Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die ukrainische Regierung angewiesen, die Opfer des Brandanschlags faschistischer Schläger auf das Gewerkschaftshaus in Odessa zu entschädigen. Bei dem Massaker am 1. Mai 2014 kamen 42 Menschen ums Leben, 170 weitere wurden verletzt.
Es handelte sich um die größte einzelne Gewalttat der extremen Rechten nach dem Staatsstreich vom Februar 2014 in Kiew, den die Nato unterstützte, und bei dem Elemente wie der faschistische Rechte Sektor und die Swoboda-Partei eine Schlüsselrolle spielten. Der Staatsstreich setzte eine pro-westliche Regierung ein und löste im Osten des Landes einen Bürgerkrieg zwischen Regierungstruppen und Russland-freundlichen Separatisten aus.
Die Klage wurde von drei Überlebenden des Massakers und den Angehörigen von 25 Opfern des Brandes beim EGMR in Straßburg eingereicht.
In seinem Urteil tat das Gericht sein Bestes, um seiner Rolle als Werkzeug des europäischen „Menschenrechts“-Imperialismus gerecht zu werden. Es hielt an der Darstellung fest, der zufolge das Verbrennen bei lebendigem Leibe von 42 Maidan-Gegnern durch rechte Schläger (die es als „Befürworter der Einheit“ bezeichnete) irgendwie das Ergebnis „russischer Propaganda“ gewesen sei.
Darin heißt es:
Das Gericht ist der Ansicht, dass solche Desinformation und Propaganda die tragischen Ereignisse in den vorliegenden Fällen durchaus beeinflusst haben könnten. (...) Die pro-russische Bewegung „Kulykowo Pole“ in Odessa stützte sich in hohem Maße auf aggressive und emotionale Desinformationen und Propagandabotschaften, die von russischen Behörden und Massenmedien über die neue ukrainische Regierung und die Anhänger des Maidan verbreitet wurden.
An mehreren anderen Stellen versuchte das Gericht, die Wahrheit auf den Kopf zu stellen, indem es behauptete, das Massaker sei auf die Zusammenarbeit der Polizei und von anderen Behörden mit den Maidan-Gegnern zurückzuführen, was die rechtsextremen Schläger veranlasst habe, zum eigenen Schutz zu Gewalt zu greifen. Diese Version erklärt jedoch nicht, warum die Polizei und die Feuerwehr von Odessa beide tatenlos zusahen, als 42 Menschen verbrannten.
Trotz aller Bemühungen des Gerichts, die Ereignisse als Ergebnis „russischer Propaganda und Desinformation“ darzustellen, bestätigt seine Entscheidung zugunsten der Kläger im Wesentlichen, was die WSWS vor über zehn Jahren über das Massaker von Odessa schrieb. Das Feuer, das rechtsextreme Schläger angezündet hatten, war ein Akt des politischen Terrors und des Massenmordes. Zuvor hatten die Faschisten pro-russische Gegendemonstranten über die Straßen gejagt und im Gewerkschaftsgebäude in die Enge getrieben. Sie hatten daraufhin das Gebäude umzingelt, verbarrikadiert und in Brand gesteckt. Dies geschah mit vollem Wissen und unter Komplizenschaft der neu gebildeten ukrainischen Regierung, die die Unterstützung der USA und Deutschlands genoss.
Das Gericht stellte fest, dass Regierungsbeamte sich der planmäßigen Gewalt der rechtsextremen Schläger durchaus bewusst waren. Sie taten nicht nur nichts, sondern hielten auch vorsätzlich Feuerwehr und Rettungsdienste vom ursprünglichen Protestort, dem Gelände namens Kulykowo Pole, fern. Und später wurde das Massaker von offizieller Stelle vertuscht.
In den Ausführungen zum Gerichtsurteil heißt es:
Trotz zahlreicher Hilferufe bei der Feuerwehr, die weniger als 1 km entfernt war, wies der Bezirksleiter der Feuerwehr seine Männer an, ohne seinen ausdrücklichen Befehl keine Feuerwehrfahrzeuge nach Kulykowo Pole zu schicken.
Um 19:45 Uhr brach im Gewerkschaftsgebäude ein Feuer aus. Die Feuerlöscher im Gebäude funktionierten nicht. Die Polizei rief die Feuerwehr, jedoch ohne Erfolg. Mehrere Personen im Gebäude, darunter Herr Dmitriyev (Antrag Nr. 59339/17), versuchten, durch einen Sprung aus den oberen Fenstern zu entkommen. Er überlebte den Sturz und wurde zu einem Krankenwagen gebracht. Mehrere Menschen stürzten in den Tod, darunter der Sohn von Frau Radzykhovska (Antrag Nr. 59339/17) und der Sohn von Frau Nikitenko (Antrag Nr. 47092/18). Videoaufnahmen zeigen, wie Pro-Einheits-Demonstranten auf einer Bühne auf dem Platz behelfsmäßige Leitern und Plattformen herstellten und sie nutzten, um Menschen, die im Gebäude eingeschlossen waren, zu retten. Andere Videoaufnahmen zeigen, wie Pro-Einheits-Demonstranten Menschen, die gesprungen oder gestürzt waren, angriffen.
