Perspektive

USA: Rekordausgaben für Krieg und die versteckte nukleare Aufrüstung

Vergangene Woche stimmte das US-Repräsentantenhaus mit überwältigender Mehrheit dafür, eine Summe für die Finanzierung von Kriegen in der ganzen Welt bereitzustellen, die erneut alle Rekorde bricht. Der Gesetzentwurf „National Defense Authorization Act (NDAA)“, der am Mittwoch vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, sieht Verteidigungsausgaben in Höhe von 895 Milliarden Dollar vor und ist damit, nominell gesehen, das größte Militärbudget eines Landes in der Geschichte der Menschheit.

US-Soldaten montieren einen überholten Nuklearsprengkopf an der Spitze einer Interkontinentalrakete vom Typ „Minuteman III“ [AP Photo/Eric Draper]

Der Umfang des jährlich verabschiedeten Gesetzes zur Finanzierung des Militärs, das vom Senat geprüft und Ende des Monats unterzeichnet werden soll, ist im Vergleich zur Summe von 607 Milliarden Dollar im letzten Jahrzehnt um 47 Prozent gestiegen.

Die Masse der amerikanischen Bevölkerung hat absolut keine Ahnung, was in dem Gesetzentwurf steht oder wie er sich im Vergleich zu bisherigen Gesetzen ausnimmt. So ist es auch gedacht. Abgesehen von einer flüchtigen Diskussion zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen Demokraten und Republikanern darüber, welche Rolle Gender-Fragen in der Betreuung von Soldatenkindern spielen sollen, herrscht eine totale Informationssperre zum tatsächlichen Inhalt des Gesetzes.

Das gilt vor allem für seinen zentralen politischen Schwerpunkt: den Ausbau und die Modernisierung des US-Atomwaffenarsenals für das, was die US-Militärplaner das „neue Atomzeitalter“ nennen. In keiner der großen Publikationen in den USA ist auch nur ein einziger Artikel erschienen, der die Pläne zum Ausbau des Atomwaffenarsenals, die in dem Gesetzesentwurf enthalten sind, im Detail untersucht hätte.

Eine völlig andere Realität zeigt sich in den Ausschussberichten des Repräsentantenhauses, die die große Mehrheit der Öffentlichkeit nie zu Gesicht bekommen wird.

In ihrer offiziellen Zusammenfassung des Gesetzentwurfs heben die Demokraten im Streitkräfte-Ausschuss des Repräsentantenhauses die nukleare Aufrüstung hervor. Sie konzentrieren sich dabei auf die „Finanzierung von Bemühungen zur Modernisierung der Atomwaffen“ im Rahmen des Entwurfs sowie den darin enthaltenen Plan, „den landgestützten Teil der nuklearen Triade der USA zu modernisieren“.

Der Gesetzentwurf, so die offizielle Zusammenfassung des Ausschusses, verlange nach „einem Plan des Verteidigungsministeriums zur Abschreckung und Bekämpfung einer gleichzeitigen Aggression durch zwei beinahe ebenbürtige, nuklear bewaffnete Konkurrenten, der auch die Anforderungen hinsichtlich der Größe der Nuklearstreitkräfte darlegt“.

Der Gesetzentwurf enthält Bestimmungen für die Modernisierung jeder einzelnen Komponente des US-Atomwaffenarsenals, von Atom-U-Booten über Interkontinentalraketen bis hin zu Atombombern. Zudem sieht er die Konstruktion und den Einsatz einer völlig neuen Atomwaffenklasse vor, die als „Nuclear Sea-Launched Cruise Missile“ bezeichnet wird (Marschflugkörper, der vom Wasser aus abgefeuert wird und nuklear bestückt ist).

In der Zusammenfassung heißt es, dass in dem Gesetzentwurf 252 Millionen Dollar für die weitere Entwicklung dieser Waffe durch die Marine bewilligt werden. Der Entwurf sieht zudem die Wiederherstellung der nuklearen Fähigkeiten der gesamten strategischen B-52-Bomberflotte vor, verlangt „die Stationierung von nicht weniger als 400 reaktionsfähigen, einsatzbereiten US-Interkontinentalraketen (ICBM)“ und schreibt einen Plan für „die Beschaffung und Stationierung von bis zu 450 ICBMs vom Typ Sentinel“ vor.

