In der Weltwirtschaft herrscht eine außergewöhnliche Dichotomie, für die es keine Parallele gibt, abgesehen von den „Roaring Twenties“ vor einem Jahrhundert, als ein Boom in den USA zum Börsencrash von 1929 führte und die Weltwirtschaftskrise einleitete.
Während der Rest der Welt – alle großen Volkswirtschaften – darum kämpft, überhaupt eine positive Wachstumsrate zu erreichen, geschweige denn ein konsistentes Expansionstempo, befinden sich die USA inmitten eines Finanzbooms, da Geld aus dem Rest der Welt in ihren Aktienmarkt und ihr Finanzsystem fließt.
Dieses Phänomen, das seit Beginn der Pandemie deutlich zugenommen hat, wurde durch den finanziellen Hype um die Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) beschleunigt. Dies zeigt sich am Aufstieg des KI-Unternehmens Nvidia von einem Nachzügler unter den Technologieaktien zum zweitgrößten Unternehmen in den USA, gemessen an der Marktkapitalisierung.
Und sie hat sich noch verstärkt, seit Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Er hat den Finanzoligarchen die Kontrolle über Schlüsselbereiche seiner Regierung übertragen, sich für Steuersenkungen für Unternehmen und die weitgehende Abschaffung der letzten Finanzvorschriften eingesetzt.
Es würde mehr Platz in Anspruch nehmen, als uns an dieser Stelle zur Verfügung steht, wollte man im Detail auf alle Anzeichen des sich anbahnenden Abschwungs in der Weltwirtschaft eingehen. Es soll daher genügen, auf einige der herausragenden Ausprägungen dieses Prozesses hinzuweisen.
In Deutschland, der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt und dem einstigen Kraftzentrum Europas, ist eine Entlassungswelle im gesamten verarbeitenden Gewerbe, dem Rückgrat der Wirtschaft, im Gange. Dabei handelt es sich nicht um einen konjunkturellen Abschwung, von dem im Laufe des Konjunkturzyklus eine „Erholung“ zu erwarten wäre, sondern um den Zusammenbruch der Grundlagen der Wirtschaft selbst.
In den Schlagzeilen der Finanzpresse wird die Frage gestellt: „Ist das deutsche Geschäftsmodell kaputt?“ Die Antwort darauf lautet immer häufiger: Ja!
Im November zitierte die Financial Times (FT) den Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Deutschen Bank, Robin Winkler, mit den Worten, der Rückgang der Industrieproduktion sei „der ausgeprägteste Abschwung“ in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Im September dieses Jahres warnte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI): „Aktuell ist das Geschäftsmodell Deutschland in ernster Gefahr, nicht irgendwann, sondern hier und heute“. „Rund ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung ist bedroht“, könnte bis 2030 verschwunden sein und „Deindustrialisierung ist ein reales Risiko“, so der BDI-Präsident weiter.
Die Massenentlassungen in der Stahl- und Automobilindustrie – die drohende Schließung von drei VW-Werken – haben internationale Aufmerksamkeit erregt. Doch die Krise ist damit noch lange nicht am Ende. Die Chemieproduktion, in der Deutschland seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine weltweit führende Rolle spielt, ist inzwischen um 18 Prozent gegenüber dem Niveau von 2018 eingebrochen.
Ein Bericht der Deutschen Bundesbank, der letzte Woche veröffentlicht wurde, senkte ihre Wachstumsprognose für 2025 von einem Prozent auf praktisch Null. Sie warnte, dass ein US-Zollkrieg Deutschland in eine Rezession stürzen könnte.
Unter den derzeitigen Annahmen werde Deutschland im kommenden Jahr nur um 0,1 Prozent wachsen, so die Bundesbank. Sollte Trump jedoch seine Drohungen wahr machen, Zölle in Höhe von 10 Prozent auf europäische Waren und in Höhe von 60 Prozent auf chinesische Exporte in die USA zu erheben, könnte das deutsche BIP um 0,6 Prozentpunkte sinken.
Bezeichnenderweise hatte Bundesbankpräsident Joachim Nagel noch im September betont: „Das deutsche Wirtschaftsmodell ist kein Auslaufmodell“. Doch in seinem Kommentar zum jüngsten Gutachten stellt er fest: „Die deutsche Wirtschaft kämpft nicht nur mit hartnäckigem konjunkturellen Gegenwind, sondern auch mit strukturellen Problemen“.
Die jüngsten Daten aus China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, die seit der globalen Finanzkrise von 2008/09 der wichtigste Wachstumsmotor der Weltwirtschaft ist, zeigen: Das Land kämpft darum, sein offizielles Wachstumsziel von „rund 5 Prozent“ in diesem Jahr zu erreichen – das niedrigste Wachstum seit mehr als drei Jahrzehnten – und das Wachstum könnte im nächsten Jahr sogar noch niedriger ausfallen.
