In den USA werden mit Trumps Wahl zum Präsidenten Millionen Einwanderer ohne Green Card zum Freiwild und mit Abschiebung bedroht. Auch in Deutschland ist der Feldzug gegen Geflüchtete und Migranten ein zentrales Element im Wahlkampf. Sie sind die ersten Opfer der Spar- und Kriegspolitik aller etablierten Parteien.
Politiker und Journalisten bedienen sich einer schier unerträglichen nationalistischen Hetze. Den Tenor setzte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, als er im AfD-Jargon behauptete, Migranten würden auf Kosten deutscher Steuerzahler „sich die Zähne neu machen“ lassen. Bei Maischberger kündigte er am 4. Dezember drohend an: „Die Zurückweisungen an der Grenze werden kommen, wenn wir an der Macht sind. Sie sind rechtlich zulässig, technisch machbar, und ich finde, sie sind politisch geboten.“
Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) brüstet sich damit, dass die SPD in der Ampelregierung für den starken Rückgang der Asylbewerberzahlen gesorgt habe. Er sagte das zum Wahlkampfauftakt am 30. November in derselben Rede, in der er seine Partei als „Stimme der Fleißigen und Anständigen“ bezeichnete. Schon beim Migrationsgipfel im September prahlte Scholz, seine Regierung habe die „größte Wende im Umgang mit irregulärer Migration“ vollbracht. Gleichzeitig organisierte seine Bundesinnenministerin und oberste Polizistin, Nancy Faeser (SPD), die ersten Abschiebeflüge nach Syrien und Afghanistan.
Derweil forderte Cem Özdemir (Grüne) in der FAZ eine härtere Asylpolitik und begründete dies damit, dass seine Tochter schlechte Erfahrungen mit „Männern mit Migrationshintergrund“ gemacht habe.
Auch Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schüren Ausländerfeindlichkeit, und Wagenknecht beschimpft Migranten und Flüchtlinge bei jeder Gelegenheit als Lohndrücker, Streikbrecher und kulturfremde Elemente. Sie kritisiert die Ampel von rechts und fordert „sehr radikale Maßnahmen“, um die Asylzahlen zu senken. Auch Bodo Ramelow, erster und bisher einziger Ministerpräsident der Linken, brüstet sich damit, dass unter seiner Regierung die Zahl der Abschiebungen in Thüringen deutlich angestiegen sei.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) lehnt die Hetze gegen Geflüchtete, die Verschärfung des Asylrechts und die ganze Politik auf dem Rücken von Migranten kategorisch ab. Wie schon im Europawahlkampf appellieren wir auch jetzt „an Arbeiterinnen und Arbeiter, an Jugendliche und an alle, die Rassismus und Faschismus ablehnen: Stellt euch dieser Entwicklung entgegen! Verteidigt Flüchtlinge und demokratische Rechte!“
Die „Flüchtlingsfrage“ ist nicht einfach ein Thema unter vielen, sondern ein integraler Baustein bürgerlicher Politik. Sie ist der Mechanismus, mit dem die herrschende Klasse die massive Ausweitung staatlicher Polizeigewalt rechtfertigt und die international vernetzte Arbeiterklasse spaltet. Sie schürt ein Klima der nationalen Rückständigkeit, das sie für ihre imperialistische Kriegspolitik benötigt. Dabei macht sie die am meisten Unterdrückten zu Sündenböcken für eine Krise, die in Wirklichkeit der Profitgier der Superreichen und einer Politik der Aufrüstung und des Krieges geschuldet ist.
Jetzt im Wahlkampf nehmen diese Angriffe extreme und barbarische Züge an. Sie richten sich gegen Geflüchtete und Migranten, die aus Krisengebieten unter Einsatz ihres Lebens nach Deutschland gekommen sind. Die Menschen kommen aus Syrien, Afghanistan, der Ukraine, Russland, aus Palästina, Kurdistan, der Türkei, dem Irak, dem Iran, Somalia, Eritrea, Nigeria oder einem anderen kriegs- und krisengeschüttelten Land. Sie haben jeweils eine gefährliche Odyssee hinter sich, über Routen wie das Mittelmeer, dieses Massengrab für Tausende, oder einen monatelangen Fußmarsch über die Balkanroute, oft mit kleinen Kindern an der Hand. Die meisten sind traumatisiert, wenn sie hier ankommen.
Aber wie werden sie aufgenommen? Mehr als die Hälfte von ihnen werden umgehend zurückgewiesen. Laut dem neusten Bericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) „lag die Gesamtschutzquote bei 45,7 Prozent“.