In Bezug auf die darauf folgende „Untersuchung“ stellte das Gericht fest:
Hinsichtlich der Angemessenheit der Untersuchung stellte das Gericht fest, dass die Ermittlungsbehörden nicht genug unternommen hatten, um alle Beweise ordnungsgemäß zu sichern, zu sammeln und auszuwerten. So hatten die lokalen Behörden beispielsweise, anstatt die betroffenen Innenstadtbereiche durch eine Polizeisperre abzusichern, nach den Ereignissen zunächst Reinigungs- und Wartungsdienste dorthin geschickt. Die früheste Inspektion vor Ort fand erst mit fast zwei Wochen Verspätung statt und erbrachte keine aussagekräftigen Ergebnisse. Ebenso blieb das Gewerkschaftsgebäude nach den Ereignissen 17 Tage lang für die Öffentlichkeit frei zugänglich.
Auch bei der Sicherung und Verarbeitung forensischer Beweise wurden schwerwiegende Versäumnisse festgestellt. Einige wesentliche Beweise wurden niemals untersucht, und einige Untersuchungsberichte wurden erst vor kurzem erstellt oder waren acht Jahre nach den Ereignissen noch ausstehend.
In ihrer abschließenden Erklärung kam der EGMR zu dem Schluss, dass die zuständigen Behörden es versäumt hatten, gleich am 2. Mai 2014 eine wirksame Untersuchung der Ereignisse in Odessa einzuleiten und durchzuführen. Daher liege ein Verstoß gegen den Verfahrensaspekt von Artikel 2 der Konvention vor. Das Gericht ordnete an, dass die ukrainische Regierung den Klägern unterschiedliche Beträge auszahlen müsse.
Die Geschehnisse um den Brand im Gewerkschaftshaus von Odessa hatten weitreichende Folgen für die politische Entwicklung in der Ukraine. In den nächsten sieben Jahren ging das antirussische, kriegsbefürwortende Regime in Kiew mit Zensur, Verboten, Gewalt und sogar regelrechten Morden gegen die politische Opposition vor, wobei die Täter nicht strafrechtlich verfolgt wurden.
Die Tatsache, dass der Trotzkist Bogdan Syrotiuk, der seit fast einem Jahr inhaftiert ist, unter diesen Bedingungen nach wie vor an seiner Opposition festhält, zeugt von enormem politischem Mut. Dabei richtet sich Bogdans Widerstand nicht allein gegen das Kiewer Regime, sondern auch gegen den Kreml und gegen den anhaltenden, von der Nato unterstützten Stellvertreterkrieg.
Auf der anderen Seite der Barrikade sind mehrere Organisatoren des Massakers zu bekannten Figuren der ukrainischen Politik aufgestiegen. Serhii Sternenko, der ehemalige Leiter des Rechten Sektors in Odessa, war bei dem Massaker anwesend. Heute ist er ein besonders angesagter ukrainischer YouTuber. Berichten zufolge hat Selenskyj ihm einmal die Leitung des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU) in Odessa angeboten. Dies geschah im Versuch Selenskyjs, sein Bündnis mit Neonazi-Kräften zu stärken, nachdem er 2019 mit dem Versprechen, den Bürgerkrieg im Donbass zu beenden, an die Macht gekommen war.
Vor kurzem ist am 15. März, nach der EGMR-Entscheidung, Demjan Ganul, ein weiterer Anführer des Rechten Sektors und Organisator des Gewerkschaftshaus-Massakers, im Zentrum von Odessa auf offener Straße ermordet worden.
Zunächst wurde spekuliert, dass dies eine Vergeltung für Ganuls Beteiligung am Massaker von Odessa gewesen sein könnte. Aber dies scheint nicht der Fall zu sein. Vielmehr entspringt der Mord offenbar dem Hass auf Ganuls offen kriminelle Bemühungen, vom Krieg zu profitieren. Wie der ehemalige Anführer des Rechten Sektors in Odessa, Sternenko, hat auch Ganul eine Spendenaktion organisiert, aus der er angeblich Autos für die Streitkräfte kaufen wollte, aber das Geld dann selbst einsteckte. Er wurde im Anschluss auch schon von unbekannten Angreifern verprügelt. Der mutmaßliche Täter, der wegen des Mordes an Ganul festgenommen wurde, Sergei Shalaev, ist ein Oberleutnant der Streitkräfte der Ukraine.