In Peking schrillen die Alarmglocken und werden immer lauter. Die Anfang der Woche veröffentlichten Zahlen zeigen, dass die Konsumausgaben bis November im Jahresvergleich nur um 3 Prozent gestiegen sind, was unter den Prognosen von 4,6 Prozent und dem Anstieg von 4,8 Prozent im Vormonat liegt.
Die Führung der Kommunistischen Partei Chinas hat letzte Woche auf ihrer jährlichen zentralen Wirtschaftskonferenz „starke“ Anstrengungen zur Ankurbelung des Konsums gefordert. In ihrem Bericht wurde dieses Thema als oberste Priorität eingestuft, weit vor der Forderung nach der Entwicklung „neuer Produktivkräfte“, die bisher der zentrale Pfeiler des Wirtschaftsprogramms von Präsident Xi Jinping war.
Anfang des Monats hat die Regierung eine Änderung des geldpolitischen Kurses von „zurückhaltend“ zu „moderat locker“ gefordert. Dies ist das erste Mal seit der Krise im Jahr 2008, dass eine solche Formulierung zur Ankurbelung der Wirtschaft verwendet wird.
Japan ist seit Jahrzehnten kein Zentrum des globalen Wachstums mehr. Das Land kämpft mit einem anhaltenden deflationären Druck und Wachstumsraten, die im besten Fall zwischen 1 und 2 Prozent liegen. Der Niedergang wurde Anfang dieses Jahres deutlich, als Japan seine Position als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt an Deutschland verlor und auf Platz vier zurückfiel.
Man könnte auch den Fall Großbritanniens oder mittelgroßer Volkswirtschaften wie Australien anführen, wo die Wirtschaft ohne Staatsausgaben schrumpfen würde und das Pro-Kopf-BIP sieben Quartale in Folge gesunken ist.
Im Gegensatz dazu scheint die amerikanische Volkswirtschaft zu boomen, da das Geld in die Finanzmärkte fließt. Während die vorherrschende Meinung ist, dass die US-Wirtschaft weiterhin auf dem Vormarsch sein wird, werden Warnungen laut.
Ruchir Sharma, Vorsitzender von Rockefeller International und regelmäßiger Kommentator der Financial Times, beschrieb in einem kürzlich erschienenen Artikel mit dem Titel „Die Mutter aller Blasen“ den außergewöhnlichen Geldfluss an die Wall Street und wies auf den Aufstieg des „amerikanischen Exzeptionalismus“ in Finanzkreisen hin.
Globale Investoren, so der Autor, „investieren mehr Kapital in ein einzelnes Land als jemals zuvor in der modernen Geschichte“, mit dem Ergebnis, dass die USA „fast 70 Prozent des wichtigsten globalen Aktienindexes ausmachen, im Vergleich zu 30 Prozent in den 1980er Jahren“. Die Tatsache, dass der Anteil der USA an der Weltwirtschaft 27 Prozent beträgt, unterstreicht die Entkopplung des Finanzsektors von der zugrunde liegenden Realwirtschaft.
Die Anziehungskraft der USA auf die globalen Schulden- und Privatmärkte ist größer denn je. Bis heute, im Jahr 2024, „haben Ausländer Kapital in US-Schuldtitel mit einer annualisierten Rate von 1 Billion US-Dollar investiert, fast doppelt so viel wie in die Eurozone“, wobei die USA 70 Prozent der Ströme in den 13 Billionen US-Dollar schweren Markt für private Investitionen auf sich ziehen.
Sharma sagte, dass das Gerede von Technologie- oder KI-Blasen das Gesamtbild verzerre. „Amerika dominiert das Denken globaler Investoren völlig, ist over-owned [d.h. jeder, der eine Aktie halten will, hat sie bereits gekauft], überbewertet und überhypet in einem nie dagewesenen Ausmaß“.
In einer späteren Kolumne bemerkte er, dass er als Reaktion auf seine erste Einschätzung einigen Gegenwind erhalten hatte, da praktisch alle Analysten an der Wall Street darauf bestanden, dass die US-Aktienpreise weiter steigen würden. Doch offenbar auf historische Erfahrungen gestützt bemerkte er, dass „all dieser Enthusiasmus nur dazu beiträgt, zu bestätigen, dass sich die Blase in einem sehr fortgeschrittenen Stadium befindet“.
Der Fehler der US-Wirtschaft sei ihre „stark wachsende Abhängigkeit von Schulden“ und die Tatsache, dass es nun fast zwei Dollar zusätzlicher Schulden bedürfe, um einen Dollar an zusätzlichem BIP zu generieren – ein Anstieg von 50 Prozent in den letzten fünf Jahren.