Abschiebungen
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilt die Geflüchteten in neun verschiedene Kategorien ein, die alle unterschiedliche Rechte haben. Dazu erklärte der Leiter einer Flüchtlingsunterkunft in Hessen, der anonym bleiben möchte, dass eine „Asylberechtigung nach Paragraph 16“ extrem selten vorkomme.
„In den letzten zwei Jahren habe ich es nicht erlebt, dass jemand einen positiven Asylbescheid erhielt“, sagte er der World Socialist Web Site. „Um diese Anerkennung zu bekommen, müsste man über den Schiffsweg Deutschland erreichen und um Asyl bitten – was kaum je vorkommt.“ Wenn überhaupt, dann erhalten die meisten nur die „Flüchtlingseigenschaft“.
Wer jedoch aus den sogenannten „Drittstaaten“ einreist – und das sind alle Staaten rings um Deutschland – soll laut den Dublin-Regeln dorthin zurückgeschoben werden. „Die meisten“, fuhr er fort, „sind sogenannte Dublin-Fälle, die nach Italien oder Österreich zurückgeschickt werden.“
Eine große Gruppe betrifft die Menschen, die aufgrund eines ablehnenden Asylbescheides ausreisepflichtig sind, jedoch eine „Duldung“ bekommen, weil die Lage in ihrem Herkunftsland derzeit als unsicher gilt. Ihre Zahl beträgt in Deutschland etwa 120.000. Immer häufiger droht auch ihnen überraschend die Ausweisung, da die Regierung ihr Herkunftsland neu bewertet und ihnen die Duldung entzieht.
Unser Gesprächspartner berichtete, dass mittlerweile sogar der Irak als „sicher“ betrachtet werde. Er kenne mehrere irakische Männer – „fleißige Männer, die bei der Post arbeiten“ –, die jetzt ihre Abschiebung befürchten müssen.
Die Abschiebungen führen nicht selten zu offenen Konflikten mit der Bevölkerung: In Bremen scheiterte die Polizei am 3. Dezember, als sie versuchte, einen Flüchtling aus dem Kirchenasyl einer evangelischen Kirche zu reißen, um ihn abzuschieben. Bis zu 100 Bremerinnen und Bremer, darunter der Pastor der Gemeinde, stellten sich dem entgegen. Der Somalier sollte nach Finnland gebracht werden, weil er dort über die russische Grenze in die EU eingereist und erstmals registriert worden war.
Sparmaßnahmen und Schikanen: die Bezahlkarte
Die Geflüchteten sind die ersten Opfer der Sparhaushalte in den Bundesländern. Diese verschlechtern den Schlüssel des Personals, das die Geflüchteten in den Kommunen betreut. Zudem werden die Leistungen für den persönlichen Bedarf überall auf die Bezahlkarte umgestellt, die bis März 2025 in allen Ländern eingeführt werden muss.
In Hessen beginnt Heike Hofmann (SPD), Ministerin für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales im Kabinett von Boris Rhein (CDU), im Dezember mit der Einführung der Bezahlkarte. Die Karten werden zuerst in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen an alle einreisenden Leistungsberechtigten ausgegeben, später in den Kommunen. Die Diskussion darüber hat offen gemacht, wie elend die Geflüchteten in Deutschland leben müssen.
So wird der private Bedarf für einen alleinstehenden Flüchtling mit 204 Euro im Monat von vorneherein deutlich niedriger angesetzt als der bereits niedrige Betrag für einen Bürgergeldempfänger. Mit der Bezahlkarte dürfen die Menschen in Hessen jetzt von diesem Betrag nur noch 50 Euro monatlich in bar abheben.
Damit wird für viele, die ihre Lebensmittel auf dem türkischen oder afghanischen Markt einkaufen, ihre bisherige Lebensführung fast unmöglich. Selbst vorausgesetzt, dass für Unterkunft gesorgt ist, kommt ein Barbetrag von gerade mal 50 Euro monatlich dem Ausschluss aus dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben gleich. Denn jede Flasche Wasser oder Tasse Café/Tee, jede Handykarte, jede Fahrt mit Bus, Tram oder Bahn, jede kulturelle oder Freizeitveranstaltung und sogar jeder öffentliche Toilettengang kostet Geld.
Die Bezahlkarte dient im Wesentlichen der besseren Überwachung und Kontrolle der Geflüchteten. Überweisungen, vor allem ins Ausland, auch an die eigene Familie in der Heimat, sind damit nicht möglich. Auch dürfen die Geflüchteten kein Bankkonto eröffnen. Die Karte ist auf die Region beschränkt, in der die Betreffenden wohnen, und sie schränkt so das, was von ihrer „Freizügigkeit“ übrig ist, noch stärker als bisher ein.
