: In Utrecht sollte der größte eintägige Protest von Universitätsmitarbeitern und Studierenden stattfinden und sich gegen die geplanten Haushaltskürzungen in Höhe von einer Milliarde Euro im Hochschulbereich und einer weiteren Milliarde Euro im sozialen Bereich richten. Die Absage der für Donnerstag geplanten Demonstrationen unterstreicht erneut den Verrat der Gewerkschaftsbürokratien. Sie dienen als Sicherheitsventile und schützen die Interessen der Bourgeoisie und der Großunternehmen, indem sie die wachsende soziale Wut wirkungslos verpuffen lassen.

Am Mittwoch erklärte die Bürgermeisterin von Utrecht, Sharon A.M. Dijksma, in einem Brief, sie habe „kürzlich konkrete Informationen von außerhalb der Stadt erhalten, die zeigen, dass eine pro-palästinensische Organisation beabsichtigt, die Demonstration zu kapern“. Daraufhin kapitulierten die Gewerkschaften im Bildungssektor, AOb und FNV, und erklärten sich mit dem reaktionären Verbot voll und ganz einverstanden.

Weit davon entfernt, die Demonstration „zu kapern“ und „Gewalt zu schüren“, gaben die Dutch Scholars for Palestine (DSP – ein Netzwerk von Akademikern und Kulturschaffenden) eine Erklärung ab, in der sie die Demonstration uneingeschränkt unterstützten. Darin schrieben sie: „Die niederländische Regierung hat weitreichende Haushaltskürzungen im Bildungsbereich angekündigt. Diese Kürzungen sind keine Reaktion auf das Haushaltsdefizit, sondern Teil einer rechtsextremen politischen Agenda, die Militärausgaben, Waffenkäufe und Steuererleichterungen für die Ultrareichen priorisiert. Diese Kürzungen untergraben unsere Universitäten als Orte des kritischen Denkens und schränken unsere Fähigkeit ein, uns eine Zukunft vorzustellen.“

Hinter den offiziellen Lügen verbirgt sich der politische Grund für die Absage der Utrechter Demonstration: Die herrschende Klasse der Niederlande fürchtet eine wachsende politische Mobilisierung der Arbeiter gegen ihre Agenda von Völkermord, imperialistischem Krieg, sozialem Kahlschlag und rechtsextremen Angriffen auf demokratische Rechte. Wie Karl Liebknecht, der große Sozialist und deutsche Revolutionär, so treffend sagte: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land.“

Nur die vollständige Mobilisierung der industriellen Macht der Arbeiterklasse in den Niederlanden und ganz Europa kann das Abgleiten der Bourgeoisie in eine extreme soziale Konterrevolution aufhalten. Eine solche Mobilisierung wird nicht unter dem Einfluss der Gewerkschaftsbürokratien und Mittelklasseparteien wie der SP stattfinden. Sie erfordert den Aufbau unabhängiger Organe der Arbeiterklasse. Die niederländischen Arbeiter müssen sich mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern auf der ganzen Welt in einem gemeinsamen Kampf gegen Faschismus, imperialistischen Krieg, Völkermord und Austerität zusammenschließen.

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