Bei der Trauerfeier für den ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter am Donnerstag kam es zu einem aufschlussreichen Vorfall. Eine Videoaufnahme zeigt, wie der ehemalige Präsident Barack Obama und der künftige Präsident Donald Trump während der Veranstaltung mehrere Minuten lang öffentlich miteinander lachten und scherzten.
Als Trump am Freitag in einem Interview über den Vorfall befragt wurde, erklärte er: „Ich habe nicht gemerkt, wie freundschaftlich das aussah... Ich habe gesagt: ,Junge, sie sehen aus wie zwei, die sich mögen. Und wahrscheinlich tun wir das auch... wir verstehen uns einfach.“
Trump und Obama lachten bei einer öffentlichen Trauerfeier für einen Mann, der das höchste Amt des Landes bekleidet hatte. Und während sie lachten, stand die zweitgrößte Stadt Amerikas in Flammen. Hunderttausende Menschen wurden evakuiert, während tausende Gebäude bis auf die Grundmauern niederbrannten.
Die beiden erzählten sich Witze als zwei Angehörige der amerikanischen Finanzoligarchie. Obama besitzt ein Nettovermögen von einer Viertelmilliarde Dollar, unterhält drei Anwesen – in Washington D.C., Chicago und auf der Insel Martha’s Vineyard – und macht regelmäßig Urlaub mit Amerikas führenden Oligarchen. Trump, die Verkörperung der Finanzaristokratie, besitzt ein Nettovermögen von über sechs Milliarden Dollar. Für Männer wie sie bedeutet die Zerstörung eines ihrer Häuser durch einen Brand lediglich eine lukrative Auszahlung ihrer Versicherung. Sie können einfach nicht verstehen, warum man von ihnen erwartet, dass sie in einem solchen Moment so tun sollten, als wären sie traurig.
Doch abgesehen von der Unangemessenheit, Geschmacklosigkeit und Abgehobenheit von der gesellschaftlichen Realität, die bei diesem Austausch zum Ausdruck kamen, hat er auch eine tiefere objektive Bedeutung. Genau wie die Einladung von US-Präsident Joe Biden an Trump am 13. November, bei dem sich beide die Hände schüttelten und eine „friedliche Machtübergabe“ versprachen, verdeutlicht auch Obamas freundschaftlicher Austausch mit Trump, dass dominante Teile des Staats bereit sind, einen Mann als Präsidenten zu akzeptieren, den sie nur wenige Monate zuvor zu Recht als Faschisten und Diktator in spe bezeichnet hatten.
Trumps ehemaliger Generalstabschef Mark Milley bezeichnete Trump in einem Interview mit dem Journalisten Bob Woodward als „totalen Faschisten“ und als „gefährlichste Person in diesem Land... Ein Faschist durch und durch.“
Trumps ehemaliger Stabschef John Kelly erinnerte in einem Interview mit der Zeitschrift The Atlantic daran, dass Trump von den US-Generälen forderte, ihm gegenüber loyal zu sein, so wie die Generäle es Hitler gegenüber waren, d.h. indem sie einen persönlichen Loyalitätseid leisten. Kelly erzählte weiter, er habe gefragt: „Sie meinen doch bestimmt nicht Hitlers Generäle?“ Darauf habe er geantwortet: „Doch, ja, Hitlers Generäle.“
Obama berief sich vor zwei Monaten auf einer Kundgebung auf diese Aussagen:
In Donald Trumps Vorstellung existiert das Militär nicht, um der Verfassung oder dem amerikanischen Volk zu dienen. Er betrachtet es nicht als ernste, heilige Verantwortung, der Oberbefehlshaber zu sein. Er denkt, das Militär würde, genau wie alles andere, nur existieren, um seinen Anordnungen Folge zu leisten und seinen Interessen zu dienen... Wir brauchen keine vier Jahre mit einem Möchtegern-König, einem Möchtegern-Diktator.
Obama sagte das nicht nur als ehemaliger Präsident, sondern artikulierte vielmehr die offizielle Position des Weißen Hauses. Präsident Joe Biden hatte im Verlauf des letzten Jahres mehrfach erklärt, Trump werde „ab dem ersten Tag als Diktator“ handeln.
Im Oktober wurde die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, gefragt: „Kennt der Präsident die Aussage von John Kelly, dass Donald Trump die Definition eines Faschisten erfüllt und dass Trump Generäle will, wie Hitler sie hatte?“
Darauf antwortete Jean-Pierre: „Sie haben gehört, dass der ehemalige Präsident selbst sagte, er wird ab dem ersten Tag ein Diktator sein. Das ist er, nicht wir. Das ist er.“ Sie fuhr fort: „Sind wir uns einig... Sind wir uns einig über diese Einschätzung? Ja, das sind wir. Das sind wir.“
Niemand sollte aus der herzlichen Reaktion von US-Präsident Joe Biden und nun Barack Obama auf Trump schließen, dass sie ihre Warnungen nicht ernst gemeint haben. Vielmehr sind sie, und der Großteil der Finanzoligarchie, die sie repräsentieren, zu dem Schluss gekommen, dass eine Regierung in der Form, wie Trump sie aufbauen will, akzeptabel ist.
Obamas erste Aufgabe nach seiner Amtsübernahme war die Umsetzung und Ausweitung der Rettungsmaßnahmen für große Banken und Institutionen nach dem Börsencrash von 2008, wodurch die amerikanische Finanzoligarchie, Trump eingeschlossen, noch reicher wurde. Obama hat die Befugnisse des Präsidenten erheblich ausgeweitet, u.a. durch die außergerichtliche Ermordung eines US-Staatsbürgers im Jahr 2011.
Er leitete den massiven Ausbau des US-Atomarsenals ein, der unter Trump und dann Biden fortgesetzt wurde. Trump stieg außerdem aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen aus, und Biden stockte die Finanzierung des US-Militärs ebenfalls massiv auf.
Im Jahr 2016, kurz bevor Obama aus dem Amt schied, erklärte er über die künftige Trump-Regierung: „Tatsächlich sind wir alle in einem Team. Das ist ein internes Kräftemessen innerhalb des Teams.“
Damit meinte er, dass Amerikas Milliardäre und das politische Establishment im gleichen Team sind und sich der riesigen und ausgebeuteten Arbeiterklasse entgegenstellen. Diese Oligarchie hat beschlossen, ihre Angelegenheiten in die Hände eines Mannes zu legen, der versprochen hat, als „Diktator“ zu regieren.
Der Vorfall in der letzten Woche sollte uns daran erinnern, dass keine Fraktion des amerikanischen politischen Establishments Widerstand gegen Faschismus und Diktatur leisten wird. Der Widerstand gegen Trumps Angriffe auf demokratische Rechte wird von der Arbeiterklasse kommen.