Auch ist die Bezahlkarte alles andere als eine „Entlastung der Kommunen von Verwaltungsaufgaben“. Pro Asyl schreibt, dass Schikanen wie die Bezahlkarte vor allem dem Zweck dienen, „den Menschen das Leben hier schwer zu machen und sie abzuschrecken“. Denjenigen, die vor Ort mit Geflüchteten arbeiten und die Einführung der Karte in den Kommunen tatsächlich umsetzen müssen, „graut heute schon vor dem zusätzlichen Aufwand“.
Die Landesregierungen behaupten, die Bezahlkarte sei ein wichtiges Instrument zur Begrenzung illegaler Migration, sie bekämpfe das Unwesen der Schlepper und entlaste die Kommunen von Verwaltungsaufgaben. „Jede einzelne dieser Behauptungen ist unsinnig“, sagte hierzu der Flüchtlingsrat Hessen in einer Erklärung mit dem Titel „Diskriminierung à la carte“.
Von der Bezahlkarte entbunden wird jeder, der eine feste Arbeitsstelle hat, aber auch dies ist für sehr viele kaum möglich.
Billiglohnarbeit und Ausbeutung
Viele derjenigen, die Arbeit haben, schuften in den härtesten und am schlechtesten bezahlten Jobs: in der Gastronomie, auf dem Bau, bei Transport und Logistik. Auch große Konzerne profitieren mittlerweile von dieser Form der Ausbeutung. Dies allerdings hauptsächlich über Zeitarbeitsfirmen, die ihnen die billigen Arbeitskräfte für Bereiche wie die Reinigung, die Sicherheit, für Service und Kantine etc. vermitteln. „Mehr als 10.000 Geflüchtete arbeiten in Dax-Unternehmen“, konstatierte eine Recherche von Mediendienst Integration.
Der oben erwähnte Leiter einer Flüchtlingsunterkunft sagte dazu: „Zum Arbeiten müssen die Menschen die Zustimmung der Ausländerbehörde einholen, was wochenlang dauern kann. Dann ist der Job oft wieder weg. Und es gibt harte Fälle“, fuhr er fort. „Es passiert fast täglich, dass Arbeitgeber oder Vermieter sie ausnutzen und ausbeuten. Wir sind der Schnittpunkt zu den Behörden. Weihnachten steht vor der Tür, und die Post stellt selbst, nicht nur über Subunternehmer, Leute befristet ein.“
Er berichtete von einem Fall, bei dem ein Geflüchteter, der im Paketdienst bei der Post arbeitet, sich die Hand an einem Paket verletzt hatte. „Er wollte nicht zum Arzt gehen und sich nicht krankschreiben lassen, aus Angst, den Job zu verlieren.“
Unter welchem Druck die Menschen leben, wurde deutlich, als er von mehreren Ukrainern berichtete: Sie mussten der Ausländerbehörde den Beweis erbringen, dass sie erst nach dem 21. Februar 2022 (dem Kriegsbeginn) nach Deutschland gekommen sind. „Bis sie das beweisen können, werden sie uns zwar in der Unterkunft zugewiesen, aber sie bekommen kein Geld, keine Versicherung, nichts. Das heißt, sie stehen vor der Tür und hungern. Eine Zeitlang konnte man sehen, wie sie wöchentlich dünner wurden.“
In Bayern hat Ministerpräsident Markus Söder angekündigt, er werde die Leistungen für diejenigen, die „nicht kooperieren“ (das heißt: nicht freiwillig wieder ausreisen), auf „Bett, Brot, Seife“ kürzen lassen. Auch werde er dafür sorgen, dass Asylbewerber eine gemeinnützige Arbeit verrichten. Im öffentlichen Dienst in Bayern würden gerade 5.000 weitere Stellen geschaffen. Dazu gehörten etwa „Dienste in großen Unterkünften selbst, zudem in Museen, Gärten oder Kantinen“.
Die „gemeinnützige Arbeit“ zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht oder extrem schlecht, jedenfalls nicht nach Tarif bezahlt wird. Insgesamt knüpfen die Behörden in der Flüchtlingspolitik an Traditionen des deutschen Staats an, die an die Nazi-Zeit erinnern. Damals konnte die deutsche Wirtschaft durch extreme Ausbeutung von Juden, Kriegsgefangenen, Fremdarbeitern und anderen entrechteten Schichten ihre Profite maximal steigern.