Im Oktober, als der NDAA ausgearbeitet wurde, veröffentlichte die New York Times eine umfangreiche Reportage auf der Grundlage von über 100 Interviews über den geheimen Plan, „Amerika wieder zur Atommacht zu machen“ („make America nuclear again“). Dies solle durch die Schaffung eines „modernen Arsenals in einem unbeständigen neuen Atomzeitalter“ erreicht werden.

„Wenn Sie nicht dort leben, wo die U-Boote geschweißt oder die Raketensilos ausgehoben werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie nichts davon mitbekommen, dass dies geschieht“, schrieb die Times. Die US-Regierung habe „abseits von Kongressanhörungen und Strategiepapieren wenig über den Plan oder die enormen Ausgaben verlauten lassen. Es hat keine nennenswerte Debatte stattgefunden. Die milliardenschweren Programme laufen unter dem Radar“.

Was die Times an dieser Stelle über die nukleare Aufrüstung schrieb, die „unter dem Radar“ und „ohne nennenswerte Debatte“ abläuft, gilt noch weitaus mehr für die Berichterstattung über den diesjährigen NDAA. Auch die Times selbst versteckte ihren kurzen Hinweis auf dessen Verabschiedung auf Seite 19.

Die ausführliche Reportage in der New York Times vom Oktober und eine damit verbundene Artikelserie über die entsetzlichen Auswirkungen eines Atomkriegs wurden umgehend begraben. Abgesehen von den Erörterungen in offiziellen Dokumenten wird die nukleare Aufrüstung bei der Diskussion über das Militärausgabengesetz in den großen Zeitungen, in Talkshows oder in den Statements von US-Politikern schlicht verschwiegen.

Die Pläne für das „zweite Atomzeitalter“ werden unabhängig davon verfolgt, wer aktuell die Regierung stellt. Innerhalb des US-Staatsapparats mag es oftmals erbitterte Fraktionskämpfe geben, doch wurde der halb-geheime Plan zur nuklearen Modernisierung, der erstmals 2010 unter Obama konzipiert und 2014 in großem Umfang in Angriff genommen wurde, sowohl unter Trump als auch unter Biden fortgesetzt und seine Umsetzung beschleunigt. Das gleiche wird für die zweite Trump-Regierung gelten.

Zu jenen Elementen der nuklearen Aufrüstung, die vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen gehalten werden, indem sie in der Berichterstattung einfach keine Erwähnung finden, kommen Pläne hinzu, die wirklich geheim sind.

Zu diesen geheimen Plänen gehört auch eine Aktualisierung der „Richtlinien zur Anwendung von Nuklearwaffen“ („Nuclear Employment Guidance“), über die die Times im August berichtete. „Das Weiße Haus hat nie bekannt gegeben, dass Mr. Biden die überarbeitete Strategie, die ‚Nuclear Employment Guidance‘ genannt wird, genehmigt hat, die die Vereinigten Staaten auch auf koordinierte nukleare Herausforderungen durch China, Russland und Nordkorea vorbereiten soll“, hieß es in der Zeitung.

Der Inhalt des geheimen Strategiepapiers wurde jedoch im Juni von Pranay Vaddi, dem leitenden Direktor für Rüstungskontrolle beim Nationalen Sicherheitsrat, angedeutet. In einer Rede bei einem amerikanischen Think Tank verkündete Vaddi eine „neue Ära“ für Atomwaffen, in der die USA Atomwaffen „ohne zahlenmäßige Beschränkungen“ bereitstellen würden.

Vaddi erklärte: „Wir modernisieren jeden Teilbereich unserer nuklearen Triade, aktualisieren unsere nuklearen Kontroll- und Kommunikationssysteme und investieren in unsere nukleare Infrastruktur.“

Der massive Anstieg der Militärausgaben ist nicht auf die USA beschränkt. In allen Ländern der Welt finden sich entsprechende Entwicklungen. Europäische Politiker diskutieren aktiv über Pläne, die Militärausgaben zu verdoppeln und sie von einem Zielwert von 2 Prozent des BIP auf bis zu 4 Prozent zu erhöhen.

Am Donnerstag erklärte NATO-Generalsekretär Mark Rutte: „Es ist an der Zeit, zu einer kriegerischen Denkweise überzugehen und bei unserer Verteidigungsproduktion und unseren Verteidigungsausgaben den Turbo einzulegen.“

Die größte Auswirkung der nuklearen Aufrüstung besteht natürlich in dem, was passiert, wenn diese Waffen eingesetzt werden. Aber auch abseits dieses Katastrophenszenarios hat das viele Billionen Dollar schwere Modernisierungsprogramm als Teil eines beispiellosen Anstiegs der weltweiten Militärausgaben enorme soziale Auswirkungen.

