Opel: Gewerkschaften und Betriebsräte bieten Mitarbeit beim Arbeitsplatzabbau an

Am Dienstagnachmittag trafen sich in Brüssel die Vorsitzenden der Metall-Gewerkschaften Österreichs, Belgiens, Deutschlands, der Niederlande, Spaniens und Großbritanniens sowie die Betriebsräte der General-Motors-Standorte in diesen Ländern. Die Sitzung stand unter der Federführung des Europäischen Metallarbeiterbundes (EMB) und sollte, wie es offiziell hieß, "über europaweite Maßnahmen und Aktionen" gegen den Restrukturierungsplan von Opel/Vauxhall entscheiden.

Die versammelten Funktionäre beschlossen allerdings keine einzige gemeinsame Maßnahme oder Aktion. Stattdessen sandten sie einen Bittbrief an GM-Europa-Chef Nick Reilly und boten ihm ihre Zusammenarbeit an. Dabei machten sie unmissverständlich deutlich, dass sie den Abbau von Arbeitsplätzen mittragen werden, falls sich der Konzern ihrer Hilfe bedient und ihre Privilegien nicht antastet.

Offensichtlich hatten es die Gewerkschaften und Betriebsräte nicht eilig mit ihrer gemeinsamen Sitzung. Immerhin hatte Reilly der Öffentlichkeit schon vor zwei Wochen einen so genannten Sanierungsplan für GM Europe vorgestellt, der einem schrittweisen Abwrackplan für die Opel- und Vauxhall-Werke in Europa gleichkommt.

Danach werden rund 10.000 der 48.000 Arbeitsplätze in Europa abgebaut. Das Werk im belgischen Antwerpen mit seinen 2.500 Arbeitsplätzen wird Mitte des Jahres geschlossen. Im Werk Bochum sollen 1.800 der knapp 5.000 Arbeitsplätze wegfallen, was es zum nächsten Stilllegungskandidaten macht.

Die in Brüssel versammelten Gewerkschaftsbürokraten und Betriebsratsfürsten klagten, GM greife "die grundlegenden Regeln des europäischen Sozialmodells" an. Sie beschwerten sich, der Konzern sei ein schlechtes Beispiel dafür, wie ein multinationales Unternehmen "die Beschäftigten und Gewerkschaften über Grenzen hinweg" gegeneinander ausspiele, und verkündeten großspurig, man werde mit der "Einheit der Gewerkschaften und der Beschäftigten über die Grenzen hinweg" antworten.

Diese Klagen und Drohungen dienten der Beruhigung der Belegschaften in den Betrieben. Am Rande der Sitzung machten dagegen mehrere Teilnehmer der Runde deutlich, dass sie bereit seien, Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen mit zu tragen. Voraussetzung sei lediglich, dass Reilly diese Maßnahmen nicht ohne sie durchsetze. Die von der Runde beschworenen "Regeln des europäischen Sozialmodells" bestehen darin, dass Konzernleitung, Gewerkschaften und Betriebsräte die Kürzungen gemeinsam ausarbeiten.

In einem Schreiben an Reilly, das am Ende des Treffens erstellt und von allen Teilnehmern unterzeichnet wurde, heißt es u. a.: "Jegliche künftige Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeiträge im Hinblick auf Kosteneinsparungen [müssen] vom EMB und EEF geführt werden." Das EEF (European Employee Forum) ist der europäische GM-Gesamtbetriebsrat unter Leitung von Klaus Franz.

Als Gegenleistung für die "Arbeitnehmerbeiträge" - d.h. den Abbau von Arbeitsplätzen und Lohnkürzungen - erwarten die Gewerkschaften und Betriebsräte eine Belohnung. So hatte das von ihnen unterstützte Magna-Sanierungskonzept die Gründung einer Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesellschaft (MKBG) vorgesehen. Im Rahmen dieser Gesellschaft hätten die Gewerkschaften einen Teil des Aktienkapitals verwaltet und daran mitverdient.

Der in Brüssel anwesende IG-Metall Chef Berthold Huber hatte schon vor Beginn des Treffens in einem Interview mit dem Deutschlandfunk klar gestellt, was die Zielrichtung sein werde. Auf eine uneingeschränkte Ablehnung der Schließung des Werks in Antwerpen wollte sich Huber nicht festlegen. " Ich sage mal so: Wir sind auch bereit, neue Lösungen zu suchen, also mittels Investor, mittels Volumenzusagen und Minderheitenbeteiligungen von GM."

Die Schließung eines Werks sei "möglicherweise last exit". Dies ginge aber nur mit Gewerkschaft und Betriebsräten, nicht gegen sie. "Es ist schon klar, dass am Ende des Tages nicht alle Arbeitsplätze erhalten bleiben. Das haben wir immer gesagt", unterstrich Huber. Die Arbeitnehmer seien "zu Opfern bereit", was "selbstverständlich" Lohnverzicht bedeute. Das gelte nach wie vor, "aber nur dann, wenn wir auch Sicherheiten haben".

Der Antwerpener Betriebsratsvorsitzende Rudi Kennes, der gleichzeitig Stellvertreter von Klaus Franz im europäischen Betriebsrat ist, erklärte sich zum Abbau weiterer Arbeitsplätze bereit. "Wenn 750 bis 800 Leute in Antwerpen gehen müssen, dann wäre das noch verträglich", sagte er. "Das könnte man mit Abfindungen und Altersteilzeitregelungen abfedern."

