Krieg in Libyen

Die Vereinigten Staaten reagierten auf den Ausbruch revolutionärer Aufstände in Ägypten und Tunesien im Jahr 2011 mit einer Verschärfung ihres Eingreifens in der Region. Sie schürten Bürgerkriege – zuerst in Libyen, dann in Syrien.

In beiden Fällen wurden die Intervention der CIA und die Bewaffnung islamistischer Kräfte – darunter auch Gruppen, die mit Al-Qaida verbunden sind – von einer Kampagne pseudolinker Gruppen begleitet, die darauf abzielte, diese imperialistischen Interventionen fälschlicherweise als eine Fortsetzung der Bewegungen des „Arabischen Frühlings“ in Tunesien und Ägypten darzustellen.

Das Gaddafi-Regime in Libyen hatte seit dem Einmarsch in den Irak im Jahr 2003 mit den Vereinigten Staaten zusammengearbeitet und den USA unter anderem erlaubt, das Land als Ziel für sogenannte „Überstellungsflüge“ (illegale Entführungen) und Folter zu nutzen. Dennoch sahen Washington und seine europäischen Verbündeten, dass die Proteste im Land als Deckmantel für die Einsetzung einer Regierung dienen könnten, die direkter unter ihrer Kontrolle steht. Ein solches Vorgehen würde die Aneignung der libyschen Ölressourcen durch die USA und ihre Verbündeten in Europa auf Kosten ihrer Rivalen, insbesondere Chinas, erleichtern.

In den Wochen vor dem Krieg fasste die WSWS die grundlegenden Ziele des US-amerikanischen und europäischen Imperialismus in Libyen zusammen, lehnte jede US-Intervention ab und erklärte, dass der Sturz Gaddafis Aufgabe der Arbeiterklasse sei und nicht dem Imperialismus überlassen werden könne. In einer am 1. März veröffentlichten Perspektive unter dem Titel „Imperialisten: Hände weg von Libyen!“ schrieb die WSWS:

Wie in jeder amerikanischen Operation in dieser Weltgegend geht es um zweierlei: um den Griff nach den Bodenschätzen eines wichtigen, Öl produzierenden Landes und um breitere strategische Interessen des amerikanischen Imperialismus im Nahen Osten und in Nordafrika. Imperialistische Truppen vor Ort in Libyen könnten den künftigen Gang der Ereignisse in Ägypten, Tunesien, Algerien und Marokko beeinflussen, d.h. in allen Ländern, in denen Unruhen im Gange sind. Sie könnten auch Einfluss auf die Region jenseits der Sahara, den Sudan, Niger und Nigeria nehmen.

Die Opposition gegen den US-NATO-Krieg bedeutete keine politische Unterstützung für Gaddafi. Die WSWS machte deutlich, dass nur die Arbeiterklasse – im Bündnis mit den Massen in ganz Nordafrika – Gaddafi stürzen und durch eine demokratische Regierung der Bevölkerung ersetzen konnte.

Als die NATO-Bombardierung Libyens begonnen hatte – auf den Tag genau acht Jahre nach der verbrecherischen Invasion des Irak durch die Bush-Regierung – analysierte die WSWS die Rechtfertigungen Obamas, die zur Basis für eine umfassende Erweiterung der Gründe für imperialistische Intervention der USA auf der ganzen Welt wurden.

Der Krieg in Libyen war Teil eines neuen Wettlaufs um Afrika. Alle imperialistischen Mächte Europas – Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien – sowie Australien und Kanada unterstützten den Krieg als Mittel zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen in der Region. Hinzu kam außerdem Italien, unter dessen Herrschaft Libyen als Kolonie früher gestanden hatte.

Die sechsmonatige Militärintervention beinhaltete Flächenbombardements, die Einrichtung und Bewaffnung eines Rates imperialistischer Handlanger in Bengasi und immer wieder aufflammende Bodenkämpfe bis zum endgültigen Zusammenbruch des Gaddafi-Regimes. Während dieser Zeit deckte die WSWS die barbarischen Gräueltaten, begangen im Namen der Demokratie, sowie die räuberischen Motive der imperialistischen Mächte auf. Die Libyen-Kampagne gipfelte in der Ermordung Gaddafis und von Mitgliedern seiner Familie im Oktober.

Pseudolinke und liberale Gruppen in ganz Europa und den Vereinigten Staaten unterstützten den Krieg und behaupteten, die Bombardierung durch die US-NATO sei notwendig, um die libysche Bevölkerung zu schützen und die Demokratie zu fördern. Dazu gehörten die Linkspartei und die Grünen in Deutschland, die französische NPA, die ex-stalinistischen „Linken“ in Italien, die Grünen in Katalonien und die New Democratic Party in Kanada.

Die WSWS prangerte die Versuche dieser Gruppen an, den imperialistischen Krieg gegen Libyen als eine Erweiterung der Massenaufstände in Tunesien und Ägypten darzustellen. Über eine Konferenz der NPA mit ihren Schwesterparteien aus dem Mittelmeerraum schrieb die WSWS:

Während die Arbeiter in Nordafrika den politischen Kampf gegen diktatorische Regimes aufnehmen, wird der soziale Inhalt einer derartigen Orientierung immer deutlicher. Sie ist bürgerlich und konterrevolutionär. Sie verteidigt die grundlegenden Klasseninteressen der Kapitalisten und des Imperialismus gegen die Gefahr, dass eine unabhängige politische Bewegung der Arbeiterklasse die unterdrückten Massen führt.

Besonders bedeutsam war eine Polemik zwischen der WSWS und Professor Juan Cole von der Universität Michigan, einem prominenten liberalen Kritiker des Irak-Krieges unter der Bush-Regierung, der unter Obama zu einem Befürworter des Krieges in Libyen wurde. Am 27. März veröffentlichte Cole einen „Offenen Brief an die Linke“, in dem der Professor erklärte, die Linke solle „vermeiden, ,Auslandsinterventionen‘ zu einem absoluten Tabu zu machen“.

In „Libyen, Imperialismus und die Kapitulation der ,linken‘ Intellektuellen: Der Fall des Professors Juan Cole“ stellte die WSWS fest, dass Cole für eine Schicht von Intellektuellen steht, die sich im Rahmen ihrer Unterstützung für die Obama-Regierung mit dem imperialistischen Krieg versöhnt hatte.

Zu den auffälligsten Begleiterscheinungen des Angriffs von USA und Nato auf Libyen gehört die breite Unterstützung linksliberaler Parteien für diesen Krieg. Sie stützen sich auf das Milieu des gut situierten Kleinbürgertums, das einen wichtigen Teil ihrer gesellschaftlichen Basis ausmacht. Die Linksliberalen schwenken die Fahne der „Menschenrechte“, – der heuchlerischsten und betrügerischsten aller Rechtfertigungen für imperialistischen Krieg – und machen diesen Krieg zu ihrem. Man könnte meinen, es sei das erste Mal in der Geschichte, dass der Imperialismus „Menschenrechte“ und Demokratie als Deckmantel für seine räuberischen Interessen wählt!

Cole griff die WSWS in seinem bekannten Blog Informed Comment öffentlich an und setzte die Opposition gegen den US-NATO-Krieg mit einer Unterstützung für Gaddafi gleich. In „Ein offener Brief an Professor Juan Cole: Antwort auf eine Verleumdung“ und einem anschließenden Kommentar zu Coles Antwort auf die Kritik der WSWS erläuterte Bill Van Auken die Rolle der liberalen und pseudolinken Elemente dabei, imperialistischen Kriegen einen Deckmantel und eine Rechtfertigung zu verschaffen.

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