„Liebe Fahrgäste, im Dezember 2024 hat unser Aufsichtsrat beschlossen, das Verkehrsangebot um ca. 10 Prozent zu reduzieren.“ Mit dieser Meldung eröffneten die Dresdner Verkehrsbetriebe, kurz DVB, das neue Jahr.
Rund 20 Millionen Euro fehlen bei den DVB-Finanzen. Und das, obwohl die DVB mit 183 Millionen Fahrgästen im Jahr 2024 einen neuen Rekord erzielten. „Ab dem 1. April 2025 drohen daher Kürzungen im Angebot,“ heißt es weiter in der Mitteilung. Dazu zählen die Entlassung hunderter Angestellter, die Streichung ganzer Verbindungen und die Verkürzung vieler weiterer Linien.
„Radikal gekürzt“, so die DVB, wird bei den Buslinien. Auch einige Straßenbahn-Linien sollen in längeren Takten fahren. Hauptleittragende sind vor allem die Gebiete am Stadtrand.
Besonders deutlich sichtbar ist die vollständige Stilllegung der letzten Fähren über die Elbe im Dresdner Stadtgebiet. Auch die historischen Bergbahnen an den Dresdner Elbhängen sollen nur noch in den Sommermonaten fahren. Die DVB rechnet als Folge der Sparmaßnahmen mit einem Rückgang der Fahrgastzahl um 4,4 Millionen pro Jahr.
Da gerade auch am Stadtrand gekürzt wird, werden mehr Pendler auf das Auto zurückgreifen. Zehn Millionen Auto-Kilometer könnten somit zusätzlich anfallen, mit entsprechenden Umweltfolgen und Kosten für die Pendler.
Für den Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert steht „die nackte Existenz der Verkehrsbetriebe auf dem Plan“. „So schwer uns manche Einsparungen fallen – sie sind zwingend notwendig, sonst haben wir kein Verkehrsunternehmen mehr,“ fügte er hinzu. Der ansonsten benötigte Zuschuss von 800.000 Euro monatlich sei nicht finanzierbar.
Der Doppelhaushalt der Stadt sieht für 2025 und 2026 jeweils Kürzungen in Höhe von 70 Millionen Euro vor. Auch die DVB selbst drängen auf eine Entscheidung: „Wenn das jetzt ewig ausgesessen oder vertagt wird, fahren wir das Angebot wie bisher, aber das Geld ist dafür nicht da.“
Oberbürgermeister Hilbert drohte auch mit einer Insolvenz der DVB, da die Technischen Werke Dresden, das kommunale Dachunternehmen, zu dem die DVB gehört, keine weiteren Zuschüsse stemmen könnten.
Insgesamt verkürzt sich der Fahrplan um 2,2 Millionen Kilometer, also zehn Prozent der DVB-Gesamtleistung. „Wir werfen bei voller Fahrt den Anker aus und vollziehen eine Kehrtwende“, sagt DVB-Personalvorstand Lars Seiffert. Denn auch Ausbaupläne des ÖPNV fallen den Sparplänen zum Opfer. „Nur so können wir das Gesamtsystem erhalten“, sagt Finanzvorstand Andreas Hemmersbach.
Hintergrund ist die fehlende Finanzierungsbeteiligung seitens des Bundes- und des Landeshaushalts. Seit der Einführung des Deutschlandtickets war die Frage der Finanzierung der große Streitpunkt zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Insbesondere wegen des Bruchs der Ampelregierung liegt die Beteiligung des Bundes auf Eis. Die Finanzierung durch die neue sächsische Minderheitsregierung aus CDU und SPD mit ihrem Milliardenloch im Haushalt ist ebenso ungewiss.
Seit Einführung des sogenannten 9-Euro-Tickets im Sommer 2022, das dann zum Deutschlandticket wurde, steht die Finanzierung auf tönernen Füßen. Experten sind sich einig, dass das Ticket ein großer Erfolg war, um den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) attraktiver zu machen. Für 49 (inzwischen 58) Euro im Monat erlaubt es die Benutzung des Orts- und Regionalverkehrs in ganz Deutschland. Angesichts der über 60 Verkehrsverbünde in Deutschland, von denen jeder Dutzende Tarifzonen und eine eigene Preispolitik hat, führte es auch zu einer enormen Vereinfachung.
Aufgrund der Herausforderungen der Klimakatastrophe wäre es dringend notwendig, viel mehr Menschen täglich mit dem ÖPNV statt mit dem privaten PKW zu transportieren. Doch wie bei allen wissenschaftlich notwendigen Projekten, scheitert auch dieses an einer Politik, die sich kapitalistischen Profitinteressen unterordnet.
Denn für die Verkehrsbetriebe fielen mit der Einführung des Tickets insbesondere die Einnahmen aus ihren bisherigen Dauerticketverkäufen weg. Zugleich stiegen infolge des Wirtschaftskriegs gegen Russland die Inflation und insbesondere die Energiekosten. Bund und Länder bezuschussten diese zwar allein im Jahr 2024 zu gleichen Teilen mit 3 Milliarden Euro. Doch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen erklärte bereits damals, der tatsächliche Bedarf liege über 4 Milliarden.
So sank der Kostendeckungsgrad nicht nur bei den DVB, sondern deutschlandweit von 80 auf 50 Prozent. Daher klagten 2024 auch größere Verkehrsverbände, wie der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund, über ein Defizit von etwa 300 Millionen oder stellten ebenfalls millionenschwere Sparpläne vor, wie die Kölner Verkehrs-Betriebe.
Die Erhöhung des Ticketpreis auf 58 Euro ist da nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Der Beschluss des Bundestags zur Fortführung des Deutschlandtickets im Dezember 2024 setzte die Mangelfinanzierung fort. Das Deutschlandticket, das 2022 als „Entlastungspaket“ angesichts der explodierenden Preise vorgestellt wurde, wird nun zum Entlassungspaket.
Während sich die Regierungsparteien weigern, die Finanzierung von so essentiellen Bereichen wie des ÖPNV sicherzustellen, haben sie die Militärausgaben im selben Zeitraum von 57,8 auf 85,5 Milliarden Euro gesteigert.
Wenn DVB-Finanzvorstand Hemmersbach nun erklärt, „wir rennen dem fehlenden Geld vom Deutschlandticket hinterher“, ist das höchstens die halbe Wahrheit. Tatsächlich ist das DVB-Management eines von vielen willigen Zahnrädchen, die die Kürzungen umsetzen, mit denen Milliarden aus der Bevölkerung gepresst werden, um Deutschland „kriegstüchtig“ zu machen.
Als entsprechende Sparpläne der DVB 2023 an die Sächsische Zeitung durchsickerten, hatte die DVB-Spitze sie noch dementiert. Als Kriegskanzler Scholz im Februar 2024 den Betriebshof in Dresden Trachenberge besuchte, feierte sie das als „ein ganz besonderes Ereignis für unser Unternehmen“, um mit Scholz „wichtige Gedanken über gesellschaftlichen Zusammenhalt und Gesprächskultur auszutauschen“.
Selbstredend wurden die Sparpläne auch von den Co-Managern von Verdi und Betriebsrat unter den Teppich gekehrt.
Für alle Arbeiter und Fahrgäste der DVB muss daher klar sein, dass sie weder im DVB-Management noch in Verdi, noch in den Regierungsparteien einen Verbündeten im Kampf gegen die Kürzungen haben.