„Wenn ein anderes Land so wirtschaften würde, würden die Investoren die Flucht ergreifen, aber im Moment sind sie der Meinung, dass sich Amerika als größte Volkswirtschaft der Welt und als Emittent der Reservewährung alles leisten kann“.
Ein weiterer Faktor, der die amerikanische Blase befeuert, ist der Glaube, zumindest in Teilen der Finanzmärkte, dass der von Trump initiierte Zollkrieg, insbesondere gegen China, positive Auswirkungen haben wird.
Stephen Roach, langjähriger China-Analyst und ehemaliger Leiter von Morgan Stanley Asia, skizzierte einige der zugrunde liegenden Realitäten der amerikanisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Er begann mit dem Hinweis auf Pekings Reaktion auf die jüngsten US-Maßnahmen, die ein Exportverbot für essenzielle Mineralien beinhalteten. Dies sei eine „Erinnerung daran, dass Vergeltung der oktanreiche Treibstoff der Konflikteskalation ist“.
Er sagte, in politischen Kreisen der USA herrsche der Irrglaube, die Beziehungen zu China seien eine Einbahnstraße und die andere Seite könne vernachlässigt werden.
„Die USA sind ebenfalls stark auf billige chinesische Waren angewiesen, um einkommensschwache Verbraucher zu versorgen; die USA benötigen chinesische Ersparnisüberschüsse, um ihr Defizit an inländischer Ersparnis auszugleichen; und US-Produzenten sind auf China als Amerikas drittgrößten Exportmarkt angewiesen. Diese gegenseitige Abhängigkeit bedeutet, dass die USA von China genauso abhängig sind wie China von Amerika“.
Er verwies auf Chinas ultimative Finanzwaffe – seine Bestände an US-Staatsanleihen, die sich auf mehr als eine Billion Dollar Staatsschulden belaufen, davon 772 Milliarden Dollar in der Volksrepublik und 233 Milliarden Dollar in Hongkong.
Sollte China beginnen, seine Bestände abzuziehen oder auch nur nicht an den Auktionen von Staatsanleihen teilzunehmen, „wäre dies verheerend für die defizitäre US-Wirtschaft und würde Chaos auf dem US-Anleihemarkt auslösen, mit verheerenden Kollateralschäden auf den globalen Finanzmärkten“.
Die vorherrschende Meinung unter den „gelassenen Amerikanern“ ist, dass China „es nicht wagen würde, mit dieser nuklearen Option zu spielen“, weil der Schaden zu groß wäre. Aber auch wenn ein solches Szenario unwahrscheinlich erscheinen mag, weil es einen finanziellen Kollaps auslösen würde, wäre es „leichtsinnig, die ‚Tail-Risk‘-Folgen eines in die Enge getriebenen Gegners zu ignorieren“.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist die einzige Parallele zur heutigen Situation die der „Roaring Twenties“. Es besteht die Vorstellung, dass der Crash an der Wall Street, der die Weltwirtschaftskrise auslöste, einfach aus heiterem Himmel gekommen sei.
Tatsächlich gab es vor den Ereignissen im Oktober 1929 immer mehr Anzeichen für das, was kommen sollte. In den Jahren 1927-1928 gab es deutliche Anzeichen für einen sich anbahnenden wirtschaftlichen Abschwung, vor allem in Deutschland, der eine Reihe von politischen Krisen zur Folge hatte.
Die daraus resultierende finanzielle Katastrophe – Depression, Massenarbeitslosigkeit, Faschismus, Diktatur und schließlich Weltkrieg – zeigte die objektive Notwendigkeit einer sozialistischen Weltrevolution als einzige Antwort auf die Barbarei, die durch die Krise des Kapitalismus entfesselt wurde.
Die Arbeiterklasse war aufgrund des Verrats ihrer Führer, der stalinistischen kommunistischen Parteien und der Parteien der Sozialdemokratie, nicht in der Lage, diese historisch notwendige Aufgabe zu erfüllen.
Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie neigt dazu, sich zu reimen, wie Mark Twain bemerkte. Und alles deutet darauf hin, dass die Krise des Kapitalismus, sein Todeskampf, noch weiter fortgeschritten ist als damals.
Da sich der globale Kapitalismus in einer tiefen Krise befindet, muss jetzt entschieden gehandelt werden. Wir müssen das Internationale Komitee der Vierten Internationale als Weltpartei der sozialistischen Revolution aufbauen, um die unvermeidlichen Massenkämpfe zu führen, die überall auf der Welt ausbrechen werden – kein „amerikanischer Exzeptionalismus“ wird das verhindern.