Anfang des Jahres veröffentlichte Bloomberg einen Artikel, in dem erläutert wurde, wie sich die globale Aufrüstung auf die öffentlichen Kassen und Sozialprogramme auswirken wird. „Eine neue Ära der globalen Aufrüstung nimmt Fahrt auf. Für die westlichen Regierungen wird dies enorme Kosten und einige schwierige Entscheidungen bedeuten“, heißt es in dem Artikel.

Eine Bloomberg-Analystin erklärte: „Die ‚Friedensdividende‘ aus der Zeit nach dem Kalten Krieg geht zu Ende“. Dies werde eine „transformative Wirkung“ auf die öffentlichen Ausgaben haben.

Weiter heißt es in dem Artikel: „Wie eine remilitarisierte Welt solche Verpflichtungen mit begrenzten Steuereinnahmen und einem immer größeren Bedarf an Sozial- und Gesundheitsleistungen in Einklang bringen kann, wird in den kommenden Jahren zu einer brennenden politischen Frage werden.“

Was das bedeutet, liegt auf der Hand: Um die massive Aufrüstung ihrer Streitkräfte zu bezahlen, werden Länder auf der ganzen Welt grundlegende Sozialprogramme massiv zusammenstreichen. In den USA betrifft dies insbesondere die Programme Social Security, Medicare und Medicaid.

Die neue Trump-Regierung, die die beispiellose Erhöhung der Militärausgaben aus Trumps erster Amtszeit fortzusetzen wird, hat sich dem Vorhaben verpflichtet, die Sozialausgaben bis ins Mark zu kürzen. Unter der Führung von Elon Musk, dessen Nettovermögen auf über 400 Milliarden Dollar gestiegen ist, setzt die neue „Abteilung für Regierungseffizienz“ (Department of Government Efficiency, DOGE) der Trump-Regierung alles auf die Abschussliste.

„Wenn man sich anschaut, wie dieses Geld über Medicare, Medicaid und Social Security ausgegeben wird“, so Vivek Ramaswamy, der als Co-Leiter der Abteilung vorgesehen ist, „dann gibt es Hunderte von Milliarden Dollar, die an Einsparungen herausgezogen werden können.“

Derweil ist der „progressive“ Flügel der Demokratischen Partei damit beschäftigt, der neuen Regierung Glaubwürdigkeit zu verleihen. „Elon Musk hat Recht“, erklärte Senator Bernie Sanders und behauptete absurderweise, dass das DOGE unter Führung eines Mannes, der eines der größten Partnerunternehmen des US-Militärs leitet, irgendwie dafür sorgen werde, dass die Militärausgaben weniger den Waffenherstellern zugute kommen würden.

„Die Demokraten können mit der DOGE zusammenarbeiten“, erklärte Ro Khanna, der wie Sanders zu den sogenannten „Progressiven“ gehört. Khanna fügte nachdrücklich hinzu: „Ich möchte, dass die USA das beste Militär der Welt haben und über die Mittel verfügen, um den immer raffinierteren Bedrohungen durch unsere Gegner zu begegnen.“ Es versteht sich von selbst, dass sowohl Sanders als auch Khanna glühende Befürworter des Kriegs der USA gegen Russland in der Ukraine sowie aggressiver Handelskriegsmaßnahmen gegen China sind.

Das gesamte politische Establishment der USA – von Donald Trump, der sich erklärtermaßen zum Diktator aufschwingen will, bis hin zu sämtlichen Fraktionen der Demokratischen Partei – unterstützt die massive militärische Aufrüstung der USA. Laut Vertretern der Biden-Regierung komme der nuklearen Aufrüstung dabei eine „grundlegende“ Bedeutung zu. Sie sei „eine der obersten Prioritäten der Nation“.

Die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs zur Finanzierung des massiven US-Militärapparats unter Donald Trump wird eine neue Etappe in der parteiübergreifenden Offensive gegen die Arbeiterklasse markieren. Die Arbeiter sollen dazu gezwungen werden, für die Aufrüstung zu zahlen.

Aus diesem Grund ist der Kampf gegen Krieg untrennbar mit dem Kampf für die Verteidigung der sozialen und wirtschaftlichen Rechte der Arbeiterklasse verbunden. Die Pläne der herrschenden Klassen für Weltkrieg, Diktatur und massive Sozialkürzungen müssen durch den Aufbau einer Massenbewegung in der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms bekämpft werden.

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