Nach Kennes’ Ansicht könnte Antwerpen gut ausgelastet werden, wenn Opel ein Cabrio bauen würde. Zudem sei das belgische Werk bestens geeignet, um den Astra für Osteuropa zu produzieren, die Autos könnten über den Hafen in Antwerpen verschifft werden. Ab 2013 könnte dann der neue Mini, ein Modell unterhalb des Kleinwagens Corsa, in Antwerpen gebaut werden. So könne Opel in Antwerpen in den nächsten Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro verdienen. "Wir bringen Opel Gewinne", unterstrich Kennes.

Die Schließung des Antwerpener Werks würde dagegen Millionen verbrennen. "Das ist Geld, das dann für Investitionen in die Zukunft fehlt." Auch das Argument Reillys, es handele sich bei der Schließung des Antwerpener Werks um den Abbau von "Überkapazitäten", lässt Kennes nicht gelten. "Die Produktion wird von Antwerpen ins billige Korea verlagert und keineswegs eingestellt."

Diese Politik des Co-Managements, die angeblich bessere ökonomische Konzepte mit dem bornierten Standort-Nationalismus der Betriebsräte paart, führt seit Jahren zum ständigen Abbau der Belegschaften.

Nach dem St. Florians-Prinzip kämpfen die Betriebsräte in allen Werken mit gleichen oder ähnlichen Konzepten für ihren jeweiligen Standort. Während IGM-Chef Huber beklagte, dass es keine Verhandlungen auf europäischer Ebene über die "Arbeitnehmerbeiträge" gebe, bestätigte er im Deutschlandfunk -Interview: "Die gibt es nur informell auf Betriebsratsebene."

Als GM beispielsweise vor knapp drei Jahren versicherte, der neue Astra ab würde 2010 in Bochum, Gliwice (Polen), Ellesmere Port (England) und im Saab-Werk in Trollhättan (Schweden) gebaut, gab sich Kennes mit dem Versprechen zufrieden, in Antwerpen würden andere Modelle produziert. Damals arbeiteten noch rund 4.500 Menschen in Antwerpen. Seitdem sind dort 2.000 Arbeitsplätzen abgebaut worden, um das Werk für den innereuropäischen GM-Wettbewerb "fit" zu machen. Nun droht das endgültige Aus.

Auch der Betriebsratsvorsitzende der schwedischen GM-Tochter Saab, Paul Akelund, sagte 2007 zufrieden: "Wir haben GM gezeigt, dass wir Qualität und hohe Produktivität zu bieten haben." Man könne optimistisch in die Zeit bis nach 2010 blicken. Saab ist inzwischen an den niederländischen mittelständischen Sportwagenbauer Spyker verkauft worden.

Währenddessen streiten sich die Regierungen der Länder mit GM-Standorten, die Europäische Kommission und GM über die beantragten Milliarden-Staatshilfen.

GM hat bei den betroffenen EU-Staaten insgesamt 2,7 Milliarden Euro gefordert. Davon sollen 1,5 Milliarden aus Deutschland kommen - aufgeteilt zwischen Bund und Ländern mit Opel-Standorten. Die restlichen 1,2 Milliarden Euro sollen von Großbritannien, Polen, Spanien und Österreich beigesteuert werden.

Am Montag kam in Deutschland der Bürgschaftsausschuss von Bund und Ländern zur Beratung zusammen. Der Staatssekretär im hessischen Finanzministerium, Thomas Schäfer (CDU), sagte dem Handelsblatt, der eigene Beitrag von GM sei viel zu niedrig und müsse deutlich erhöht werden. Ein wesentlicher Punkt werde zudem sein, wie GM versichern wolle, dass Gelder aus einer europäischen Kreditunterstützung den Kontinent nicht verlassen.

Das Handelsblatt berichtete auch, dass Regierungskreise in Berlin forderten, GM solle statt der angebotenen 600 Millionen Euro mindestens die Hälfte der geschätzten 3,3 Milliarden-Sanierungskosten selbst übernehmen. Im Wirtschaftsausschuss wird u. a. moniert, dass der von GM genannte Eigenbeitrag von 600 Millionen Euro bereits zur Rückzahlung eines deutschen Brückenkredits genutzt worden sei. Er stehe daher für Investitionen nicht zur Verfügung. Die Zusage der Betriebsräte und Gewerkschaften zu Lohnkürzungen in Höhe von jährlich 265 Millionen Euro stünden ebenfalls noch aus. Auch eine Insolvenz könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

Im Auftrag der Bundesregierung wird das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers das GM-Konzept prüfen. Die Bundesregierung fordert zudem auch die EU-Kommission auf, das GM-Sanierungskonzept zu untersuchen. Der Vizepräsident der EU-Kommission Joaquin Almunia lehnt dies aber ab. Das Konzept sei das gleiche wie das aus dem Jahr 2009 und bereits geprüft. Man werde dies nicht ein zweites Mal tun.

So spielen alle Beteiligten auf Zeit; die Betriebsräte und Gewerkschaften, um die Opel-Beschäftigten hinzuhalten und schließlich vor vollendete Tatsachen zu stellen, die Regierungen und die EU, um womöglich die Staatshilfen abzulehnen. So könnte die andauernde Hinhaltetaktik der Betriebsräte und Gewerkschaften doch noch zur Insolvenz von Opel führen. Spätestens zur Jahresmitte soll Opel angeblich das Bargeld ausgehen.

Siehe auch:
GM-Sanierungskonzept für Opel: Ein Abwrackplan auf Raten
(18. Februar 2010)
Opel-Werksschließung in Antwerpen - Die Verteidigung der Arbeitsplätze erfordert eine Rebellion gegen die nationale Spalterpolitik der Gewerkschaften
( 28. Januar 2010)
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